In den letzten Monaten kam während zahlreicher Diskussionen mit Marktteilnehmern immer wieder die etwas nervöse Frage auf, welche neuen "Mega-Trends" es denn gebe in der Branche. Nicht unverständlich, wenn man bedenkt, dass die IT-Community, insbesondere auch das Outsourcing-Business, seit Jahrzehnten beständig durch immer neue vermeintliche "Hypes" getrieben wurde.
Man denke nur an e-Business, Y2K, BPO, und On-Demand-Lösungen jeglicher Couleur. An den Abgesang auf das Komplett- und die Geburt des Multi-Sourcing. An den kurzen Boom des ASP-Modells und dessen Wiedergeburt als Software-as-a-Service. An Off-, Near-, Best-, und sonstiges -Shoring. Zuletzt standen Virtualisierung, Industrialisierung, und natürlich Service-orientierte Architekturen im Vordergrund. Zunächst, noch recht banal, um die Effizienz und Flexibilität der Delivery zu steigern, später, um das Erdklima durch die bessere Auslastung von Servern zu retten.
Aber sind Hypes wirklich so wichtig? Auch ein Blick in andere Outsourcing-erfahrene Branchen wie die Industrie oder die Kontraktlogistik zeigt: Die Konzentration auf die Kernkompetenzen und die Kostenersparnis bleiben die entscheidenden Faktoren für eine Make-or-Buy-Entscheidung. Dabei ist es nur selbstverständlich, dass der externe Partner in dem jeweiligen Bereich - seiner Kernkompetenz - durch Spezialisierung, stetige Innovation und Prozessoptimierung, durch Skalen- und Synergieeffekte dem Kunden immer etwas voraus ist.
Warum also braucht ausgerechnet die IT-Branche immer neue Hypes? Ist es etwas Schlechtes, wenn die Aufgeregtheit in einem reifer gewordenen Markt zunehmendem Pragmatismus weicht?
Dem Kunden geht es doch schon lange nicht mehr in erster Linie um die Nutzung besonders innovativer Technologien. Er erwartet einen verlässlichen Partner, der ihm flexibel und zu garantierten Konditionen die für sein Kerngeschäft notwendige IT-Infrastruktur bereitstellt. Der sich auf den Kunden einstellt und dessen spezifische Bedarfe kennt. Und der selbstverständlich eben auch führend ist in der intelligenten Nutzung der jeweils neuesten Technologie oder des innovativsten Service-Konzepts.
Nicht umsonst ist der Begriff der "Lösung" zunehmend Bestandteil des Offerings führender IT-Unternehmen. Gleich, ob Produkte in Form von Services angeboten oder Services "produktisiert" werden. Ziel ist es letztlich, dem Kunden eine Funktionalität anzubieten, die kosteneffizient und flexibel dessen Bedarfe anspricht.
Deutscher Outsourcing-Markt in Bewegung
Die zunehmende Reife von Software-as-a-Service, Service-orientierter Architekturen und On-Demand-Services wird die Nutzung von IT-Ressourcen ohne Zweifel grundlegend verändern. Und selbstverständlich wird der vernünftige Umgang mit Energie, ebenso wie mit der Entsorgung des wachsenden IT-Equipments entsprechend dem gesellschaftlichen Umdenken zunehmend eingefordert.
Aber je größer die Reife des Marktes, desto weniger geht es darum, den Kunden von der generellen Vorteilhaftigkeit des Outsourcing zu überzeugen (wobei zweifelsohne in vielen Bereichen noch immer Nachholbedarf besteht). Vielmehr geht es zunehmend darum, dem Kunden die eigene Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb aufzuzeigen. Und dies gilt umso mehr, wenn es sich um die zweite oder dritte Generation eines Outsourcing handelt.
Fakt ist, wir bewegen uns noch immer in einem der dynamischsten Märkte. 2007 konnte der deutsche Outsourcing-Markt um ganze zwölf Prozent zulegen. KarstadtQuelle (heute Arcandor), Allianz, Nokia Siemens Networks, Dresdner Bank und Commerzbank waren mit jeweils dreistelligen Millionenbeträgen unter den größten Deals 2007 in Deutschland.
Maßgeblich trugen zum Wachstum zudem einige Großprojekte aus 2006 bei; allen voran das "Herkules"-Projekt der Bundeswehr und Vodafone sowie zahlreiche Abschlüsse im Bankensektor: HypoVereinsbank, DZ-Bank, Postbank, Deutsche Bank und HSH Nordbank entschieden sich für den Abschluss beziehungsweise Ausbau größerer Outsourcing-Verträge. Und nicht zuletzt machten sich die Übernahmen der GZS durch First Data und der TUI InfoTec durch Sonata bemerkbar, die vormals kaptives Business in den "Markt" spülten. Zu den größten Abschlüssen 2008 zählen bislang ProSiebenSat1 und Shell, sowie erneut Nokia Siemens Networks.
Dienstleister sollten eigenen USP definieren
Nichtsdestotrotz, um eine abnehmende Zahl von Big Deals streitet sich eine zunehmende Anzahl in Frage kommender, weil immer vergleichbarerer Provider. Und gerade die Großen der Branche sind, um signifikantes Wachstum zu erzielen, auf eine gewisse Zahl dieser Großverträge angewiesen; ein sehr dynamischer Mittelstandsmarkt zum Beispiel ist erfreulich, aber eben nicht ausreichend.
Und hier genau entsteht die Verunsicherung. Es ist deutlich leichter, sich dem Kunden gegenüber als Vorreiter eines "Mega-Trends" zu positionieren, als durch weniger spektakuläre Werte zu punkten. Mehr denn je gilt es derzeit für Dienstleister, sich vom Wettbewerb abzugrenzen und den eigenen USP klar zu definieren: Was unterscheidet mich vom Wettbewerb: spezifische Kompetenzen, etwa in Branchen oder bestimmten Prozessen? Besonders günstige Kostenstrukturen? Größe? Internationalität? Innovationskraft? Regionale oder mentale Nähe zu meinem Kunden?
Der viel bemühte Vergleich zum Strommarkt liegt auch hier auf der Hand: der Kunde kann entscheiden zwischen dem preiswertesten Anbieter, dem "grünsten", oder dem lokalen, der das Bisschen mehr an Service verspricht - und wenn es sich für ihn tatsächlich rechnet, sollte er den Strom selbst erzeugen.
Im IT-Outsourcing eine ähnliche Transparenz zu schaffen ist Aufgabe der Anbieter-, aber auch der Analysten- und Berater-Community.
Karsten Leclerque ist Senior Consultant bei PAC (Pierre Audoin Consultants).