Mit mehr als vier Jahrzehnten IT-Erfahrung und mehreren Führungspositionen hat Greg Taffet bereits eine Vielzahl von Berufsbezeichnungen gesehen und innegehabt. Daher war er überrascht, als eine neue Bezeichnung auftauchte, und noch überraschter, als sie zur Beschreibung seiner Arbeit verwendet wurde. Der Titel? "Gig CIO".
Nach seiner ersten erstaunten Reaktion erkannte Taffet, dass der Begriff durchaus Sinn ergab: Gig Economy bezeichnet einen Teil des Arbeitsmarktes, bei dem Menschen zeitlich befristete Aufträge flexibel und kurzfristig annehmen, zumeist als Freelancer oder kurzfristig Beschäftigte. Auch Taffet kennt einige IT-Führungskräfte, die dank verkürzter Arbeitswege und neuer Remote-Arbeitszeiten mehr Zeit zur Verfügung haben und einfach eine zweite Führungsposition übernehmen. "Sie lösen Interims- oder projektbezogene CIO-Aufgaben", sagt der Manager.
Von Gig CIOs zu Interim CIOs
Taffet arbeitet in einer vergleichbaren Funktion, und obwohl er seine Rolle nicht als "Gig CIO" bezeichnet, sagt er, dass der Begriff für Fachleute sinnvoll ist, die zwar den höchsten IT-Posten innehaben, aber nicht fest angestellt sind. Diese IT-Führungskräfte bezeichnen sich in den USA häufiger als "Fractional CIOs", "Contract CIOs", "CIOs for hire" und manchmal auch als "virtuelle CIOs", auch wenn sie gelegentlich vor Ort für ihre Kunden tätig sind. In Deutschland läuft ein ähnliches Geschäft unter der Bezeichnung "Interim-CIO".
IT-Manager auf Abruf
Die CIOs auf Abruf können für mehrere Organisationen gleichzeitig arbeiten und ihre Arbeitszeit je nach Bedarf auf ihre Kunden aufteilen. Manche arbeiten nur für einen Kunden, und zwar so viele Stunden pro Woche, wie es die Aufgabe erfordert. Einige bleiben jahrelang in Teilzeit bei ihren Kunden, bis die Unternehmen so weit gewachsen sind, dass sie einen Vollzeit-IT-Manager benötigen. Andere wiederum werden als Interim-CIOs eingestellt, um die IT-Abteilung zu leiten, bis ein neuer ständiger CIO eingestellt wird.
Es ist schwer zu sagen, wie viele CIOs in solchen Funktionen tätig sind - Zahlen, die das belegen, scheint es nicht zu geben. Aber die Manager sind anscheinend eine etablierte, wachsende Gruppe von IT-Führungskräften, die eine Nische auf dem Arbeitsmarkt besetzen. Die Rolle ist jedoch weder für jedes Unternehmen noch für jeden Einzelnen geeignet, wie erfahrene Contract-CIOs und Führungskräfte bestätigen. Es gibt Herausforderungen und potenzielle Fallstricke sowohl für die Unternehmen, die diese Mitarbeiter einstellen, als auch für diejenigen, die den Job machen. Aber es gibt auch viele Vorteile, die mit dieser Rolle verbunden sind - sowohl für die einstellenden Firmen als auch für die CIOs selbst.
Flexibilität bei der Besetzung wichtiger Positionen
"Es ist eine großartige Möglichkeit, auf Talente zuzugreifen, auf die man vielleicht nicht in Vollzeit zugreifen kann. Sie können jemanden einstellen, der sich hervorragend mit der Umgestaltung der IT auskennt, und dann eine interne Person befördern oder einen externen Mitarbeiter einstellen, um die Arbeit fortzusetzen", berichtet George Westerman, Co-Vorsitzender des CIO Award am MIT Sloan CIO Symposium sowie Senior Lecturer an der MIT Sloan School of Management. "Ein Vertrags-CIO kann eine hervorragende Möglichkeit sein, die Leistung der IT zu verbessern. Auch sind Teilzeit-CIOs oft hervorragende Coaches für interne Mitarbeiter, die noch nicht reif für die Führungsetage sind."
Teil des Führungsteams
Taffet, der mehrere Vollzeit-IT- und CIO-Positionen innehatte, bevor er Vertrags-CIO wurde, hat eine derartige Dienstleistung selbst erbracht. Als geschäftsführender Gesellschafter von Taffet Associates arbeitete er einmal für ein Fertigungsunternehmen, das bereits einen CIO hatte, ihn aber als zweiten CIO speziell für eine Initiative zur Aufrüstung der Kernsysteme engagieren wollte. Diese zweigleisige Vereinbarung ermöglichte es dem bestehenden CIO, sich auf die Umsetzung der Strategie, die Leitung der IT-Abteilung und die Zusammenarbeit mit den Fachbereichen bei ihren Expansionsplänen zu konzentrieren - und das alles in dem Wissen, dass das wichtige Upgrade in den Händen einer erfahrenen Führungskraft lag.
Rang, Autorität und Business-Gespür
Taffet zufolge variierte die Anzahl der Arbeitsstunden pro Woche je nach Phase des Auftrags, der sich insgesamt über drei Jahre erstreckte. Die Rolle mit dem Rang als Führungskraft habe es ihm ermöglicht, seine Arbeit mit der erforderlichen Autorität auszuführen. "Ein Teil meiner Aufgabe bestand darin, zu wissen, welche Entscheidungen ich treffen konnte und welche ich klären musste; andere Positionen wie die eines Projektleiters verfügen meist nicht über die für diese Rolle erforderliche unternehmerische Erfahrung", erklärt er.
Interim-CIOs sind mehr als Berater
Gail Holmberg, Area Managing Partner bei Fortium Partners, einem Anbieter von Leadership-as-a-Service, meint, dass derartige Szenarien verdeutlichen, was Auftrags-CIOs von weniger hochrangigen IT-Funktionen und sogar IT-Beratern unterscheidet. "Fractional CIOs sind Teil des Führungsteams. Sie übernehmen die Verantwortung für die IT, sie geben nicht nur Ratschläge", sagt sie. "Und sie treten als aktive Führungskräfte auf, um die Technologie voranzutreiben."
Die Messlatte für IT höher legen
Unternehmen entscheiden sich aus verschiedenen Gründen für Vertrags-CIOs, wie mehrere IT- und Unternehmensleiter berichten. Einige Unternehmen sind zu klein, um sich einen Vollzeit-CIO leisten (und beschäftigen) zu können, brauchen aber jemanden, der eine Strategie entwickelt und umsetzt, die ihr Wachstum unterstützt. Andere, wie der Hersteller, der Taffet eingestellt hat, haben kurzfristigen Bedarf an zusätzlicher Führungsqualität. Und dann gibt es noch einige, die einen Vertrags-CIO mit Erfahrung in bestimmten Bereichen suchen, beispielsweise in der Leitung der IT-Abteilung bei Fusionen. Dieser kann dann sein Wissen zur Verfügung stellen, wenn das Unternehmen diese Situationen durchläuft.
Fractional und Virtual CIO
Die besonderen Umstände, die einen Vertrags-CIO in ein Unternehmen bringen, diktieren oft auch den Titel, der der Rolle verliehen wird. Ein kleines Unternehmen, das einen CIO auf Teilzeitbasis für einen unbestimmten Zeitraum benötigt, wird sich vermutlich eher für den Titel eines Fractional oder Virtual CIO entscheiden. Unternehmen, die hingegen einen Contract-CIO für einen bestimmten Zeitraum einsetzen, um ein bestimmtes Projekt zu beaufsichtigen oder die Führung als zweiter CIO zu übernehmen, werden eher als Interim-CIOs bezeichnet.
Strategie statt Technologie
Veteranen in diesem Metier berichten, dass einige Unternehmen einen IT-Fachmann auf Führungsebene suchen, der einfach nur die Technik am Laufen hält und die technische Abteilung leitet; aber, so fügen sie hinzu, scheint dies nur einen kleinen Teil der Aufträge zu betreffen. Häufiger soll es vorkommen, dass Unternehmen Vertrags-CIOs einstellen, die eine Strategie entwerfen, diese umsetzen und die Verantwortung dafür übernehmen - zusätzlich zu den Aufgaben, um die IT am Laufen zu halten. "Jedes Mal, wenn ich in dieser Rolle tätig war, befand sich der CEO in einer Situation, in der er das Gefühl hatte, von der IT nicht das zu bekommen, was er von ihr erwartete", erinnert sich Larry Wolff, CEO von Wolff Strategy Partners. Das Unternehmen ist auf Dienstleistungen für die digitale Transformation und Interim-Führungspositionen auf C-Level spezialisiert.
Die IT auf das nächste Level bringen
"Meine Aufgabe als Vertrags-CIO bestand also immer darin, die IT umzukrempeln, sie von einer Kostenstelle zu einem Profitcenter zu machen und einen messbaren Wert zu schaffen." Bei seinen Aufträgen sei es nicht nur darum gegangen, eine Lücke zu füllen. "Ziel war, die Messlatte für die IT höher zu legen und dann den nächsten CIO zu holen, der die Verbesserungen aufrechterhalten kann."
Vor- und Nachteile der Position
Matt Nerney, der in seiner Funktion als Practice Leader of IT Executive Services bei TPP Global Services als Fractional CIO arbeitet, sagt, dass der zunehmende strategische Wert der IT die Nachfrage nach Contract-CIOs antreibt. Unternehmen, die früher mit einer reinen IT-Infrastruktur erfolgreich waren, hätten erkannt, dass sie eine Technologiestrategie brauchen, um zu wachsen und zu gedeihen. Und diese Firmen kämen schon früh in ihrer Entwicklung zu diesem Schluss - wenn sie noch zu klein sind, um einen Vollzeit-IT-Manager zu beschäftigen.
CIO-Erfahrung on Demand
"Vor über zehn Jahren konnten Unternehmen noch stabil wachsen und die IT für eine sehr lange Zeit ignorieren. Sie konnten einen Server im Hintergrund haben, der nur von IT-Mitarbeitern betrieben wurde. Heutzutage funktioniert dieses Szenario nur noch in einem kurzen Zeitfenster", sagt Nerney. Schon kleinere Unternehmen seien gezwungen, ein strategisches IT-Programm zu entwickeln, weil sie sich um die Einhaltung von Bestimmungen für Compliance oder die Regulierung sowie um Sicherheitsbedrohungen sorgen. "Sie brauchen den Einblick, den ein CIO bieten kann, aber sie brauchen ihn nicht ständig. Ein Auftrags-CIO kann eine Roadmap entwickeln und Prioritäten für IT und Sicherheit setzen. Da fängt der Wert an."
CIO - eine unverzichtbare Position
In der Zwischenzeit haben größere Unternehmen, deren CIOs das Unternehmen ohne Nachfolger verlassen haben, erkannt, dass die Position zu wichtig ist, um sie unbesetzt zu lassen. Oder sie kommen, wie Taffets Erfahrung zeigt, zu dem Schluss, dass sie zusätzliche IT-Talente auf Führungsebene benötigen, um ihre derzeitigen CIOs bei der Bewältigung bestimmter Herausforderungen oder Initiativen zu unterstützen - von entgleisten Implementierungen bis hin zu bevorstehenden Börsengängen. Vertrags-CIOs haben meist Erfahrung mit speziellen Aufgaben, und sie bringen genau die Fähigkeiten mit, die sie für die jeweilige Aufgabe benötigen. "Sie befinden sich oft schon im fortgeschrittenen Stadium ihrer Karriere, so dass Firmen umgehend von ihrem Know-how profitieren können", sagt Nerney.
Nachteile im Umgang mit Contract-CIOs
Lina Shurslep, die mit ihrer Firma MaxIT Solutions Teilzeit-Management-Services anbietet, ist grundsätzlich der Meinung, dass Contract-CIOs als Berater für andere Führungskräfte in Unternehmen einen erheblichen Wert darstellen. "Ein potenzieller Nachteil ist jedoch, dass der Vertrags-CIO das Unternehmen nicht so gut kennt und möglicherweise auch nicht mit der Branche vertraut ist", sagt sie.
Kein offenes Ohr für Ratschläge
Chuck Lear, der über die Firmen Lear 360 und Consultants Collective Teilzeit-CIOs sowie Consulting-Services anbietet, ergänzt, dass einige Unternehmen und ihre Führungskräfte nicht immer offen dafür sind, auf die Ratschläge eines neuen Kollegen zu hören, der auf Vertragsbasis kommt und dann nach seinen eigenen Erkenntnissen handelt. Gelegentlich würden einige Unternehmen unangemessene - sogar unerfüllbare - Anforderungen an Vertrags-CIOs stellen. Wieder andere Firmen wüssten vielleicht nicht einmal, was sie von einer CIO-Position erwarten können oder benötigen.
Er habe einige dieser Szenarien durchlaufen und festgestellt, so Lear, dass Vertrags-CIOs oft mit Kundenunternehmen zusammenarbeiten und deren Erwartungen sowie Bedingungen erfüllen können, die den Erfolg für beiden Seiten sicherstellen. Er räumt aber ein, dass er schon Angebote abgelehnt hat, wenn sie nicht zu passen schienen. "Es gibt auch Aufgaben, die nicht übernommen werden", fügt er hinzu.
Die Perspektive des Vertrags-CIOs
Nicht nur die auftraggebenden Unternehmen sehen in derartigen Gig-Arrangements Licht und Schatten, auch die Vertrags-CIOs berichten von potenziellen Vor- und Nachteilen dieser Tätigkeit. Nerney zum Beispiel gibt an, dass er die Arbeit aufregend findet, da die Contract-CIO-Positionen, die er annimmt, in der Regel mit Veränderungen verbunden sind. Shurslep hingegen bevorzugt die Vertragsarbeit, weil sie dadurch mehr Flexibilität bei der Zeiteinteilung und Kontrolle über die Anzahl der Arbeitsstunden habe, was es ihr ermögliche, anderen Aktivitäten wie dem Mentoring nachzugehen.
Weiße Weste ohne politische Agenda
In diesem Zusammenhang berichtet Taffet, dass seine Tätigkeit als Vertrags-CIO und die sich daraus ergebenden neuen Möglichkeiten ihn ständig weiterbilden und herausfordern. Andere wiederum sprechen von der Möglichkeit, schnell etwas zu bewirken. "Man hat diese neu entdeckte Macht, auch weil man eingestellt wird, ohne eine politische Agenda zu verfolgen. Durch die weiße Weste kann man die Dinge benennen, wie sie sind. Das gibt Ihnen ein gewisses Maß an Freiheit. Sie sind der leitende Berater in der Vorstandsetage, man stellt Sie ein und bezahlt Sie für Ihre Empfehlungen", sagt Hervé de La Sayette, der zwei Jahre lang als Teilzeit-CIO tätig war, bevor er im Juli 2021 in eine fest angestellte IT-Funktion zurückkehrte.
Schattenseite: wenig Planungssicherheit
Trotz dieser positiven Aspekte gibt es auch einige Herausforderungen und Nachteile zu beachten. Vertrags-CIOs geben zu Protokoll, dass von ihnen mehr Multitasking und das Jonglieren mit Kapazitäten bei mehreren Kunden verlangt wird als von angestellten CIOs. Selbst diejenigen, die für Unternehmen und Agenturen arbeiten, geben an, dass sie sich Zeit nehmen müssen, um Netzwerke zu knüpfen und für ihre Dienste zu werben, damit sie langfristig beschäftigt bleiben. Außerdem müssen sie mit Schwankungen in der Nachfrage und Arbeitsbelastung umgehen. Wie Nerney bemerkt: "Ich kann nicht immer kontrollieren, wann ich von einem Kunden zu einem anderen wechsle."
Viele Kunden, viel Abstimmungsaufwand
Vertrags-CIOs sollten zudem daran arbeiten, bestimmte Fähigkeiten stärker auszubauen als ihre fest angestellten Kollegen. So stellt Nerney fest, dass Contract-CIOs in der Lage sein müssen, schnell Vertrauen und Beziehungen aufzubauen, um effektiv arbeiten zu können, da sie nicht den längeren Onboarding-Prozess haben, den herkömmliche Führungskräfte genießen. Darüber hinaus müssen insbesondere die von Taffet erwähnten aufstrebenden Gig-CIOs darauf achten, Interessenkonflikte zu vermeiden, die bei der Arbeit für mehr als ein Unternehmen entstehen könnten. Daher geben viele der Befragten an, dass diese Art von Arbeit nicht für jeden geeignet ist. CIOs, die innerhalb eines Unternehmens zum COO oder CEO aufsteigen wollen, die Stabilität bevorzugen und die sich mehr Zeit für den Aufbau von Beziehungen nehmen wollen, sind möglicherweise keine idealen Kandidaten.
Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag unserer US-Schwesterpublikation cio.com