Es war das äußerste Mittel zu dem man noch greifen konnte, sagte Michael Kranz, CIO der Krones AG, am Rande der Pressekonferenz. Prinzipiell wolle man die Diskussion mit SAP nicht in der Öffentlichkeit führen, doch nachdem der Software-Konzern nicht auf die Bedenken und Fragen seiner Kundschaft reagiert hatte, blieb nur noch der Weg über die Öffentlichkeit.
Walldorfer Preispolitik
Der Schritt zeigt, wie groß der Druck bei den Kunden, wie stark aber auch ihre Entrüstung über das Verhalten des Software-Lieferanten ist. Die Mehrausgaben, die durch die Erhöhung der Wartungsgebühren entstehen, kamen zum falschen Zeitpunkt und wurden über die Köpfe der Kunden hinweg entschieden. Mit Partnerschaft, so die einhellige Meinung unter den IT-Verantwortlichen, habe das nichts mehr zu tun.
Der Stachel sitzt tief. Daran änderte auch die späte Reaktion aus Walldorf nichts. Nichtsdestotrotz begrüßte Kranz ausdrücklich die Entscheidung, die erzwungene Gebührenerhöhung in Deutschland wie Österreich zurückzunehmen und den Kunden die Wahl zwischen Standard- und Enterprise-Support zu lassen. Erledigt habe sich die Diskussion zwischen SAP und seinen Kunden damit aber keineswegs. "Wir betrachten das als einen ersten Schritt zu einem neuen Dialog", erklärte Kranz.
Auf der Konferenz der rund 15 CIOs wurde klar, dass es keineswegs nur die Walldorfer Preispolitik ist, die die Kunden aufgebracht hat. "Das war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte", betont Salim Siddiqi, CIO des Automobilzulieferers Yazaki.
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Voll gelaufen war das Fass bereits in den vergangenen Jahren. Neue Technologien, veränderte Preissysteme, nachlassende Wartungsqualität und ein zunehmend arroganter Ton aus Walldorf machten es den IT-Verantwortlichen nicht leicht, in ihren eigenen Unternehmen für die Strategie aus Walldorf gerade zu stehen. "Es war ja kein Selbstläufer", erklärt Werner Schwarz, CIO von Gerolsteiner. Die IT-Leiter mussten immer wieder für die Software werben und die steigenden Kosten rechtfertigen.
Schwarz blickt auf eine lange Beziehung zu dem Softlieferanten. 1993 entschied sich sein Unternehmen für R/3, seitdem investierte Gerolsteiner gut 100 Mannjahre in den Betrieb und rund zehn Millionen Euro allein in die Beratung. Lange Zeit aus Überzeugung: "Ich habe SAP als ein Unternehmen kennengelernt, mit dem man über Probleme und deren Lösungen sprechen konnte", sagt Schwarz. Heute sei das nicht mehr möglich.
Unzufrieden mit der Support-Qualität von SAP
Schon in den vergangenen Jahren haben viele Kunden begonnen, eigene SAP-Ressourcen aufzubauen, weil sie mit der Support-Qualität von SAP unzufrieden gewesen seien. Die IT von Gerolsteiner beispielsweise habe im vergangenen Jahr über 300 SAP-Probleme intern gelöst, lediglich 22 Fälle habe ihm der SAP-Support abnehmen können. An diesem Verhältnis werde auch der Enterprise Support nichts ändern, glaubt der CIO. "Wir müssten auch in Zukunft immer noch viel selbst machen."
Doch wie gesagt, das alleine war es nicht. Was lange nur hinter vorgehaltener Hand erzählt wurde, kam in Düsseldorf klar zur Sprache: die zunehmende Komplexität der SAP-Landschaften bereiten den CIOs ebenso Magengrimmen wie die nachlassende Qualität der einzelnen SAP-Produkte. Den Preis dafür zahlen die Kunden.
Michael Rödel, Finanzchef und IT-Verantwortlicher beim Pharmahersteller Bionorica berichtet vom Releasewechsel seines CRM. "Das war mit erheblichen Mängeln verbunden", sagt Rödel. Für die dadurch entstandenen Verzögerungen muss er aufkommen: sowohl die Mehrausgaben für den Dienstleister als auch der drohende Zusatzaufwand, wenn das System nicht wie geplant zum nächsten Vertriebstreffen fertig ist. Nicht nur, dass eine neue Versammlung einberaumt werden muss, fürchtet Rödel. "Schlimmer ist ja, dass unsere Mitarbeiter ohne Unterstützung der Lösung nicht verkaufen können."
Als mittelständisches Unternehmen spürt Bionorica aber nicht nur die Arroganz der Walldorfer, auch die eigene Ohnmacht wird deutlich. "In Walldorf interessiert es niemanden, ob ich meine Nur-SAP-Strategie aufgebe", erbost sich Rödel und spricht damit den Anwesenden aus der Seele. Die Abhängigkeit von einem wichtigen Lieferanten ist einer der wunden Punkte in der Beziehung von SAP zu seinen Kunden.
"Diese Abhängigkeit werden wir nie verhindern", erklärt Krones-CIO Michael Kranz. Ein Konzern wie SAP muss jedoch die Sensibilität besitzen, seine Kunden dies nicht spüren zu lassen. Statt dessen streute SAP noch Salz in die Wunde, und schickte den Unternehmen ein zweiseitiges Schreiben, um die bisherigen Wartungsverträge zu kündigen. "Da wurde keiner der vorhandenen Kommunikationskanäle genutzt", moniert Kranz. Keine Information, keine Vorwarnung, keine Anfragen habe es im Vorfeld gegeben.
Dass die Wartungseinnahmen für SAP eine wichtige Einnahmequelle sind, ist kein Geheimnis. Sie fließen regelmäßig, gelten als sicher und die Marge wird auf mehr als 40 Prozent geschätzt. SAP gibt hierzu keinen klaren Zahlen heraus. Aus Sicht des Kapitalmarktes, dem SAP-Chef Léo Apotheker eine Rendite von wenigstens 30 Prozent versprochen hat, kann man es sogar als logischen Schritt bezeichnen, hier noch mehr herauszuholen.
Doch das ist genau das, was Johannes Truttmann, CIO bei Krombacher, dem Konzern vorwirft. "SAP ist von einem Technologie-Führer zu einer EBIT-Company geworden", fasst er die Entwicklung der vergangenen Jahre zusammen. Seit 17 Jahren setzt Truttmann die Software ein, und er findet es keineswegs verwerflich, dass hier auch eine emotionale Komponente mitschwingt. "Wir waren stolz SAP-Technik einzusetzen", erinnert er sich, "SAP, das waren auch wir." Dafür habe man gekämpft, habe Preiserhöhungen und Produktverschlechterungen zähneknirschend mitgetragen. "Das geht nur, wenn man nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit dem Herzen dabei ist", sagt Truttmann.
Man will mit SAP reden
Der Wunsch, "die alte SAP" zurückzubekommen, ist spürbar. Wie realistisch er ist, bleibt offen. Eines wird jedoch klar auf dieser CIO-Premiere: noch sind die Kunden zum Dialog bereit. Sie wollen mit SAP reden und über die Anwendervereinigung DSAG Verbesserungen durchsetzen. Sie sind jedoch nicht gewillt, Konditionen zu akzeptieren, die nicht nachvollziehbar sind, die keinen erkennbaren Mehrwert aber höhere Kosten verursachen.
Wird 2009 alles besser?
2009 wird ein neues Kapitel in der Geschichte SAP und seine Kunden" aufgeschlagen. Ob es mit einem Happy End abschließt, liegt in den Händen der Walldorfer.
Erlaubt der Wartungsvertrag eine Preiserhöhung? |
Beim Datum wird es individuell |
2010 erhöht SAP die Wartungsgebühren für den Standard-Support. In welcher Höhe, weiß momentan niemand. Ein Blick auf den Wartungsvertrag kann sich lohnen, um auf die Verhandlungen mit dem Konzern vorbereitet zu sein. Laut einem uns vorliegenden Vertragsausschnitt kann SAP den Prozentsatz "entsprechend der Änderung des durchschnittlichen Bruttomonatsverdienstes der Angestellten im Handel, Kredit- und Versicherungsgewerbe" ändern. Die Höhe dieser Änderung hängt vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ab. Eine pauschal für sämtliche Kunden geltende Anpassung, ist auf Basis dieser Klausel nicht möglich. "Um den Preis für die Kunden zu erhöhen, muss SAP jedes einzelne Abschlussdatum berücksichtigen", erklärt Joachim Gores, Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei Kümmerlein, Simon & Partner. "Die seitdem verzeichnete Veränderung kann der Konzern dann als maximale Preiserhöhung durchsetzen". Mit anderen Worten: Walldorf muss jeden Vertrag individuell anpassen. Altkunden haben dabei das Nachsehen: Die im übernächsten Jahr zu erwartenden Gebührensteigerung dürften umso höher ausfallen, je länger der Vertragsabschluss zurück liegt. Das alles gilt aber nur, wenn die Erhöhungsklausel überhaupt wirksam ist. Und was das angeht, bestehen erhebliche Zweifel, die in Gesprächen mit SAP durchaus zur Sprache kommen können. |
Kunden oder Kapitalmarkt |
Was Analysten meinen |
SAP habe die Wartungsgebühren nur erhöht, um seine Marge in diesem Bereich weiter zu vergrößern. Doch die Aktion mündete in einem lautstarken Kundenprotest, aus Sicht des Kapitalmarktes wird dies nicht unbedingt als positiv bewertet: Jens Hasselmeier von Independent Research beispielsweise sieht die Kundenbeziehung beschädigt, fraglich sei nun, inwieweit diese Störung nachhaltig sei. Einen Umsatzeinbruch in diesem margenstarken Bereich infolge einer wenig sensitiven Kundenpolitik könne sich der Konzern nicht erlauben, so der Analyst und stufte die Aktie zunächst auf "Reduzieren". Sein Kollege Henning Steinbrink von Salomon Oppenheim hingegen meint, SAP habe sich im Streit um eine Anhebung der Wartungsgebühren auf die Kunden zu bewegt. Die Entscheidung habe zwar negative Auswirkungen auf das Bewertungsmodell. Die Veränderungen seien jedoch nur minimal. Thomas Becker, Analyst von Commerzbank Corporates & Markets, stuft die Aktie von SAP von "add" auf "reduce" zurück. Die Zugeständnisse von SAP hinsichtlich der Wartungsstrategie seien seiner Ansicht nach nur ein Teil der Gründe, warum die Ergebnisse des vierten Quartals hinter den Erwartungen zurückbleiben könnten. |