Anwenderfirmen sollten IT-Anbieter gemeinsam für die Entwicklung von Open-Source-Platformen bezahlen. Diesen Appell richtet Informatikprofessor Dirk Riehle an CIOs. "In Bereichen, die nicht kompetitiv sind, sollten Firmen sich zusammenraufen und gemeinsam auftreten", sagt der Open-Source-Experte.
Der 40-Jährige hält seit September 2009 die neu geschaffene Open-Source-Professur an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, nach Angaben der Hochschule die erste ihrer Art in Deutschland. Seinen Vorschlag umzusetzen, sei für IT-Chefs "weniger schwierig, als es zunächst klingt", meint Riehle. Vor allem Großkunden aus der freien Wirtschaft oder dem öffentlichen Bereich könnten dies bei Software-Herstellern verlangen, ist er überzeugt.
Dass es funktionieren kann, zeigt ihm seine Erfahrung aus den USA. Dort sei es dem Bundesstaat Utah gelungen, Software-Anbieter zur Entwicklung von Open-Source-Lösungen fürs Gesundheitswesen zu bringen. In Bereichen, in denen keine Konkurrenz zu anderen Bundesstaaten wie etwa Virginia bestehe, könnten die Staaten gegenüber Herstellern gemeinschaftlich auftreten. "Das, wofür beide zahlen, sollte danach als Gemeinschaftsgut billiger für künftige Kunden bereitstehen", erläutert Riehle das Konzept.
Was ein Anbieter in gleicher Form bei mehreren Kunden installiert, sollte Riehle zufolge immer Open Source sein. Firmen könnten dadurch viel Geld sparen. Zunächst müsse natürlich geklärt sein, welchen Teil seiner IT-Landschaft ein Unternehmen als "nicht kompetitiv" betrachtet, wo ein CIO also bereit sei, auch mit einem Wettbewerber gemeinsam eine Lösung beim Anbieter anzufordern. Riehle sieht dafür viele Ansatzpunkte. "Es ist für mich zum Beispiel nicht verständlich, dass es im Bankensektor so viele unterschiedliche Trading-Plattformen gibt", sagt er.
Im Weg stehen könnten einer weiteren Verbreitung von Open Source Dirk Riehle zufolge vor allem die Software-Anbieter. "Open Source ist eine disruptive Innovation und stellt eine Gefahr für viele konventionelle Anbieter dar", sagt er. Manches Software-Haus sei deshalb daran interessiert, seinen Kunden grundsätzlich davon abzuraten.
Wissensstand von CIOs zu Open Source sehr unterschiedlich
Bei den CIOs stellt er hingegen tendenziell Offenheit fest. "Die Frage ist nicht, ist eine Lösung Open Source oder nicht, sondern erfüllt sie die konkreten Anforderungen", sagt der Informatiker. Allerdings seien die Wissensstände von IT-Chefs über Open Source sehr unterschiedlich.
Riehle will in Zusammenarbeit mit der Industrie unter anderem ökonomische Modelle entwickeln, die die Entscheidungsfindung zu Investitionen in Open Source erleichtern. In diese Vorhaben will er auch Wirtschaftswissenschaftler einbinden.
Wikipedia-Technologie verbessern
Derzeit arbeitet er gemeinsam mit Doktoranden an einer neuen Werkzeug-Plattform für die Open-Source-Entwicklung. "Sie soll die technische Grundlage sein, auf die später Prozesse für gemeinsame Entwicklungsprojekte geprägt werden können", sagt er. In einem weiteren Projekt arbeiten die Wissenschaftler um Riehle daran, die Wikipedia-Technologie zu verbessern.
Bevor Dirk Riehle an die Universität Erlangen-Nürnberg kam, arbeitete er 13 Jahre in der Industrie. Zuletzt leitete er im Silicon Valley die Open-Source-Forschung bei SAP. Seine Professur ist mit drei Mitarbeiterstellen ausgestattet. Novell/Suse und Red Hat fungieren als Sponsoren. Riehle will weitere Drittmittel einwerben.