Burn-Out-Syndrom die logische Folge

Chaotische Zustände in IT-Projekten

25.04.2005
Nicht einmal die grundlegendsten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse werden bei Projekten im IT-Bereich beachtet. Zu diesem Urteil kommt eine Studie des Instituts für Arbeit und Technik (IAT). Extreme Arbeitsbelastung und zahlreiche Hürden, die produktive Arbeit verhindern, bilden demnach eine Mischung, die bei den Mitarbeitern zu Frust und in letzter Konsequenz zum Burn-Out-Syndrom führen.

Zu den in der Studie am häufigsten genannten Problemen zählen Mehrbelastung und Überforderung durch Zeitdruck. Ursachen sind oft widersprüchliche Zielvorgaben und Erwartungen, die durch unklare Aufgabenstellung und veränderte Kundenwünsche im Bearbeitungsprozess entstehen.

"Ein prinzipielles Problem von Projektarbeit ist, dass Mitarbeiter das gesamte Projekt nicht überschauen können", so Studienleiterin Anja Gerlmaier zu CIO-Online. "Außerdem ist die Arbeit oft chaotisch verteilt. Mehrere Abgabetermine liegen in der gleichen Woche, sodass sich der Stress extrem konzentriert." Teilnehmer der Studie berichteten, dass sie häufig neue Zielvorgaben bekämen, ohne dass ihnen dafür zusätzliche Ressourcen zugestanden wurden. Mehr als die Hälfte klagte außerdem, dass sie an mehreren Aufgaben gleichzeitig arbeiten muss – ohne Einfluss auf Termine nehmen zu dürfen.

Schwierig ist häufig auch die Zusammenarbeit mit den Kunden: Oft erteilen Kunden Anweisungen, die im Widerspruch zum Projektplan stehen. Die Mitarbeiter stehen vor dem Dilemma entweder den Kunden zu verärgern oder ihre eigenen Kompetenzen zu überschreiten. Die Mehrheit der Befragten erlebte außerdem, dass Kunden notwendige Informationen nicht rechtzeitig oder erst nach erheblichem Mehraufwand vorlegen. In der Folge geraten immer wieder Terminpläne ins Rutschen. Hausgemacht sind dagegen Probleme wie eine instabile Entwicklungs-Software. Eine Erfahrung, die mehr als die Hälfte der Studienteilnehmer machen musste.

Ein weiteres Problemfeld ist in vielen Unternehmen offenbar die Einarbeitungsphase. Zum einen gab mehr als die Hälfte der Befragten an, dass sie Software-Lösungen erstellen sollten, ohne den Echtbetrieb kennen lernen zu können. Beinahe alle Studienteilnehmer klagten, dass sie parallel zu Einarbeitungsphasen in die tägliche Produktionsarbeit mit eingebunden sind. Die Folgen: Ineffizienz, Fehler und Überforderung.

Diskrepanzen gibt es häufig auch bei Erwartungen und Wertschätzung. Knapp die Hälfte der Befragten berichtete, dass das Management vermehrtes Engagement, beispielsweise stärkere Vertriebsaktivitäten beim Kunden, einforderte – ohne den Aufwand materiell oder immateriell zu entlohnen. Das führt zu Frust und Demotivation bei den Mitarbeitern.

Erheblicher Handlungsbedarf

Insgesamt zeichnet die Studie ein wenig schmeichelhaftes Bild von der Arbeit in IT-Projekten. Es bestehe "erheblicher Handlungsbedarf". Jeder vierte Projektmitarbeiter gab an, nach der Arbeit nicht mehr abschalten zu können und das Gefühl zu haben, nicht mehr alles zu schaffen. Ebenso viele glauben, dass sie den derzeitigen Belastungen auf Dauer nicht standhalten können. Zwei Drittel haben nicht den Eindruck, dass sich Engagement über das notwendige Maß hinaus lohnt.

Um den Problemen zu begegnen, rät Studienleiterin Anja Gerlmaier zu regelmäßigem Austausch innerhalb der Projektgruppen. Dort sollten sowohl Schwierigkeiten als auch Lösungsansätze der Mitarbeiter aufgenommen und an das Management weitergeleitet werden. Allerdings müssten den Worten dann auch Taten folgen, denn sonst "kann man es auch gleich lassen", so Anja Gerlmaier.

Derzeit arbeitet die Arbeitswissenschaftlerin an einem Projekt, das die ökonomischen Auswirkungen von Burn-Out für Unternehmen quantifizierbar machen soll. "Den Entscheidern ist offenbar nicht klar, welche Folgen die schlechten Arbeitsbedingungen haben. Vielleicht ändert sich das, wenn sie schwarz auf weiß die möglichen Umsatz- und Gewinneinbußen sehen."

Das Institut für Arbeit und Technik (IAT) aus Gelsenkirchen hat für die Studie sieben Projektgruppen mit insgesamt 34 Mitarbeitern aus der IT-Branche befragt. Die Teilnehmer berichteten über ihre Erfahrungen in Gruppendiskussionen und führten über den Zeitraum von zwölf Monaten ein so genanntes Befindenstagebuch. Darin berichteten sie über Projektereignisse und Beanspruchungen. Am Ende führte das IAT eine schriftliche Abschlussbefragung durch. Zusätzlich wurden Interviews mit der jeweiligen Geschäftsführung, Personalvertretungen und Projektleitern geführt.