CIO Jürgen Burger über die IT-Strategie bei Hellmann Worldwide
13.02.2009 von Riem Sarsam
Jürgen Burger, seit vier Jahren CIO bei dem Logistikunternehmen Hellmann Worldwide ist geläutert. Der ehemalige Accenture Consultant wechselte mit seinem Beraterwissen in das Unternehmen und startete lehrbuchgemäß, eine lange Liste verschiedene Methoden einzuführen. Damit sollte Ordnung in die komplexe Landschaft von Hellmann gebracht werden.
Das Osnabrücker Unternehmen Hellmann wurde 1871 gegründet und ist inzwischen in der vierten Generation eigentümergeführt. Der weltweit tätige Konzern bietet die gesamte Palette an Logistik-Dienstleistungen, fungiert in Teilen aber auch als verlängerte Werkbank für verschiedene Hersteller. Im vergangenen Jahren erzielte das Unternehmen vorläufigen Zahlen zufolge einen Umsatz von rund drei Milliarden Euro, beschäftigt mehr als 8500 Mitarbeiter und hat 210 Niederlassungen in 47 Ländern.
Komplexität ist bei Hellmann gewissermaßen naturgegeben. In den Prozessen ebenso wie in der IT. "Das beginnt schon bei unserer heterogenen Bürolandschaft", sagt Burger. "Wir haben Ein-Mann Büros, aber auch 600-Mann-Niederlassungen.“ Oder im Bereich der Anwendungen: weltweit gibt es beispielsweise bis zu bis zu 40 Applikationen, die Aufträge aufnehmen.
In diesem Umfeld startete der Ex-Berater Burger und führte eine Reihe neuer Methoden ein. In der Hoffnung, die Komplexität zu verringern. Ob IT-Governance-Regeln, die Ende 2007 verabschiedet wurden, ein Demand- und Requirement-Management oder die Beschäftigung mit ITIL-Prozessen. Auch die Bildung eines Teams für Enterprise Architecture, die Einführung eines ERP, sowie die Beschäftigung mit SOA und Projekt-Management findet sich auf seiner Liste.
Nicht, dass CIO Burger dies im Nachhinein verurteilt, aber heute stellt er die wesentliche Frage: Was hat es der Firma gebracht? - "Nichts!", lautet seine Antwort. Zumindest nichts, was eine unmittelbare Verbesserung darstellt. "Von all dem, was wir an Methoden eingeführt haben, haben wir nicht effektiv zum Fortgang der Firma beigetragen." Wesentlich wichtiger waren dagegen die sogenannten Hands-on-Aktivitäten, wie die Einführung der Middleware - die sämtlich nicht mittels Methoden, sondern mittels Engagement des Teams geschafft wurden und, so Burger "ganz konkret an die Probleme heran gingen."
Seine Lehre daraus und sein Rat an die Zuhörer: Mit mehr Einfachheit und mehr Pragmatismus unterstützt die IT das Geschäft besser als durch den Katalog an Methoden und Mess-Systemen. Damit schaffe man in Teilen sogar selber zusätzliche Komplexität.
Methodenzwang abbauen
Ein Schlüssel für eine pragmatische Herangehensweise ist für ihn die Führung der Mitarbeiter. Hier den Methodenzwang abzubauen motiviert ebenso wie gezielt Freiräume in die Organisation einzubauen sowie funktionierende Informationsstrukturen einzusetzen. Know-How kann innerhalb des Unternehmens verteilt werden, ohne großartig Systeme bemühen zu müssen: "Nutzen Sie kleine Gruppen, um Wissen weiter zu geben", rät er. "Und wenn es sitzt, brechen Sie die Gruppen wieder auseinander."
Die besten Statements von den IT-Strategietagen
CIO Michael Kollig von Danone zum Vortrag von Airbus-CIO Guus Dekkers: "Alignment und Business sind absolut essenziell. Das ist eine schöne Bestätigung dessen, was wir bei Danone auch machen. Beeindruckt hat mich die Komplexität, die der Airbus-CIO verwalten und gestalten muss." Michael Kollig zum Vortrag von BMW-CIO Karl-Erich Probst: "Der Vortrag war nah dran an unserer Realität bei Danone: Beide Unternehmen sind ähnlich dezentral aufgestellt. BMW und Danone müssen den Spagat machen zwischen Globalisierung und Effizienz sowie den verschiedenen Anforderungen in den lokalen Märkten."
Thomas Siekmann, CIO RTL Shop zum Vortrag von Airbus-CIO Guus Dekkers: "Ich finde es gut, mit welchem Selbstbewusstsein der Referent davon ausgeht, dass wir als CIOs zum Überwinden der Krise beitragen können. Das ist auch mein Motto: Nicht vom Gejammere anstecken lassen!"
Christoph Heiss, CIO Monier zum Vortrag von Airbus-CIO Guus Dekkers: "Die IT hat das Potenzial, die Unternehmen voranzubringen - und wird in dieser Rolle auch zunehmend vom Business akzeptiert!"
CIO Karsten Vor von Honeywell Life Safety zum Vortrag von Airbus-CIO Guus Dekkers: "Prozessmanagement ist das Kernthema. Das ist nur der Enabler der Prozesse. Das muss man aber auch richtig nach außen kommunizieren und umsetzen."
Erich Ehbauer, CIO Apollo Optik, zum Vortrag von Stefanie Kemp: "Ich habe darüber gestaunt, wie sie mit der Internationalität ihres Unternehmens umgeht. Wenn ich mir das vorstelle, 530.000 freie Mitarbeiter in 60 Ländern - da bin ich doch froh, dass ich alle meine Nutzer kenne …"
Jürgen Thoma, CIO beim Rudolf Haufe Verlag über den Vortrag von Jürgen Häfner, CIO des Landes Rheinland Pfalz: "Als privater Bürger finde ich es beruhigend, wie sich die öffentliche Verwaltung modernisiert. Das schafft Vertrauen. Ich kann auch Häfners Aussage zustimmen, dass die Bundesregierung gut und schnell auf die Krise reagiert."
Karsten Häcker, Euroscript Deutschland, über den Vortrag von Jürgen Häfner, CIO des Landes Rheinland Pfalz: "Das Land Rheinland-Pfalz ist bei der Verwaltungsmodernisierung sicher Vorreiter. So rosig sieht es nicht überall aus. Dennoch: Das Thema IT ist in den Behörden angekommen und wir werden Schritt für Schritt Verbesserungen sehen."
Thomas Schultze, CIO der Navico GmbH, über den Vortrag von Jürgen Häfner, CIO des Landes Rheinland Pfalz: "In einer Behörde zu arbeiten, hat bestimmt seine ganz eigenen Schwierigkeiten. Häfners Vertrauen in die Politik finde ich bewundernswert …. (lacht). Ich bin da eher skeptisch."
Redet Klartext auf den Hamburger IT-Strategietagen, Airbus-CIO Guus Dekkers: "Seien Sie sicher, dass Sie die Prozesse verstanden haben." Sein Rat: Organisieren Sie die IT an den Schlüsselprozessen, versuchen Sie eine klare Abstimmung mit den Fachbereichen und stellen Sie sicher, dass sie hinreichend Prozess-Know-how in der IT haben.
Stefanie Kemp, CIO von Vorwerk und Referentin auf den Hamburger IT-Strategietagen: "Wir sind der Prozess-Verständige, aber nicht der Treiber für Prozesse! Intern in der IT stellen wie uns die Frage: Wann werden wir gebeten, die komplette Geschäfts-Prozessverantwortung zu übernehmen?"
Jürgen Burger, CIO bei Hellmann Worldwide und Referent auf den Hamburger IT-Strategietagen: "Von all dem, was wir an Methoden eingeführt haben, haben wir nicht effektiv zum Fortgang der Firma beigetragen."
Rainer Janßen, CIO der Münchener Rück, fordert, die "eierlegende Wollmilchsau" vom Sockel zu stoßen. Diese könne für keinen CIO ein Vorbild sein. Die Branche soll ihre Minderwertigkeitskomplexe loswerden, so Janßen.
Referent auf den Hamburger IT-Strategietagen 2009, BMW-CIO Karl-Erich Probst. Ingrid Schirmer von der Universität Hamburg sagte zum Vortrag: "Die Frage ist doch: Wie sorgt man dafür, dass die gestaltende Kraft des CIO beim Vorstand ankommt? Brauchen IT-ler für die heutige Art der Zusammenarbeit eine andere Ausbildung?"