Die Evolution macht vor der Rolle des CIO nicht halt: Der operativ ausgerichtete IT-Leiter des vergangenen Jahrzehnts sei nicht der digitale Führer der Zukunft, sagt Omer Grossman, CIO beim Technologiespezialisten CyberArk. "Manche CIOs versuchen einfach nur, die Lichter am Laufen zu halten." Doch für diese grundlegende Aufgabe brauche man keinen CIO - sie könne auch ein IT-Manager erledigen, so Grossman. Um relevant zu bleiben, müsse sich die CIO-Rolle weiterentwickeln.
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Die gute Nachricht ist, dass viele CIOs diese Herausforderung annehmen. Der Foundry-Report "2024 State of the CIO" zeigt, dass 87 Prozent der CIOs heute stärker an der Leitung von Initiativen zur digitalen Transformation beteiligt sind als ihre Kollegen in den Business Units. Zudem sehen 85 Prozent der befragten IT-Führungskräfte die Rolle des CIO als Change Maker, der zunehmend die Führung bei Geschäfts- und Technologie-Initiativen übernimmt.
CIO als Garant des Wandels
Nach Ansicht von Anjali Shaikh, Managing Director und CIO Program Experience Director bei Deloitte Consulting, ist es nicht überraschend, dass CIOs die führende Rolle bei digitalen Initiativen spielen. "CIOs befinden sich in einer einzigartigen Position, in der sie einen umfassenden Überblick über das Unternehmen haben und ihr Wissen nutzen, um den Wandel voranzutreiben", sagt sie. "Die Anpassung an Veränderungen sowie die Bewältigung wachsender Verantwortlichkeiten ist für heutige Tech-Führungskräfte eine Selbstverständlichkeit, und wir beobachten, dass viele von ihnen diese Veränderungen mit Bravour meistern."
Laut Shaikh wissen CIOs schon seit langem, welche Rolle Technologie in ihren Unternehmen spielen sollte. Allerdings habe der Rest der Organisation erst in letzter Zeit diese Erkenntnis gewonnen. Die veränderte Wahrnehmung sei darauf zurückzuführen, dass Technologie inzwischen in allen Geschäftsbereichen gegenwärtig ist. Daher könnten smarte CIOs jetzt die Früchte ernten.
Das nächste Level für CIOs
"Viele CIOs haben über Jahre hinweg Glaubwürdigkeit und Vertrauen aufgebaut, indem sie die traditionellen Aufgaben der Rolle erledigt haben", fügt Shaikh hinzu. "Sie werden inzwischen als Führungskraft in Gespräche einbezogen, um dem Unternehmen zu helfen, über die Prioritäten der Transformation nachzudenken. Schließlich sind sie funktionale Experten wie jede andere Persönlichkeit in der C-Suite."
Auch Bev White, CEO des Personalvermittlers Nash Squared, ist nicht überrascht, dass die CIO-Rolle bedeutender wird. Schließlich verfügten digitale Führungskräfte über Eigenschaften, um eine erfolgreiche digitale Transformation zu leiten: technische Skills, Einfluss in der Vorstandsetage sowie Fähigkeiten im Projektmanagement. "CIOs sind nicht die einzigen Anwärter auf die Führung der digitalen Transformation, aber sie erfüllen mehr Kriterien als die meisten anderen Manager", sagt White. Ein guter CIO sei es gewohnt, Stakeholder zu vernetzen und mit ihnen zusammenzuarbeiten. "Und durch sein technisches Know-how weiß er, welche Daten und Technologien erforderlich sind, um die Transformationsziele des Unternehmens zu erreichen."
Neue Verantwortung übernehmen
Klar ist, dass sich die Rolle des CIO als Reaktion auf die Marktbedingungen und die Anforderungen ausweitet. Für die Anpassung an die Veränderungen sind jedoch einige grundlegende Prinzipien universell.
Attiq Qureshi, CDIO beim Manchester United Football Club, bezeichnet die digitale Transformation als Teil seines Auftrags. Um Erfolge zu erzielen, müsse er viel mit Menschen zusammenarbeiten, die aus verschiedenen Geschäftsfeldern kommen.
Qureshi bezeichnet diese kollaborative digitale Führungsrolle als ein "Verwischen der Grenzen": "Wir haben fantastische Data Scientists im Club", berichtet der CDIO, und ergänzt: "Ich kümmere mich um die zugrundeliegende Datentechnik, und sie machen die cleveren Analysen."
Auch in der Web-App-Entwicklung gäbe es ein starkes digitales Produktteam. "Sie bestimmen, welche Features und Funktionen sie haben wollen, und ich kümmere mich um die Qualität, die Ausführung und die technische Umsetzung dieses Ansatzes," so der Digitalchef.
Vernetzen und zusammenarbeiten
Ambrose Earle weist ebenfalls auf die Bedeutung einer engen Collaboration zwischen den Geschäftsbereichen hin. In seiner Rolle als CIO von Southwest Traders arbeitet er mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im gesamten Unternehmen zusammen, hört sich ihre Herausforderungen an und nutzt sein Fachwissen, um technologische Lösungen für Probleme vorzuschlagen.
"Wir können die beste Technologie kaufen, aber wenn wir sie nicht nutzen, haben wir Geld verschwendet," berichtet Earle. Er messe sich daran, ob die Technologie genutzt wird und ob ein guter Partner ausgewählt wurde, der eine passende Lösung mitbringt und das Unternehmen unterstützt. "Dann hat mein Team seinen Teil dazu beigetragen, die Technologie zu integrieren."
Nach Meinung von Hari Ramamurthy, Technology Fellow bei The Home Depot, verfügen erfolgreiche CIOs über ein tiefes Verständnis der geschäftlichen Probleme: "Wir müssen uns vorstellen können, wie sich Technologie zur Lösung von Kunden- und Geschäftsproblemen einsetzen lässt." Dabei verweist er auf den Aufstieg neuer Technologien wie KI und Machine Learning: "Technologie-Experten müssen mit den Trends Schritt halten und sicherstellen, dass sie die optimalen Tools für eine bestimmte Aufgabe einsetzen, um die besten Ergebnisse zu liefern."
Innovation und Nutzen
Der Digital Leadership Report Pulse von Personaldienstleister Nash Squared unterstreicht ebenfalls die Bedeutung von Innovation, etwa um Abläufe effizienter zu machen. Drei von zehn CIOs geben jedoch auch an, dass es ihre höchste Priorität ist, Einnahmen aus Technologie zu generieren. Kurz gesagt, Innovation muss mit einem geschäftlichen Nutzen einhergehen. "Die Vorstände wollen, dass die Technologie den Umsatz und das Ergebnis verbessert, was eine schwierige Aufgabe sein kann", sagt White von Nash Squared.
Mit Generative AI etwa könnten die Produktivität gesteigert und gleichzeitig die Kosten gesenkt werden. CIO Grossman von CyberArk geht davon aus, dass angesichts dieser neuen Technologien hochrangige CIOs in Zukunft noch wichtiger werden. "Wenn ich fünf bis zehn Jahre in die Zukunft schaue, wird eine reife Organisation diese verschiedenen Fähigkeiten unter einem Dach verwalten - dem Dach des CIO." Die wachsende Verantwortung werde ihn zu einer der wichtigsten Führungskräfte im Unternehmen machen, denn die Technologie revolutioniere die Welt und der CIO spiele dabei eine entscheidende Rolle.
Zusammenarbeit für hervorragende Ergebnisse
Steht der CIO im Zentrum der Entscheidungsprozesse, muss er große Veränderungen in Bezug auf Rollen, Verantwortlichkeiten und Beziehungen bewältigen. Laut Sasha Jory, CIO des Versicherungsunternehmens Hastings Direct, kann man die technologische Transformation nicht leiten, ohne Hand in Hand mit den Fachbereichen zu arbeiten. Diese enge Collaboration bedeutet, dass Digitalisierer ein neues Gefühl der Autorität erleben werden.
Allerdings warnt Jory auch davor, dass CIOs aufgrund ihrer erhöhten Sichtbarkeit in falsche Eitelkeit verfallen: "Ich glaube nicht, dass ein vom Business losgelöster CIO erfolgreich sein kann und das Geschäft dorthin bringen wird, wo es sein muss", sagt sie. "Die Übernahme der Führungsrolle bei der digitalen Transformation sollte keinem CIO zu Kopf steigen, denn die Initiative dient dem Wohl der Kunden, der Ergebnisse und der Geschäftspartner."
Der Weg zur dunklen Seite
Auch CDIO Qureshi von Manchester United geht davon aus, dass CIOs es schwer haben werden, wenn sie die Verantwortung für die digitale Transformation als neues Fürstentum betrachten, das es zu verteidigen gilt. Technologieverantwortliche könnten zu Recht stolz auf ihre wachsende Rolle und Verantwortung, aber sie sollten ihre Zeit lieber damit verbringen, Bindungen aufzubauen, anstatt ihr Territorium zu erweitern.
"Ich arbeite mit einem HR-Team zusammen, das erforschen möchte, wie unsere Kollegen ihre Arbeit mit technischer Unterstützung besser erledigen können", sagt Qureshi. "Bei den sehr anspruchsvollen Anwendungsfällen in den Bereichen Analytics und Data Science geht es nicht um Macht, Einfluss und Mandate, sondern um Orchestrierung und Zusammenarbeit."
Ein Paradigmenwechsel
Während sich die Rolle des CIO verändert hat, hat sich die Art der digitalen Führungskraft noch dramatischer verändert, bilanziert CIO Jory von Hastings Direct. Vorbei seien die Zeiten, in denen ein CIO eine übergreifende Sicht auf die Technologiestrategie hatte und sich auf Heerscharen von Mitarbeitern verließ, um seine Ideen umzusetzen.
Heute müssten CIOs tief in das Geschäft und die Anforderungen ihrer Kunden eingebunden sein. "Man kann es sich nicht mehr leisten, dreijährige Transformationspläne zu schreiben und eine Menge an Governance und Bürokratie zu durchlaufen." Ein Dreijahresplan für die digitale Transformation sei in drei Monaten Makulatur. "Wir müssen agil und reaktionsschnell sein, und das geht nur mit Zusammenarbeit." (ajf/jd)