Nimesh Mehta betrachtet sich als Influencer: Der Senior Vice President und Chief Information and Strategy Officer der National Life Group hat über Jahre eine Technologie-Roadmap umgesetzt, um die Versicherung zu modernisieren. In jüngster Zeit wurde sein Aufgabenbereich erweitert. Er soll nun auch dabei unterstützen, eine Geschäftsstrategie zu formulieren und Change-Management-Maßnahmen leiten, um National Life als digitalen Vorreiter neu zu erfinden.
Für IT-Führungskräfte wie Mehta geht es nicht nur darum, IT-Projekte richtig durchzuführen, sondern vielmehr darum, die richtigen Projekte im Unternehmen zu starten. Anstatt nur die vom Business entwickelten Anforderungen umzusetzen, sind einige CIOs heute in der Lage, ihre Organisationen in den vielversprechendsten strategischen Initiativen zu leiten.
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Das hat zur Folge, dass IT-Führungskräfte 2024 einen breiteren Blickwinkel und einen größeren Einfluss haben. So wie Mehta, dem die Verantwortung für die Entwicklung der Unternehmensstrategie von National Life für die kommenden drei Jahre übertragen wurde.
"Anstatt zu beraten, was möglich ist, und die Entscheidung am Ende des Tages dem Business zu überlassen, sind CIOs jetzt Influencer, die den Wandel anführen", erklärt Mehta. "Jetzt wird von uns erwartet, dass wir das Geschäft verändern und nicht nur die Technologie."
IT goes Business
Die aktuelle Foundry-Studie "2024 State of the CIO" zeigt deutlich, dass die Rolle der IT-Führung stärker auf das Geschäft ausgerichtet ist. Die Umfrage, an der 875 IT-Führungskräfte und 251 Manager aus Fachabteilungen teilnahmen, ergab, dass die üblichen funktionalen und transformativen Aufgaben die CIO-Agenda zwar immer noch dominieren. Jedoch sind die Geschäftsstrategie und die Leitung des Wandels zu einem klaren Auftrag geworden. Schließlich bereiten sich Unternehmen auf das nächste Kapitel vor, in dem die Konvergenz von Daten, Analytics und KI-Technologien das Geschäft vollständig umgestalten wird.
So bezeichnen sich 35 Prozent der Befragten in der Studie als strategische CIOs. Zudem geht fast die Hälfte davon aus, dass sie diese Rolle in den nächsten drei bis fünf Jahren einnehmen werden. Insgesamt gewinnen CIOs als strategische Berater des Business weiter an Bedeutung.
Drei Viertel der IT-Leiter und 78 Prozent der befragten Fachbereichsmanager bestätigen, dass CIOs innerhalb des Unternehmens eine größere Sichtbarkeit haben. Da Technologie sowie digitale Strategie mit jedem Aspekt des modernen Geschäftslebens verwoben sind, haben CIOs zudem zunehmend die Aufmerksamkeit des Vorstands, wie 79 Prozent der Befragten angaben.
IT als Wettbewerbsvorteil
"Meine Aufgabe ist es, durch den Einsatz von Technologie und Daten eine Differenzierung für das Unternehmen zu ermöglichen", berichtet Deepa Soni, CIO bei The Hartford. Im Rahmen einer kürzlich erfolgten Umstrukturierung hat der US-Finanzdienstleister ihre Rolle ausgebaut und die Technologie- beziehungsweise Betriebsfunktionen unter ihrer Leitung zusammengefasst.
"Wir können Digitalisierung, künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen nicht nur stückchenweise betreiben", fügt Soni hinzu, "sondern müssen in großen Dimensionen denken und ein Hebel für mutige Ideen sein". Kein Wunder, dass 85 Prozent der Befragten in der Umfrage die CIO-Rolle als kritischen Change Maker sehen.
Den KI-Moment nutzen
Ähnlich wie der Wechsel zu hybriden und dezentralen Arbeitsmodellen in der Pandemie-Ära die Rolle des CIO ins Rampenlicht gerückt hat, eröffnet der aktuelle KI-Goldrausch eine neue Chance für IT-Führungskräfte, um zu glänzen. Laut der Studie "2024 State of the CIO" stehen CIOs im Zentrum der KI-Planung und -Umsetzung. Das reicht von der engen Zusammenarbeit mit dem Business bei der Formulierung von Anwendungen und Anwendungsfällen für KI (71 Prozent) bis hin zur Erforschung und Bewertung, wo KI zur Verbesserung des Technologie-Stacks eingesetzt werden kann (80 Prozent).
Da das künftige Wachstums- und Innovationspotenzial von Edward Jones zu einem großen Teil auf KI beruht, hat die Investmentgesellschaft vor kurzem den Aufgabenbereich ihres CIO erweitert, um den Betrieb und die KI zu überwachen. Die Umstrukturierung sei eine natürliche Erweiterung der CIO-Rolle, da ein Großteil des Erfolgs von KI auf Daten beruht, sagt Frank LaQuinta, CIO von Edward Jones. "Wir konzentrieren uns darauf, den Beitrag fortschrittlicher Intelligenz, unterstützt durch KI, zu maximieren. Vielleicht mit der Folge, dass Informationen auf Knopfdruck verfügbar gemacht werden, damit Berater ihre Zeit effizienter nutzen oder Kunden auf hyperpersonalisierte Weise besser bedienen können."
KI und Use Cases verstehen
CIOs müssen Unternehmen dabei helfen, die Anwendungsfälle für KI zu identifizieren, und angesichts des Hypes zudem die Erwartungen managen. CIOs können den Erfolg von KI sicherstellen, indem sie das Unternehmen über die Möglichkeiten aufklären, das richtige Gleichgewicht zwischen Innovation und Ausrichtung auf strategische Ziele finden, die richtigen Kompetenzen aufbauen und alle relevanten Sicherheitsaspekte abdecken.
"Die Mitarbeiter müssen verstehen, dass man nicht einfach einen Schalter umlegen und über Nacht die Arbeitsweise verändern kann", argumentiert Katrina Agusti, CIO bei Carhartt. "Damit Menschen die neue Technologie verstehen und innovativ damit umgehen, müssen wir sie sukzessive einführen. Es ist unsere Aufgabe, die Leute aufzuklären und die Erwartungen zu steuern."
Talente für KI gesucht
Eine der größten Hürden bei der Skalierung von KI-Initiativen ist die Suche nach den richtigen Talenten. 39 Prozent der Befragten gaben an, dass KI/ML-Experten in den nächsten sechs bis zwölf Monaten eine hohe Priorität haben.
"Um die digitale Transformation voranzutreiben, müssen neben der Talent-Akquise neue Titel geschaffen werden", bemerkt Tim Dickson, Chief Digital and Information Officer bei Regal Rexnord, einem Hersteller von Elektromotoren und Kraftübertragungskomponenten. Um sowohl interne als auch externe Talente zu gewinnen, sollten CIOs aufzeigen, wie ihre Unternehmenskultur Wachstum und kontinuierliches Lernen fördert. "Schließlich wollen wichtige Talente wissen, dass man sich als Führungskraft auf die Kultur und den Aufbau einer Strategie konzentriert und eine Vision für das Unternehmen hat", fügt Dickson hinzu.
Demokratisierung digitaler Skills
Da neue Technologien die digitalen Skills für ein breiteres Publikum demokratisieren, müssten CIOs zu Choreographen werden. Es liegt an ihnen, eine bessere Abstimmung und Koordination zwischen IT und Business sicherstellen, fordert Katrina Redmond, Executive Vice President und CIO bei Eaton, einem globalen Energiemanagement-Unternehmen. Unter ihrer Leitung hat die IT-Organisation damit begonnen, ein stärkeres Engagement und eine stärkere Verknüpfung von IT und Geschäft zu institutionalisieren, etwa durch Lenkungsausschüsse, die sich unter anderem mit der Erforschung von Anwendungsfällen für KI beschäftigen.
Hierbei geht es etwa um Transparenz, Wiederverwendbarkeit und den Abbau von Silos. "Früher hat die IT darauf gewartet, dass das Telefon klingelt und jemand sagt, woran sie arbeiten soll", erklärt Redmond. "Heute ist es ein kollaboratives, fortschrittliches Umfeld, in dem die Führungsetage ihr Schicksal gemeinsam bestimmt."
Auch außerhalb von Eaton hat die Kooperation zwischen IT und Business laut der Studie höchste Priorität. So gaben 36 Prozent der Befragten an, dass sie Zeit darauf verwenden, IT-Initiativen mit den Geschäftszielen abzustimmen, während 26 Prozent die Partnerschaft zwischen IT und Business pflegen. Die Kooperation zu stärken ist laut 27 Prozent der Befragten eine der wichtigsten Prioritäten für CIOs.
Den Kurs des Unternehmens festlegen
Carhartt-CIO Agusti gibt an, dass die Geschäftsleitung jetzt von ihr eine aktive Rolle bei der strategischen Planung erwartet. Das beinhaltet etwa, eine Unternehmens-Roadmap mit geschäftlichen Zielen auszuarbeiten, die gleichzeitig IT-bezogene Kriterien wie operative Exzellenz, erstklassige Sicherheit und kontinuierliche Verbesserung erfüllt.
"Es gibt kein Gespräch im Unternehmen, an dem die Technologie nicht beteiligt ist", sagt Agusti. "Dies ist der Zeitpunkt, an dem IT-Führungskräfte den Kurs des Unternehmens ändern, die Rentabilität steigern oder Prozesse umgestalten können." Dabei gehe es nicht nur um die typischen inkrementellen Verbesserungen und Modernisierungen, sondern um Entscheidungen, die das Unternehmen auf die nächste Stufe heben.
Da die IT-Ausgaben nach wie vor kräftig steigen und Technologie jeden Aspekt des Geschäfts untermauert, sind CIOs an einem entscheidenden Punkt in ihrer Entwicklung angelangt, auf den sie schon seit geraumer Zeit hinarbeiten. Devon Valencia, CIO bei CareSource, einer gemeinnützigen Organisation für Gesundheitsdienste, sieht dies als einen katalytischen Moment, in dem das Führungsteam endlich die ganze Breite des technologischen Potenzials erkennt. Dies eröffne eine Flut von Möglichkeiten für CIOs, die bereit sind, den Sprung zu wagen: "Die Uhr lässt sich in Bezug auf KI oder die Rolle des CIO nicht mehr zurückdrehen", sagt Valencia. "CIOs müssen sich darauf einlassen und furchtlos sein. Das ist die Realität des Jahres 2024." (ajf/jd)