Kerstin Aigner ist Ausbildungsleiterin beim Dortmunder IT-Dienstleister Materna, einem Anbieter, dessen engagierte Nachwuchsarbeit in der Branche bekannt ist. Dennoch gibt sie zu: "Es gab auch bei uns im Haus Führungskräfte, die mich irritiert angeschaut haben, als ich ihnen sagte, dass wir uns als Unternehmen bei den jungen Menschen bewerben müssen, wenn wir sie unbedingt haben wollen." Aigner stellt schon seit Jahren Studenten dualer Studiengänge, studentische Mitarbeiter und Auszubildende ein. Sie weiß, wie die Generation Z, also die nach 1995 Geborenen, tickt.
Fakt sei, dass die Zahl der Bewerbungen abnehme. Umgekehrt wachse aber die Zahl der Aufträge kontinuierlich, gutes Personal werde händeringend gesucht. Das bedeute für sie, dass sie sich im Vorstellungsgespräch "besonders anstrengen" müsse. Heißt: Materna muss mit attraktiven Angeboten aufwarten, damit die Bewerber überhaupt kommen. Gute Erfahrungen habe man mit Hackathons gemacht sowie mit sogenannten Meetups zu bestimmten Innovationsthemen oder auch mit verschiedenen Social-Media-Aktivitäten.
Arbeitgeber suchen aktiv
"Wenn der IT-Nachwuchs erst einmal bei uns ist, müssen wir ihn auch intensiver betreuen", berichtet Aigner. Fast jeden Tag erhielten vor allem die Informatiker Jobangebote von anderen Unternehmen. Wenn dann ein Talent unzufrieden sei, weil es sich vom Chef schlecht behandelt fühle oder der gefühlte Stress zu groß werde, fielen neue Jobangebote auf einen fruchtbaren Boden, sagt die Materna-Personalerin. Gleich drei Mitarbeiter hat Materna für das Active Sourcing eingestellt - für die Ansprache interessanter Kandidaten insbesondere auf Plattformen wie LinkedIn und Xing. Diese Form der Personalakquise, in der die Unternehmen wie Headhunter gezielt in Social Networks und Jobportalen auf "Mitarbeiterfang" gehen, ist längst nicht mehr neu.
Auch Ina Schils, Recruiterin bei der Finanz-Investment Holding Franz Haniel in Duisburg, diskutiert mit ihrem Management darüber, dass der Arbeitsmarkt im Wandel ist und der über viele Jahrzehnte gültige Satz: "Es ist eine Ehre, bei uns zu arbeiten", nicht mehr verfängt. All die Jahre war man als Arbeitgeber in einer komfortablen Situation: Die Mitarbeiter bewarben sich in Scharen und wollten gerne im Konzern bleiben. Innerhalb eines Jahres hat sich laut Schils die Situation verändert. Immer mal wieder fragten die Fachabteilungen: "Wo sind denn all die tollen Bewerbungen geblieben?"
Haniel versuche in der Personalarbeit den Spagat zwischen der traditionellen Bewerbung im klassischen Geschäft und den zeitgemäßeren Recruiting-Methoden, um die Generation Z zu erreichen. Ganz anders ist die Stimmung bei "Schacht One", der digitalen Einheit im Konzern. Dort werden gemeinsam mit den Geschäftsbereichen digitale Innovationen entwickelt und in möglichst kurzer Zeit zur Marktreife gebracht. Schacht One versteht sich demnach als digitale Werkbank der Haniel-Gruppe. "Und hier läuft der Hase ganz anders", wie es Schils formuliert. Mitarbeiterempfehlungen seien hier das Mittel der Wahl: "Man kennt sich, redet viel miteinander - das ist ein ganz anderes Netzwerk!"
Langweilige Aufgaben will keiner
Mit den Wünschen und Vorstellungen junger Mitarbeiter kennt sich Dieter Schoon bestens aus. Als er vor einigen Jahren beim ostwestfälischen IT-Dienstleister Itelligence als Personalleiter begann, arbeiteten im Unternehmen weniger als 1000 Mitarbeiter, jetzt sind es 7000, und jedes Jahr holt er bis zu 1000 weitere Menschen in die Firma.
Seine Aufforderung an die Kollegen aus der Wirtschaft formuliert der Vater von sechs Kindern so: "Stellt junge Leute ein, so viel ihr könnt, bildet aus, so viel es geht." In den vergangenen Jahren habe er gelernt, dass man - erst recht gegenüber der jungen Generation - authentisch auftreten müsse. Schoon warnt davor, "Träume zu verkaufen, die wir nicht leben". Eine offene Diskussion mit dem Kandidaten führe viel weiter, als "mit Buzzwörtern herumzuwerfen".
Der Arbeitgeber solle von Anfang an sagen, welche spannenden Herausforderungen er anbiete, dass dafür aber auch hart gearbeitet werden müsse. Mit langweiligen Aufgaben locke man ohnehin niemanden mehr hinterm Ofen vor. Eine Mitarbeiterbefragung bei Itelligence ergab, dass jüngere Mitarbeiter zwar Wert auf Freiheiten legten, aber durchaus auch Verantwortung übernehmen wollten. Hier gelte es, die richtige Balance zu bieten.
Etwa 3.500 Auszubildende stellt jedes Jahr der Einzelhandelskonzern Rewe Group ein. "Sehr wichtig ist es im Azubi-Marketing, authentisch und nah an den Bedürfnissen der Zielgruppe aufzutreten", meint Nicole Ewald, Leiterin Employer Branding in der Konzernzentrale. Gerade wenn man die junge Generation erreichen wolle, müsse man möglichst viel ausprobieren. Rewe organisiert zum Beispiel Veranstaltungen mit Schülerinnen und Schülern oder arbeitet mit Influencern auf Youtube zusammen.
Ewald weist darauf hin, dass der "gute Mix von Recruiting-Maßnahmen" ausschlaggebend sei, um die jungen Menschen zu erreichen und einzustellen. Sich auf klassische Medienarbeit zu verlassen reiche nicht mehr aus: "Da haben wir zu große Streuverluste." Auf Karrieremessen sei man indes präsent: Allein im Bereich des akademischen Nachwuchses sei man jedes Jahr auf 20 bis 30 solchen Veranstaltungen aktiv. Zudem zeige man sich auf vielen weiteren Messen in den Regionen, um Auszubildende zu finden.
Duale Studiengänge sind begehrt
Rewe veranstaltet zudem Inhouse-Karrieretage, pflegt Kontakte zu Hochschulen und bietet Besichtigungen von Zentrallagern und Produktionsstätten an. "Der persönliche Kontakt zu den jungen Menschen und die Präsentation unserer Arbeitswelt sind das A und O", sagt Ewald. Von den Talenten der jungen Generation ist sie überzeugt: Für die dualen Studiengänge finde sie ebenso wie für die Trainee-Programme "sehr engagierte, motivierte und leistungsstarke junge Menschen".
Der Konzern bietet diese Einstiegsmöglichkeiten schon seit vielen Jahren an. Sie haben sich als gut und vielseitig etabliert. Aber auch im Ausbildungsbereich bietet die Rewe Group sowohl im Einzelhandel als auch in den Zentralbereichen ein breites Spektrum an Berufen, die einen abwechslungsreichen Einstieg garantieren. "Die Herausforderung bleibt, die jungen Menschen davon zu überzeugen", sagt Ewald.
Mitarbeiter einbinden sorgt für Identifikation
Verena Uppenkamp ist die Jüngste in der Diskussionsrunde und fühlt sich selbst noch "an der Grenze zur Generation Z". Es passt also ganz gut, wenn sie sich im Bereich Employer Branding um die Social-Media-Aktivitäten ihres Arbeitgebers kümmert, des Spezialchemieunternehmens Evonik. Sie stehe vor der großen Herausforderung, ein B2B-Unternehmen, das für viele im Alltag nicht sichtbar sei, in den sozialen Medien attraktiv darzustellen. Das sei umso wichtiger, als der Nachwuchs heute unzählige Auswahlmöglichkeiten habe - angefangen von den Bachelor-Studiengängen, von denen es um die 30.000 geben soll, bis zu den unterschiedlichsten Einstiegschancen ins Berufsleben.
Mit einer im Herbst 2017 gestarteten, neuen Arbeitgeber-Markenkampagne, in der die Evonik-Mitarbeiter im Mittelpunkt stehen, habe man es geschafft, für viel Aufmerksamkeit zu sorgen. Mitarbeiter aus aller Welt konnten sich über das Intranet online für Fotoshootings bewerben, um in Anzeigen zu erscheinen. Rund 150 Mitarbeiter quer durch alle Funktionen bildeten mit ihren Körpern die chemischen Formeln ausgewählter Evonik-Produkte nach.
Beschäftigte gründen firmenintern Startups
Diese identitätsstiftende Zusammenarbeit kam sehr gut an: "Wir haben Mitarbeiter zusammengeführt, die ansonsten nichts miteinander zu tun haben", freut sich Uppenkamp. Als Repräsentantin der jüngeren Generation warnt Uppenkamp davor, die Generation Z mit Standardfloskeln abzuspeisen. Sie meint damit 08/15-Sätze wie: Wir sind ein flexibles Unternehmen, oder: Wir arbeiten in Teams. Solche Aussagen müssten schon mit konkreten Beispielen belegt werden.
Ebenfalls genervt sei der Nachwuchs, wenn Firmenvertreter auf Karrieremessen auf die Jobangebote der unternehmenseigenen Homepage verwiesen. Das sei unnötig, denn auch unter Zeitdruck lasse sich eine individuelle Information an Interessierte weitergeben - und das sorge oft schon für einen ersten positiven Eindruck.
Bei der RWE-Tochter Innogy SE arbeitet Svenja-Shuvai Matore im Recruiting. Sie warnt davor, pauschal von "DER Generation Z" zu sprechen, die es aus ihrer Sicht gar nicht gibt. Vielmehr komme es darauf an, sich die Zielgruppen unter den anzusprechenden Talenten genau anzusehen. Azubis etwa müssten anders angesprochen werden als beispielweise die Bewerber für ein Trainee-Programm.
Das Management von Innogy unterstützt und fördert die unterschiedlichen Netzwerke von jungen Mitarbeitern. Gleichzeitig gibt es die Möglichkeit, besonders kreativ zu werden und an dem Programm innoYou teilzunehmen. Hier können Mitarbeiter Problemlösungsansätze entwickeln, diese vor Sponsoren präsentieren und dann intern ein Team aufbauen, um die Idee zum Erfolg zu führen. Matore verweist darauf, dass dieses Programm allen Mitarbeitern des Konzern offenstehe und nicht auf eine Alters- oder Berufsgruppe beschränkt sei.
Am Ende, so zeigte sich die Diskussionsrunde einig, gibt es viele Möglichkeiten, sich für junge Mitarbeiter interessant zu machen. Wichtig sind attraktive Aufgaben, eine authentische Ansprache sowie Führungskräfte, die an einem Strang ziehen. Sie müssen aktiv am Employer Branding mitwirken und darauf achten, ihr Unternehmen nicht nur als attraktiv und interessant zu präsentieren, sondern es tatsächlich auch so gestalten.