Viele Unternehmen stehen inmitten eines strategischen Wandels oder kurz davor. Ende 2009 bereits habe das Gros der Firmen seine Ausrichtung vom Sparzwang um beinahe jeden Preis zur Gewinnung neuer Kunden verändert, berichten die Marktforscher von Gartner. 70 Prozent der CEOs gehen davon aus, dass der Wandel im Business in den kommenden fünf Jahren weiter voranschreiten wird.
Für die CIOs ist das eine keineswegs einfache Situation. Strategische Neuausrichtungen werden auf der obersten Vorstandsebene beschlossen, meist ohne die IT-Chefs in die Entscheidung einzubinden. Die neuen Ziele können aber in der Regel nur erreicht werden, wenn die IT massive Unterstützung leistet und sich mit transformiert. Wie Gartner bemerkt, verkompliziert sich die Lage nochmals, wenn die IT selbst aus ganz anderen Gründen schon mitten in einem Veränderungsprozess steckt. Kein Wunder jedenfalls, wenn CIOs auf neue Losungen von ganz oben erst einmal verunsichert reagieren.
Gartner hat deshalb eine Liste mit den zehn wichtigsten Fragen zusammengestellt. IT-Chefs sollten sie für sich beantworten, falls in ihrem Unternehmen die Parole strategischer Wandel ausgegeben wird. Die ersten drei Fragen beziehen sich auf den jeweiligen Kontext, 4 und 5 auf die Implementierung und die letzten fünf auf die Organisation.
1. Was für eine Art von Wandel geht vonstatten? Als Ursache sehen die Analysten zumeist vier Bereiche. Neue Projekte werden begonnen – seien es neue Geschäftsfelder, seien es neue Abteilungen, die an neuen Produkten arbeiten. Es geht um Innovation, also einen Wandel, der auch auf die kulturellen Denkmuster zielt – wenn etwa ein neues Geschäftsmodell durchgesetzt werden soll, wenn eine eher locker organisierte Firma zentralisiert wird oder wenn regulatorische Vorgaben umgesetzt werden müssen. Fusionen oder Übernahmen können der Grund sein. Oder aber es steht Wettbewerbsdruck hinter der anvisierten Transformation.
CIO-Aktion: Gartner empfiehlt, die drei wichtigsten Felder des Wandels im eigenen Unternehmen aufzuschreiben. Auf dieser Grundlage sollten IT-Chefs beschreiben, welche Felder sowohl in der IT als auch in den Fachbereichen von den Veränderungen betroffen sein dürften und was in der IT für den Erfolg der Vorgabe erforderlich ist. Diese Liste sollte priorisiert werden nach dem Grad des Einflusses auf den Business-Bereich.
Draht zu den Treibern suchen
2. Wer sind die Treiber des Wandels? Je weiter entfernt von der Unternehmensspitze die Treiber sind, desto höher ist laut Gartner das Risiko des Scheiterns. Im Idealfall steht hinter dem strategischen Wandel der CEO oder jemand aus der Chefetage wie COO oder CFO. Soll die Transformation auf eine Abteilung begrenzt sein, wird sie am besten vom Abteilungsleiter forciert.
CIO-Aktion: Den „Sponsor“ auf der höchsten Ebene identifizieren. Falls ein direkter Zugang zu diesem Entscheider nicht oder nur schwer möglich ist, auf den Umkreis seiner Vertrauten konzentrieren. Es ist auf alle Fälle nötig, eine direkte Kommunikationslinie in diese Gruppe aufzubauen, die im Falle von Problemen während der Transformation nützlich sein wird.
3. Wann ist die Deadline? CIOs sollten wissen, wann Ziele erreicht sein müssen. Nicht immer bekommen sie alles Wichtige direkt gesagt, wie Gartner nahe legt. Daher gilt es, alle verfügbaren Quellen auszuwerten: öffentliche Erklärungen des CEOs gegenüber Aktionären, vom CEO vorgetragene Vorstandserwartungen, Verlautbarungen der Shareholder, veröffentliche Nachrichten über andere Wettbewerber und Schlussfolgerungen von Finanzanalysten.
CIO-Aktion: Gartner rät vehement dazu, als Best Practice eine Vielzahl von Sichtweisen zu kennen – von innerhalb und von außerhalb des Unternehmens. So sehr es die eigene Karriere hemmen dürfte, als interne Opposition aufzutreten, so schädlich kann es sein, über keine alternativen Szenarien zu verfügen. Schließlich können sich die externen Bedingungen jederzeit ändern.
4. Welche Widerstände gibt es gegen den Wandel? Die wichtigste Bemerkung Gartners dazu: Häufig nehmen CEOs insbesondere die IT als widerstrebenden Faktor wahr – öfter nennen sie lediglich die Unternehmenskultur allgemein. Deshalb raten die Analysten CIOs, sich sichtbar und vorbehaltlos in die Pro-Wandel-Koalition einzureihen. Außerdem gilt es in Erfahrung zu bringen, wer von einem Scheitern der Transformation profitieren würde – und gegenüber diesen Kräften auf der Hut zu sein.
Widerspenstige ausfindig machen
CIO-Aktion: Widerstände auch in der eigenen Abteilung identifizieren – und überlegen, wie diese sich überwinden lassen.
5. Wie komplex ist die Infrastruktur? Aus Business-Sicht ist die Komplexität der IT-Infrastruktur ein steter Quell der Sorge – umso mehr, wenn eine Vielzahl an Anwendungen und Teilsystemen in Betrieb sind. Oft wurde in den vergangenen Jahren schon mit der Straffung begonnen. Redundante Systeme wurden abgeschaltet, die Zahl der Anbieter verringert, die Zahl der Rechenzentren heruntergefahren und – soweit möglich – ausgelagert. Als Faustregel gilt: Je komplexer die IT-Infrastruktur, umso stärker wiegt sie als Hemmschuh für strategischen Wandel.
CIO-Aktion: Nach Einschätzung Gartners ist es in diesem Zusammenhang sinnvoll, aktiv an die Reduzierung der IT-Komplexität heranzugehen. Das beginnt mit einer Inventur: Welche Anwendungen und Plattformen sind überflüssig? Wo kann konsolidiert werden? Wo erscheinen Einsparungen sinnvoll?
6. Wo sind die Unterstützer? Ohne oder gegen seine Abteilung kann ein CIOs die Vorgaben nicht umsetzen, auch wenn er sich ohne Abstriche dafür engagiert. Gartner gibt deshalb einen Hinweis: In der Regel besteht eine Abteilung aus je 10 Prozent Befürwortern und Gegnern eines Wandels. 80 Prozent sind eher gleichgültig, lassen sich aber überzeugen.
CIO-Aktion: Das Unterstützter-Zehntel identifizieren. Diese Mitarbeiter in Positionen bringen, in denen sie Einfluss auf den Erfolg des strategischen Wandels haben.
Wer gewinnt? Wer hat etwas zu verlieren?
7. Auf welche Weise sind verschiedene Interessengruppen betroffen? Um Fortschritte und Rückschläge für den angestrebten Wandel zu verstehen, muss man die Interessen verschiedener Akteure im Unternehmen kennen. Nur so lässt sich nachvollziehen, wer aus welchen Motiven für oder gegen das Projekt handelt.
CIO-Aktion: Gartner rät, die formale Organisationsstruktur nach dem Wandel aufzuzeichnen. So kann sich ein CIO vergegenwärtigen, wer im Unternehmen wie viel zu gewinnen oder zu verlieren hat.
8. Wie wird während des Wandels entschieden? Oft anders als im Unternehmen bis dahin üblich. Im Falle von Übernahmen oder Fusionen werden beispielsweise häufig temporäre Teams gebildet, die die Verschmelzung der Unternehmensteile in die Hand nehmen. CIOs werden in derartige Entscheidungen zwar meist eingebunden, aber nicht mit großem Einfluss ausgestattet.
CIO-Aktion: IT-Verantwortliche sollten sich vergegenwärtigen, welche Akteure an den Entscheidungen mitwirken. Man sollte mit diesem Zirkel in direkter Verbindung stehen und nach wahrscheinlichen Entscheidungsverläufen ebenso fragen wie nach Möglichkeiten zur Unterstützung.
9. Welchen Einfluss hat der Wandel auf Schlüsselprozesse? Derartige Auswirkungen sollten bedacht werden, um die Erfolgswahrscheinlichkeit zu bestimmen. Wenn in der IT selbst Change-Prozesse wie die Implementierung neuer Systeme stattfinden, werden diese durch strategischen Wandel berührt.
Proaktiv ans Re-Design heran
CIO-Aktion: Business geht immer vor IT. Deshalb sollten CIOs mit dem Re-Design interner Planungen vorangehen, wenn die neue Situation das erzwingt.
10. Wie verändern sich die Denkmuster im Unternehmen? Das Widerstreben in den Köpfen ist meist das größte Hindernis für Veränderungen. Wenn beispielsweise bis in die Führungsetage immer gedacht wurde, dass Entscheidungen so nah wie möglich an den Betroffenen zu fällen seien, werden die wenigsten mühelos auf Zentralisierung als Gebot der Stunde umschalten können.
CIO-Aktion: CIOs sollten sich diesen Umstand in vollem Umfang klar machen. Gartner empfiehlt, zwei Kernsätze zu suchen und aufzuschreiben. Einer soll das alte Denken, der andere das neue kennzeichnen. Dadurch wird hoffentlich klar, von wo aus der Weg wohin führen soll.