CIO: Die Rollen- und Auftragsklärung ist laut einer Umfrage von Telekom Training für leitende Projektmitarbeiter das wichtigste Instrument beim Change Management. Hat Sie dieses Ergebnis überrascht?
Sascha Hüllen: Nein. Gerade Menschen, die Erfahrung mit Change Management haben, bewerten solche weichen Faktoren sehr hoch. Besonders wichtig ist grundsätzlich die sogenannte "Change Story", also das Wissen darum, was hinter einem Veränderungsprozess steht. Wenn Fragen nach dem Warum, dem Ziel und dem Weg beantwortet sind und den Beteiligten klar ist, was die Veränderung für ihren Arbeitsplatz bedeutet, sind viele andere Fragen damit auch gleich ausgeräumt.
Schreckt die Führungsebene nicht manchmal davor zurück, so etwas klar mitzuteilen, weil sie dann womöglich mit Widerständen rechnen muss?
Unserer Erfahrung nach gehen Führungspersonen mit dem Thema Kommunikation sehr verantwortungsvoll um. Natürlich haben die meisten Mitarbeiter Angst vor Veränderung, aber wenn sie auf persönlicher Ebene wissen, wohin bei einem Projekt der Zug fährt, steigen ihre Zufriedenheit und die Bereitschaft, sich darauf einzulassen, sofort.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Wenn ein Unternehmen zum Beispiel das HR-Modul von SAP neu einführt, ändern sich womöglich viele Strukturen völlig - wer mit wem wie zusammenarbeitet. Eine konstruktive Beteiligung aller Betroffenen ist nur schwer möglich. Denn bei solch einer Veränderung müsste jeder sehr stark von sich persönlich Abstand nehmen, was große emotionale Stabilität erfordert. Stattdessen ist die Führung gefragt, die Veränderung klar zu kommunizieren.
Kommen wir zurück zur Rollen- und Auftragsklärung. Was alles gehört dazu?
Zunächst muss die Rolle des Sponsors verdeutlicht werden: Wer unterstützt warum und wie das Projekt? Nötig ist außerdem eine Kräftefeld-Analyse, die aufzeigt, wo es Widerstände gibt. Außerdem müssen die Aufgaben des IT-Projektteams geklärt werden und - ganz wichtig - die der Key-User. Gerade die haben eine schwierige Doppelfunktion. Meist sind es ohnehin Leistungsträger, die nun auch noch als Multiplikator fungieren sollen. Diese Leute muss man schützen und zum Teil entlasten.
Zehn Prozent für Change Management
Um in der Kräftefeld-Analyse Widerstände zu identifizieren, ist doch sehr viel Offenheit nötig. Gibt es die?
Ja. Es geht dabei ja nicht um persönliche Widerstände, sondern um Energien, die wirken. Ein erfahrener Change Manager kann dies in einem vertrauensvollen Kontext zusammen mit dem Projektleiter als Instrument anwenden. Der Projektleiter kann dies dann beim Lenkungsausschuss des Projekts thematisieren.
Welchen Anteil am Projektbudget muss man dem Change Management widmen?
Zunächst muss man sich seiner Definition für Change Management klar werden. Manche verstehen darunter nur Kommunikations-Maßnahmen. Aus meiner Sicht greift das zu kurz. Wenn wir Kunden mit größeren Projekten betreuen, sind die Richtwerte zehn Prozent für Trainings und weitere zehn Prozent für Kommunikation und Change Management.
Veränderungen auf drei Ebenen begleiten
Was umfasst Change Management für Sie?
CM hat drei Ebenen. Auf der Ebene der Entscheider und Beeinflusser muss man sich um das Sponsoring kümmern. Beim eigentlichen Projektteam braucht man einen Lenkungsausschus und muss die Leiter unterstützen. Zu beachten sind zudem die Key User.
Ist der Arbeitsaufwand auf allen drei Ebenen gleich?
Nein. Bei einem Projekt mit 4000 Anwendern entfallen allein auf die Betreuung der Key User etwa acht Zehntel des Aufwands.
Fehlende Offenheit gefährdet IT-Projekte
Anders gefragt: Auf welcher Ebene ist am ehesten mit Widerständen zu rechnen?
Widerstände sind gar nicht das Problem. Sie zeigen eher, dass die Veränderungen kommuniziert wurden. Schlimmer ist es, wenn Change Management nicht von Anfang an implementiert wurde oder es an der Offenheit gemangelt hat. Der erste und wichtigste Schritt ist, Change Management zu positionieren, alles andere ist Handwerk.
Welches Ergebnis Ihrer Umfrage hat Sie überrascht?
Dass trotz Wirtschaftskrise die Mehrheit die Aufwendungen für CM nicht zurückfahren wollen. Für mich ist das ein klares Zeichen, dass die positive Wirkung erkannt wurde. Außerdem sind die Veränderungen durch IT-Projekte heute so tiefgreifend, dass ein Unternehmen es sich gar nicht mehr leisten kann, auf CM zu verzichten. Noch vor fünf bis zehn Jahren hätte man in Firmen gehört: Wir machen doch Change Management, wir haben ein Poster aufgehängt, auf dem das Projekt skizziert ist. Heute reicht das längst nicht mehr.