Wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen gerieren sich viele IT-Abteilungen bei der Mainframe-Transformation – schwerfällig also, ungeschickt, in Teilen gar selbstzerstörerisch. Mit diesem Bild eines unbeweglichen Dickhäuters fasst Vanson Bourne die Ergebnisse einer Studie unter fast 600 IT-Verantwortlichen weltweit im Auftrag des Anbieters Micro Focus zusammen.
Der Befund lässt sich insgesamt in drastische Worte kleiden: Unternehmen mangele es an Strategien im Application Portfolio Management (APM), lautet eine zentrale Erkenntnis. Die Analyse und Bewertung der eigenen IT-Applikationslandschaft sei für viele Unternehmen eine große Herausforderung. „Insgesamt lässt sich aus der Untersuchung schließen, dass IT-Abteilungen heute bei der Analyse und bei der Modernisierung von Applikationen eher Flickschusterei betreiben“, kommentiert Mathias Mezger, Senior Solution Architect bei Micro Focus in Ismaning.
"Konfuses Durcheinander"
Tatsächlich gibt es sogar IT-Chefs, die ihr Applikationsportfolio als „konfuses Durcheinander“ beschreiben. So weit gehen zum Glück nur rund 5 Prozent der Studienteilnehmer, zu denen auch 100 CIOs deutscher Unternehmen zählen, die Mainframes einsetzen und mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen. Wiederum bildlich ausgedrückt ist dies aber nur die Spitze des Eisbergs, denn die echten Probleme sind weit verbreitet.
Im Hinblick auf das Management ihrer Applikationen bestätigten zwar 87 Prozent der CIOs und IT-Direktoren, dass sie hier strukturierte Review-Prozesse implementiert haben. Über die Hälfte erklärten allerdings, dass sie im Detail kein klares Bild im Hinblick auf die eingesetzten Applikationen haben.
Nahezu ein Fünftel betonte, dass sie bei den vorhandenen Legacy-Applikationen niemanden mehr hätten, der hier ein Update vornehmen könnte. Folglich würden sie von diesen Anwendungen auch „die Finger lassen“. 15 Prozent erklärten, dass durch Fusionen und Übernahmen ein Applikationsdschungel entstanden ist.
"IT-Schuld" nicht bekannt
Zwei weitere Kernprobleme schält Vanson Bourne aus. Erstens habe die fast die Hälfte der CIOs keine Ahnung von der Höhe der eigenen „IT-Schuld“. Der Begriff stammt vom Analystenhaus Gartner und bezeichnet die Kosten, die für die umfassende Modernisierung eines veralteten Applikationsportfolios aufzuwenden wären. Vor zwei Jahren schätzte Gartner die weltweite IT-Schuld auf 500 Milliarden US-Dollar – Tendenz rasant ansteigend.
Daran anknüpfend stellt Vanson Bourne nun fest, dass sich das Bewusstsein der IT-Chefs seither kaum verändert habe. Diejenigen, die Angaben zur eigenen IT-Schuld machten, schätzten sie im Durchschnitt auf knapp 11 Millionen US-Dollar, größtenteils verursacht durch Mainframe-Applikationen.
Zweitens halten 43 Prozent der Befragten kommerzielle Off-the-Shelf-Lösungen für den sichersten und wirtschaftlichsten Weg zur Modernisierung der Mainframe-Applikationen. Micro Focus rät hingegen von derartigen Regallösungen ab und beruft sich dabei auf eine Untersuchung der Standish Group.
Geringe Erfolgsrate Standardlösungen
Demnach biete die Applikationsmodernisierung mit 53 Prozent die größte Wahrscheinlichkeit, ein Projekt fristgerecht, im vorgegebenen Kostenrahmen und mit Integration aller wichtigen Features durchzuführen. Die Erfolgsrate beim Kauf einer Standardlösung liege im Vergleich dazu bei lediglich 30 Prozent. Bei einer kompletten Neuentwicklung liegt die Rate gar nur bei 4 Prozent.
Modernisieren wollen die Befragten vor allem Anwendungen in den Bereichen Human Resources, Business Process Management (BPM), Project Portfolio Management (PPM), Customer Relationship Management (CRM), Finanzen und Enterprise Resource Planning (ERP). Haupttreiber für die Modernisierung von Mainframe-Applikationen sind die Reduzierung von Hardware- und Softwarelizenzkosten, eine höhere Verfügbarkeit und Produktivität sowie die Unterstützung künftiger Innovationen und Unternehmenswachstumsziele.
Mit mobilen Geräten auf Mainframe-Applikationen zugreifen
14 Prozent erklärten zudem, dass sie bereits begonnen haben, einen Zugriff auf Mainframe-Applikationen von mobilen Geräten aus zu ermöglichen. 49 Prozent beabsichtigen dies in den nächsten zwölf Monaten zu realisieren. Außerdem bestätigten 16 Prozent der Befragten, dass sie bereits mit der Auslagerung von Mainframe-Applikationen in die Cloud begonnen haben. 42 Prozent planen dies für die Zukunft.
Trotz dieser Aktivitäten bleibt der Grundtenor der Studie kritisch. Speziell in Deutschland erscheint die Lage keineswegs besser als anderswo. Hierzulande haben 54 Prozent der Befragten nach eigenen Angaben keine Detailkenntnisse über die Applikationslandschaft. Als Gründe nannten 21 Prozent redundante Applikationen, 16 Prozent heterogene Applikationslandschaften in Folge von Fusionen und Übernahmen und 11 Prozent Legacy-Applikationen.
APM-Lösung verspricht keinen schnellen RoI
„Eine APM-Lösung wird oft vor allem deshalb nicht implementiert, weil sie keinen schnellen Return on Investment verspricht, sondern ihren Nutzen erst mittel- beziehungsweise langfristig zeigt“, schlussfolgert Mezger. „Das steht vielfach im Widerspruch zu den Vorgaben für IT-Verantwortliche, die daran gemessen werden, wie schnell sie kurzfristige Business-Anforderungen umsetzen können.“
Die Studie „Mainframe Transformation: the Elephant in the Room” ist bei Micro Focus erhältlich.