Die Zwänge der gegenwärtigen Wirtschaftskrise treffen auch die CIOs: Mehr als die Hälfte von ihnen sind nach Compass-Feststellung mit reduziertem, zumindest aber stagnierendem IT-Budget für das kommende Jahr konfrontiert. Auf die Unmöglichkeit, derzeit einigermaßen sichere Prognosen für 2009 abzugeben, reagieren die Unternehmensleitungen mehrheitlich mit vorsorglicher Kostenreduktion.
Der Forderungen nach einem noch konsequenteren kurzfristigen Kostenmanagement kann sich der CIO kaum entziehen. Aber er muss zugleich langfristiger denken. Die gegenwärtige Krise wird zum großen Teil von der Börse genährt. Diese aber neigt zum Verstärken von Trends und Übertreibungen in der Hausse wie der Baisse. Sollte sich - was einzelne Forschungsinstitute nicht ausschließen - die Wirtschaft doch schneller wieder erholen als erwartet, könnte ebenso rasch ein Gegentrend um sich greifen. Aber auch bei längerer Dauer einer Rezession wird die IT irgendwann wieder expandieren müssen.
CIOs stehen damit vor einem Dilemma, denn IT-Strategien lassen sich nicht so leicht "herumreißen" wie die Börse oder auch die Fertigung. Viele Unternehmen haben ihre Produktion während der Krise eingeschränkt, zum Beispiel durch verlängerte Werksferien, den Verbrauch von Arbeitszeitkonten, reduzierte Zuliefermengen etc. Die IT aber kann nicht so flexibel agieren. Sie kann ihre Mitarbeiter nicht einfach vier Wochen nach Hause schicken. Um zu sparen, werden meist Investitionen in Gänze unterlassen oder abgebaut. Dann aber können erhebliche Defizite auftreten, wenn doch wieder Zuwachs gefragt ist - etwa wenn Mitarbeiter mit wertvollen Fertigkeiten nicht mehr verfügbar sind.
Der CIO muss sich deshalb so vorbereiten, dass er Kosten senken kann, ohne die IT "kaputt zu sparen". Zum Beispiel können durch den richtigen Skill-Mix in der Anwendungsentwicklung die Kosten reduziert werden, ohne die Entwicklungsgeschwindigkeit zu reduzieren (siehe Grafik 1).
Die beste Strategie dafür ist ein neues Verständnis des Innovationsmanagements. In traditioneller Betrachtung werden in der IT-Kostensenkung und Innovation alternativ gesehen. Sinnvoller ist es jedoch, beide aus einer gemeinsamen Perspektive zu betrachten. Statt tumber Kostensenkung ("abbauen, entlassen") werden auch hier innovative Strategien angestrebt. Das Innovationsmanagement wird so positioniert, dass es bei Bedarf inhaltlich schnell und flexibel von Kostensenkung auf Wachstum umschalten kann. Welche Elemente muss es dazu enthalten?
Innovative Kostensenkung
Zur Kostensenkung kann der CIO an externen und internen Hebeln ansetzen.
1. Gestaltung externer Dienstleistungen
Verhandlungen mit IT-Dienstleistern bieten häufig die einfachsten Ansatzpunkte für kurzfristige Einsparungen. Allerdings nur dann, wenn die Verträge entsprechend gestaltet sind; ansonsten sind CIOs auf den Goodwill der Partner angewiesen. Die eigentliche Innovation liegt in der rechtzeitigen Aufnahme von Benchmark-Klauseln in den Lieferantenverträgen. Sie schaffen in Krisenzeiten mehr Flexibilität, indem sie garantieren, dass die Preise die tatsächliche Marktentwicklung reflektieren.
Die Auslagerung von Leistungen an externe Provider schafft grundsätzlich mehr Flexibilität, da sie Fixkosten in variable Kosten verwandelt. Angesichts der Finanzkrise dürften allerdings Outsourcing-Strategien, die auf einem "Financial Engineering" basieren, zurückgehen: Dienstleister, die zur Kundengewinnung kurzfristige Einsparungseffekte versprechen, für die sie selbst anfängliche Verluste in Kauf nehmen, werden Schwierigkeiten bei deren Refinanzierung bekommen. Insofern könnten Outsourcer, die sich auf tatsächlich effizientere Prozesse stützen, an Boden gewinnen gegenüber solchen, die primär auf Finanzmacht setzen.
2. Flexible Leistung und Abrechnung
Im Verhältnis zwischen Business und IT ist eine flexible Abrechnung als Grundlage für variablen Leistungsbezug nach Vorbild der Fertigung sicherlich der meistversprechende Ansatz zur Kostenanpassung. Werden Investitionen in Server, Manpower etc. für größere Zeiträume getätigt, müssen sich IT und Business langfristig binden - dies passt nicht in eine Zeit der Ungewissheit. Wenn dem Geschäft der Markt wegbricht, müssen sich auch die IT-Kosten adäquat reduzieren.
Die erste Voraussetzung dafür ist die Abrechnung der IT-Leistungen und -Kosten in Business-Größen, zum Beispiel in der Finanzindustrie pro Kontoauszug, im Transportwesen pro verkauftem Ticket, in der Fertigung pro produziertem Wagen etc. Dazu muss die IT ihren eigenen Anteil kennen und entsprechende Kennzahlensysteme sowie SLA-Modelle entwickeln. Außerdem muss sie wissen, wie sich ihre Kosten in Abhängigkeit vom Business verändern, und dies entsprechend abbilden.
Eine geeignete Methode ist die Definition von Korridoren. Bleiben die Business-Mengen innerhalb dieses Rahmens, wird eine volumenbezogene Verrechnung bei konstantem Stückpreis vorgenommen; liegen sie außerhalb, wird der Stückpreis neu verhandelt. Auch können die Preise nach Art der Leistungserbringung gestaffelt werden. So hat beispielsweise ein Cargo-Unternehmen den IT-Stückpreis pro Ticket vom Bestellvorgang abhängig gemacht - je nachdem, ob der Auftrag per E-Mail, Internet oder klassischer Post eingeht. Damit wird der unterschiedliche IT-Aufwand bei der Auftragsverarbeitung abgebildet.
Als zweite Voraussetzung für flexible IT-Leistungsumfänge müssen natürlich die entsprechenden technischen Grundlagen existieren. Die Krise wird deshalb den Einsatz von Technologien vorantreiben, die schon länger diskutiert werden.
Primär ist hier die Virtualisierung zu nennen, die einen kapazitätsabhängigen Verbrauch und damit wesentlich mehr Flexibilität für IT wie Business erlaubt. Nach Compass-Untersuchungen haben virtuelle Systeme heute einen Anteil von knapp 20 Prozent, so dass hier noch ein beachtliches Potenzial existiert. Zwar ist die Virtualisierung noch nicht für alle Anwendungen gleichermaßen geeignet. Erzielt sie bei kleineren, standardisierten Anwendungen mit dynamischer Last deutliche Vorteile, sind große, individuelle Lösungen oft noch kritisch. Auch müssen neben der Technik (Server und Software) Preismodelle für eine leistungsabhängige Verrechnung geschaffen werden.
Sinnvoll ist es, dabei mehrere Komponenten gleichzeitig zu berücksichtigen: Betriebsart (dediziert-virtuell), Servergröße, Ressourcenverbrauch der Anwendung sowie die Servicequalität. Auch hier sind regelmäßige Anpassungen aufgrund der Marktentwicklung empfehlenswert; so zeigen Compass-Untersuchungen, dass die Performance der Server jährlich um 30 bis 40 Prozent steigt und der Preis pro Leistungseinheit entsprechend sinkt.
Cloud Computing
Auch andere, noch weiter gehende technische Innovationen, die zu einer Flexibilisierung der IT-Kosten beitragen, dürften in der Krise einen entscheidenden Schritt von der Vision zur Realität tun. Dazu gehört Cloud Computing - bei dem Anwender den Betrieb der Applikationen und der dazu notwendigen Server einem externen Anbieter überlassen - ebenso wie SaaS, bei dem Software bedarfsgerecht als Dienstleistung mit normiertem Servicelevel bezogen und nutzungsabhängig bezahlt wird.
Hand in Hand können sich neue Finanzierungsstrategien wie das IT-Leasing stärker durchsetzen. Der Vorteil: Kosten fallen nicht vorab an, sondern werden über einen längeren Zeitraum verteilt und erst mit der Nutzung bezahlt; zugleich können CIOs flexibler am technischen Fortschritt partizipieren. Heute hat IT-Leasing einen Anteil von rund 30 Prozent, so dass auch hier ein erheblicher Spielraum zur Flexibilisierung der IT-Kostenstruktur besteht.
Beim Thema innovative Kostensenkung sollte auch die "Green IT" nicht vergessen werden, denn sie bietet beträchtliche Einsparungsmöglichkeiten ohne negative Auswirkungen auf das strategische Potenzial. Schließlich hat die Energie einen Anteil von 20 bis 40 Prozent an den RZ-Kosten. Technische Ansatzpunkte sind unter anderem Virtualisierung, Energieeffizienz der Hardware, Einsparung von Speicherplatz - etwa durch innovative Datenbank-Technologien mit höheren Kompressionsraten.
3. Mehr Effizienz in der IT
Neben der Flexibilisierung ist in der Krise natürlich auch die klassische Effizienzbetrachtung ein innovativer Hebel zur Kostensenkung. Dazu gehört zunächst die Gestaltung der IT-Prozesse: Identifikation von nicht performanten Prozessen, Systembrüchen, nicht durchgängig implementierten Prozessschritten usw. Die Einsparpotenziale liegen in diesem Bereich meist über 15 Prozent.
Auch bietet das "alte" Thema Plattformkonsolidierung noch immer erhebliche Potenziale, denn die Zahl unterschiedlicher Betriebssysteme, Datenbanken, SAP-Plattformen etc. ist in vielen Unternehmen nach wie vor hoch. Auch hier lassen sich nicht selten Einsparungen von mehr als 15 Prozent erzielen.
Innovatives Projektportfolio-Management
Die meisten Geschäftsbereiche von Unternehmen hängen heute stark von IT-unterstützten Prozessen ab. Deshalb wird in der Krise ein adäquates Management des Projektportfolios noch wichtiger. Welche Projekte hohe Priorität - und damit den größten Anteil der knapper werdenden Finanzmittel - erhalten, wird vom jeweiligen Business-Ziel bestimmt. Was steht im Mittelpunkt? Kostensenkung oder mehr Differenzierung zum Wettbewerb und geschäftliche Weiterentwicklung? Kurzfristiger ROI oder eher langfristige Effekte?
Wird diese Priorisierung richtig gesteuert, verfügt das Unternehmen über den wichtigsten Hebel, um zügig zwischen Kostenreduktion und Expansion "umschalten" zu können. Was ist nun zu beachten, damit diese Steuerung funktioniert?
1. Gesamtkosten und Nutzen betrachten
Prinzipiell sollten die entsprechenden Gremien stets den gesamten Zusammenhang im Auge haben. Gerade wenn die IT immer stärker ein "Enabler" für das Geschäft wird, können IT-Investitionen bzw. -Einsparungen nicht isoliert betrachtet werden. Es muss verhindert werden, dass durch Fokussierung auf IT- Kostensenkung in einer Krisenpanik Prozesse geschwächt oder ganz abgebaut werden, die für zentrale Business-Ziele benötigt werden, sich die IT also "zu Tode spart". Deshalb sollte den IT-Investitionskosten eine Betrachtung des Gesamtnutzens gegenüberstehen (siehe Grafik)
Beispielsweise hat eine europäische Bank durch eine Gesamtbetrachtung aller Prozesse den Antragsprozess bei der Vergabe von Hypothekendarlehen deutlich optimiert. Erhöhte IT-Investitionen am Anfang - strukturierte vorgelagerte Beratung und eine detailliertere Bedarfsanalyse - brachten einen ROI in späteren Phasen: Die Angebotserstellung konnte stärker automatisiert, die Prüfung verkürzt und der Aufwand für ausgehende Anrufe - Rückfragen, Zusatzinformationen etc. - signifikant gesenkt werden. So reduzierte die Bank ihre Personalkosten je Neukunde um fast 40 Prozent. Eine isolierte, rein kostenorientierte IT-Betrachtung hätte vermutlich auf diese Investitionen verzichtet.
2. Transparente Prozesse und Kriterien
Bei der anschließenden Umsetzung sind transparente Prozesse und nachvollziehbare Kriterien bei der Projektpriorisierung wichtig: Warum wird gerade dieses Projekt ausgewählt? So kann verhindert werden, dass IT-Investitionen nach "Beziehungen" oder Durchsetzungsvermögen der jeweiligen Verantwortlichen vergeben werden. Außerdem sollte eine konsequente, klare Fokussierung durchgehalten werden: Die Einteilung in Prioritätenklassen: "1, 2, 3" führt in der Regel dazu, dass fast alle Projekte "Prio-1" erhalten.
Stattdessen sollten die Projekte sequenziell priorisiert werden: Wenn nur ein Projekt durchgeführt werden kann, welches hat die höchste Priorität? Welche hat die zweithöchste Priorität? usw. Des Weiteren sollten die Gremien genau festlegen, wie Projekte beantragt, priorisiert, realisiert und schließlich in die Produktion übergeben werden.
3. Nachhaltige Kontrolle
Nicht zuletzt sollten die Verantwortlichen regelmäßig nachverfolgen, ob die bei der anfänglichen Entscheidung prognostizierten Ergebnisse auch tatsächlich realisiert werden. Vorteile entstehen nur selten direkt aus einer Aktivität heraus; oft treten sie erst nach einer Lernphase oder auch in anderen Bereichen ein - siehe unser obiges Beispiel der Bank. Die Ziele sind nicht durch den Abschluss eines Projektes erreicht, sondern erst, wenn zum Beispiel die prognostizierte Kostenreduktion eintritt.
Deshalb sind sogenannte "Benefit-Trigger" sehr hilfreich. Dabei wird im Business-Plan für ein Projekt genau definiert, wann und in welcher Höhe einzelne Maßnahmen einen ROI bringen sollen und welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen. So können die Verantwortlichen stetig kontrollieren, ob und wie weit die angestrebten Ziele Chancen haben, erreicht zu werden.
Skill Management
Auch das systematische Management von Fertigkeiten kann verhindern, dass ein Unternehmen in einer Krise durch kurzfristige Einsparungen seine langfristige Wettbewerbsfähigkeit beschädigt. Die Personal- und Fachbereichsverantwortlichen sollten notwendige Qualifikationen sowohl für konkrete Projekte als auch für strategisch wichtige Bereiche und entsprechende detaillierte Skill-Profile entwickeln. Hilfreich ist ein standardisiertes Vorgehen auf Basis des SFIA-Modells (Skills Framework fort he Information Age), das ursprünglich in Großbritannien entwickelt wurde, sich aber auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern immer stärker durchsetzt.
Ein solches Skill Management unterstützt sowohl kurzfristige als auch langfristige Ziele. So hat Compass festgestellt, dass eine passgenaue Besetzung der Projektrollen - jeweils richtigen Anteile, Qualifikations- und Verantwortungs-Level von Projektleitern, Senior- und Junior-Entwicklern etc. - fast 20 Prozent der Personalkosten im IT-Bereich einsparen kann (siehe Grafik). Zugleich stellen Unternehmen sicher, dass strategisch wichtige Skills erhalten bleiben.
Rolle des Innovators
Wer sollte nun der Innovator im Unternehmen sein - Geschäftsbereichsverantwortliche oder der CIO? Die einfache Antwort: Das ist eigentlich gleichgültig, denn beide können die Treiberrolle übernehmen. Wichtig ist nur, dass dies klar definiert ist und konsequent gelebt wird. Wer gibt die Ziele und Prioritäten vor? Wer treibt den Prozess von der grundsätzlichen Entscheidung über die Entwicklung von Prototypen bis zur Implementierung?
Nehmen wir das Beispiel eines Unternehmens aus dem Bereich der Personenbeförderung. Es hat das Ziel, einen elektronischen Fahrschein zu entwickeln, der auch auf dem Mobiltelefon abgerufen werden kann. Dabei können unterschiedliche Aspekte im Vordergrund stehen: mehr Prozesseffizienz und damit Kostensenkung oder Kundenwachstum. Treibt die IT-Seite diese Innovation, wird sie die technische Entwicklung analysieren - etwa Innovationen bei der Mobilität, Ablösung zunächst von Papier, dann von fixen Geräten, gewachsene Sicherheitskonzepte etc. - dann die möglichen Optionen entwickeln und zur Entscheidung treiben: neue Angebote an Kunden, deren Aufwand, die dazu notwendigen Veränderungen bei den Geschäftsprozessen etc.
Erschließung neuer Kundengruppen
Ist hingegen die Business-Seite der Innovationstreiber, wird sie zunächst ihre Ziele vorgeben - etwa kürzere Laufzeiten, kostengünstigere Ticket-Erstellung oder auch Erschließung neuer Kundengruppen - und dann entsprechende Prozesse und Technologien einfordern.
Ist nun der CIO der Innovationstreiber, dann muss er im Unternehmen auch eine entscheidende Rolle einnehmen, nicht nur eine dienende. Kundenbefragungen zeigen, dass die Business-Seite von der IT mehr Innovationen (vor allem bei den Prozessen) und eine zügige Umsetzung von Ideen in Lösungen erwartet. Allerdings werden dann der IT die notwendigen Kompetenzen oft nicht eingeräumt. Übernimmt also der CIO die Rolle des Innovators, muss das Business dies akzeptieren, ihn in die Geschäftsprozesse einbeziehen und ihm den notwendigen Durchgriff und entsprechende Ressourcen einräumen. Kurz: Der CIO muss im Unternehmen die Position erhalten, um die Business-Seite zu verändern.
Jörg Hild ist Geschäftsführer der Compass Deutschland GmbH.