Es fing alles ganz normal an. Zentrales Thema auf dem Jahrestreffen des CIO-Circle in Frankfurt war "Innovation". Was sind Innovationen, wo kommen sie her, wie ermittelt man ihren Wert, wie setzt man sie um, und welche Rolle spielt der CIO dabei?
Der erste Tag füllte sich mit Vorträgen, Workshops und Diskussionen rund um diese Fragen. Vom Procedere nichts Neues für die rund 100 anwesenden CIOs, die sich rege an dem Programm beteiligten und es sichtlich genossen, unter sich zu sein.
Richtig spannend wurde es am Ende des Tages. Der in der Agenda etwas trocken angeführte Punkt "IT-Anwenderverband: Stand & Diskussion" kam an die Reihe. Inzwischen waren Thomas Endres und Constantin Kontargyris als Vertreter des CIOcolloquiums beziehungsweise CIOForums eingetroffen. Es galt, Flagge zu zeigen für das, was seit Anfang März die Runde machte.
Rechtzeitig zur CeBIT hatten die drei Organisationen offiziell erklärt, gemeinsam eine bundesweite CIO-Interessenvertretung aufzubauen. Die deutschen IT-Anwender brauchen ein Sprachrohr, hieß es. Eines, das gegenüber der Öffentlichkeit auftreten kann. Vor allem aber eine Stimme, die in Politik und IT-Industrie Gewicht hat.
Das Thema sollte die Agenda des ersten Tages sprengen. Auf der einen Seite stand der Initiativkreis. ("Initiativ", weil die Runde aus Leuten besteht, die Initiative ergreifen und durch ihr Engagement den CIO-Circle letztlich am Leben erhalten). Der Kreis war heuer vertreten durch Henning Stams, Thomas Hemmerling-Böhmer, Martin Urban, Stefanie Kemp, Peter Meyerhans, Karsten Häcker und Helmut Krcmar. Gemeinsam mit Thomas Endres und Constantin Kontargyris verteidigten sie die Idee von der starken Stimme der deutschen IT-Anwender vor dem Plenum.
Die Kuschelecke Verschwindet
Auf der anderen Seite: Eine der wesentlichen Befürchtungen war, dass eine CIO-Interessenvertretung als Lobby gegenüber Politik und Wirtschaft zwangsläufig zu einem aufgeblasenen Apparat wird. Vor allem mit administrativen Aufgaben, sprich der Verwaltung ihrer selbst, beschäftigt. Das, was den Charme des Circles ausgemacht habe, der unkomplizierte persönliche und fachliche Austausch - von den Mitgliedern schmunzelnd als "Kuschelecke" bezeichnet - könne verschwinden.
Ein anderer Punkt zielte auf die inhaltliche Positionierung der Vereinigung. Welche Ansichten und Meinungen sollen denn überhaupt geäußert werden, wie lässt sich gewährleisten, dass eine kleine Gruppe von Repräsentanten auch die breite Meinung ihrer Basis wiedergeben kann? Läuft der Circle nicht Gefahr, mit seiner Masse als bloßes "Wahlvolk" für die zahlenmäßig stark unterlegenen Schwergewichte vom Colloquium, gesehen zu werden?
Aber es ging auch um das Prinzip: Das Ende des Unpolitischen. Bislang war das Netz eine rein persönliche Veranstaltung. Eine Interessenvertretung hingegen ist - man kann es drehen und wenden wie man will - politisch.
Genau das ist es aber, was die Befürworter antreibt. De facto sei der CIO-Circle nämlich schon längst politisch. Spätestens mit der Diskussion um SAP-Wartungskosten ist das Netz ein gesuchter Ansprechpartner, wenn Themen aus Sicht des Anwenders zu bewerten sind. Doch für wen spricht denn ein Vertreter des Circle? Wenn er als CIO seines Unternehmens eine Meinung kundtut, hat er dessen Kommunikationsregeln zu beachten. Tritt er für das Anwendernetz auf, fehlt die entsprechende Legitimation. "Also kann ich gar nichts sagen", hat Stefanie Kemp gelernt.
Die nächste "virtuelle" Runde
Dabei gibt es einiges, was CIOs zu sagen hätten. Bis jetzt werden ihre Felder in der Politik von anderen beackert. Fragen des Datenschutzes beispielsweise - aktuell läuft die Lesung zum Arbeitnehmerdatenschutzgesetz - oder zu den Risiken und Chancen beim Cloud Computing oder zur Machbarkeit von grünen Rechenzentren. Und das sind nur drei von vielen Themen, in denen die Politik nicht zuletzt die direkt betroffenen Experten hören sollte.
Noch sind viele Fragen ungeklärt. Welche Form ist angebracht - wird es einen Verband oder einen Verein geben? Wie hoch soll der Mitgliedsbeitrag sein? Sind die Mitglieder des neuen Konstrukts Personen - so wie jetzt im CIO-Circle - oder Unternehmen - wie bei den meisten Berufsverbänden üblich? Wer vertritt die Basis? Wie wird die Kommunikation, wie die Meinungsbildung funktionieren? Und nicht zuletzt: warum das Ganze überhaupt?
Eine endgültige Entscheidung fiel nicht in Frankfurt. Doch die Diskussion, um die sich der Initiativkreis seit rund zwei Jahren bemüht, ist nun endlich bei allen angekommen. Der Initiativkreis hat von den Anwesenden das Placet erhalten, das Vorhaben weiter voranzutreiben - im Juni wird es dann ein erneutes Treffen mit konkreten Vorschlägen geben. Wenn alles läuft wie erhofft, würde sich Angela Merkel dann auf dem nächsten IT-Gipfel im Dezember mit einer legitimierten CIO-Vertretung auseinandersetzen müssen.
Die Chancen stehen gut, dass es zur Gründung dieses weltweit einzigartigen nationalen CIO-Verbundes kommt. Irgendwie drehte sich in Frankfurt also doch alles um das Thema Innovation. (CW)