Fast alle Anbieter reden von Cloud-Computing. IBM ist mit Blue-Cloud dabei, Microsoft spricht von "Live Mesh". Ob VMware, Google, Yahoo, Salesforce.com, Amazon, HP, Sun oder T-Systems - alle haben das Thema Cloud-Computing entdeckt. Die Marktanalysten von Gartner und Forrester tragen ebenso zur Diskussion bei wie die Auguren der IT-Szene. Für den amerikanischen Professor und Buchautor Nicholas Carr, der schon vor Jahren das Ende des Corporate-Computing vorhersagte, bedeutet Cloud-Computing - in letzter Konsequenz - das Ende der Rechenzentren in Anwenderunternehmen.
Eine einheitliche oder auch nur halbwegs exakte Definition sind jedoch alle schuldig geblieben. Handelt es sich nur um ein anderes Word für Grid-Computing? Ist es SaaS mit verteilten CPU-Ressourcen? Spielen der Thin-Client und Office-Software aus dem Netz eine Rolle, oder ist es die überall erreichbare Rechen- und Speicherkapazität aus dem Netz? Und überhaupt: Ist es ein Infrastruktur-Software- oder Service-Thema?
Alles richtig - es kommt nur darauf an, wen man fragt. Einigkeit scheint lediglich darüber zu herrschen, dass Cloud-Computing in irgendeiner Weise mit verteilten Infrastrukturen zu tun hat. Ob die Computing-Wolke globale Ausmaße haben muss oder auch innerhalb eines Unternehmens realisierbar ist, ob die Unabhängigkeit von Betriebssystemen und Applikationen eine Cloud-Umgebung ausmacht oder welche Grid-Computing- und Virtualisierungstechnologien als Basis dienen, ist weitgehend ungeklärt.
Wolke 1: Die weltumspannende Wolke
Die weltumspannende Wolke ist aus Sicht des privaten Internet-Nutzers längst eine Selbstverständlichkeit - auch wenn er sich keine Gedanken darum macht. Ihm ist es weitgehend egal, in welchem Teil der Welt der Server steht, der seine GMX- oder Google-Mail verarbeitet, wo seine Fotos gespeichert sind oder der Youtube-Clip, den er gerade abspielt. Dass es dafür einer hochskalierbaren und -performanten, weltweit verteilten Infrastruktur bedarf, interessiert ihn nur insofern, als er lange Antwortzeiten lästig findet.
Cloud-Computing wird deshalb oft in einem Atemzug mit den Unternehmen Google oder Amazon genannt. Ihnen ist gemein, dass ihre Geschäftsmodelle hochskalierbarer und weltweit verfügbarer Ressourcen bedürfen. Sie stehen beispielhaft für die "weltweite Wolke". Wohl mit Blick auf dieses Modell sprechen die Marktforscher von Gartner etwa von "skalierbaren IT-Services, die über das Internet für eine potenziell große Zahl externer Kunden bereitgestellt werden."
Wolke 2: Software-as-a-Service
Beispielhaft für SaaS aus der Wolke steht Salesforce.com. Schon vor Jahren hat der Anbieter mit Customer-Relationship-Management (CRM)-Anwendungen über das Netz Pionierarbeit für On-Demand-Angebote geleistet. Nach der Definition des Analystenhauses Forrester, die Cloud-Computing als einen "Pool aus abstrahierter, virtualisierter und hochskalierbarer IT-Infrastruktur, die in beliebiger Größenordnung bezogen und nach Verbrauch abgerechnet wird" bezeichnet, macht SaaS allenfalls einen Teil von Cloud-Computing aus. Denn bei SaaS steht das Verteilen von Anwendungen über das Internet in Vordergrund, nicht aber das Bereitstellen von Infrastruktur.
Wolke 3: Platform-as-a-Service
Bei Amazon wird der Schritt in diese Richtung deutlich: Der Internet-Händler macht heute einen Teil seines Umsatzes nicht mehr mit dem Verkauf von Waren, sondern mit IT-Services. Amazon-Kunden können sowohl die Handelsplattform als auch reine Rechenkapazität oder Speicherplatz mieten - nach Bedarf und mit nutzungsabhängiger Bezahlung. Und mit "Force.com" bietet Salesforce.com in jüngster Zeit Kunden und Entwicklern eine Infrastruktur, auf der sie eigene Software-Dienste entwickeln und später auf der On-Demand-Plattform anbieten könnten. Damit bietet Salesforce den Nutzern eine komplette Softwarepalette zur Nutzung über das Web an.
Ressourcen on Demand sind aber nicht gänzlich neu: Schon seit einiger Zeit bieten IT-Dienstleister etwa Storage on Demand mit nutzungsabhängigen Abrechnungsmodellen an. Allerdings oft in lokalen Umgebungen - aufgrund gesetzlicher Regelungen zum Datenschutz. Nur spricht in diesem Zusammenhang niemand von Cloud-Computing, obwohl teilweise die gleichen Technologien zum Einsatz kommen.
Wolke 4: Grid-Computing
Grid-Computing ist ein Konzept, mit dem verteilte Ressourcen an Rechenleistung und Speicherkapazitäten nach Bedarf dynamisch verschiedenen Anwendungen zugeteilt werden können. Über eine Middleware kann damit die Rechenleistung von vielen Computern innerhalb eines Rechenzentrums oder über das Internet zusammengeschaltet werden. Es gilt auf der Infrastrukturseite als eine Kerntechnologie des Cloud-Computings. Allerdings setzen die Anbieter meist auf proprietäre, zum Teil selbst entwickelte Verfahren.
Wolke 5: Virtualisierung
Virtualisierung gilt als weitere Kerntechnologie für Cloud-Computing. Virtualisierung bezeichnet Software-und Hardware-Techniken, die eine Abstraktionsschicht zwischen Applikationen und physischen Ressourcen implementieren. Damit lassen sich Hardware-Ressourcen so aufteilen, dass sie jederzeit dynamisch Anwendungen zugeteilt und wieder freigegeben werden können. Fast alle Cloud-Provider abstrahieren die Hardware mit einem Verfahren zur Server-Virtualisierung. In den meisten Fällen setzen sie den quelloffenen Xen-Hypervisor ein.
Vor dem Hintergrund der fünf oben genannten Ideen entstehen Allianzen, die die Kompetenz von Internet-Giganten wie Google oder Yahoo mit der Expertise von IT-Dienstleistern wie IBM oder HP kombinieren und früher undenkbar erschienen. So kooperieren Google und IBM mit sechs amerikanischen Universitäten, um das Cloud-Computing voranzutreiben. Die Universitäten können auf anfänglich 400, später dann 4000 auf mehrere Standorte verteilte Computer zugreifen. Mit dabei: die University of Washington in Seattle, wo einige der Cloud-Computing-Programmiertechniken entwickelt wurden, sowie das namhafte Massachusetts Institute of Technology (MIT), die Carnegie Mellon University und die Stanford University.
Auf der anderen Seite bauen HP, Intel und Yahoo eine weltweite Testumgebung für das Cloud-Computing auf. Partner der Initiative sind das Steinbuch Centre for Computing (SCC) des Karlsruher Instituts für Technologie, die Infocomm Development Authority in Singapur (IDA) sowie die Universität von Illinois. Sechs Rechenzentren weltweit, eines davon beim SCC in Karlsruhe, stellen eine Infrastruktur mit jeweils 1000 bis 4000 Prozessorkernen für das Cloud-Computing bereit. Ziel der Initiative: die Erforschung von Software, Hardware und des Managements von Rechenzentren in Cloud-Computing-Umgebungen sowie die Entwicklung von Standards, Services und Anwendungen für Cloud-Computing.
Marcel Kunze, Abteilungsleiter Integration und Virtualisierung, ist beim SCC verantwortlich für das Cloud-Computing-Projekt. "Natürlich ist Cloud-Computing ein Buzzword", sagt er. Forschungen in diesem Bereich seien deshalb umso wichtiger: "Cloud-Computing ist ein Schritt in Richtung Industrialisierung von IT-Services; es hat das Potenzial, mit granularen Services on-demand quasi zu einem Aldi im IT-Service-Markt zu werden.“ Er bringt es auf die simple Formel: virtualisierte Maschinen + SOA = Cloud Computing.
Wolke 6: Virtualisierung + SOA
Das klingt einfach, aber bis dahin ist es noch ein weiter Weg: "Alle Cloud-Computing-Modelle sind bisher proprietär", sagt Kunze. Jeder Anbieter benutze eine eigene Middleware mit eigenen Schnittstellen. Das gelte sowohl für kommerzielle Anbieter wie Amazon als auch für die wissenschaftliche Gemeinde. Hier sieht er eine Hauptaufgabe seiner Cloud-Computing-Initiative: "Es geht vor allen Dingen darum, Standards für Anwendungsschnittstellen und die Interoperabilität von verteilten Rechenzentren zu entwickeln." Eine standardisierte Wolke kann von reiner Rechenleistung und Speicherkapazität bis zu SaaS und PaaS reichen. "Wenn es einheitliche Schnittstellen gibt, wären auch Börsen denkbar, an denen Computing-Ressourcen gehandelt werden", sagt SCC-Abteilungsleiter Kunze.
So weit ist es noch nicht: "Cloud-Computing steckt noch in den Kinderschuhen, hat aber das Potenzial, die Enterprise-IT vollkommen umzuwälzen", sagt James Staten von Forrester Research, Verfasser der Studie "Is Cloud Computing Ready For The Enterprise?". Schon heute seien die Services der wenigen Cloud-Anbieter - an der Spitze Amazon, Salesforce oder Akamai - für Start-ups eine ernst zu nehmende Alternative zum Aufbau eigener RZ-Infrastrukturen. Anwenderunternehmen rät er, die Entwicklung unbedingt im Auge zu behalten.