Umsätze steigen moderat

CRM in der Schleife

07.12.2007 von Bernd Seidel
Keine Explosion, aber solide: So lässt sich das Wachstum im CRM-Markt auf den Punkt bringen. Insbesondere Marketing-Lösungen und analytisches CRM sind angesichts hoher Kundenansprüche gefragt. Neben den Software-Riesen machen auch die Branchenspezialisten gute Geschäfte.
Rüdiger Spies, Analyst und Independent VP Enterprise Application, IDC: "Von den Marketing-Abteilungen wird immer mehr Kreativität verlangt. Denn es gibt nicht mehr den einen Kunden und die eine Kundenansprache."

"Das Software-Segment ist ähnlich wie der ERP-Markt sehr reif", fasst Christian Glas, Analyst bei Pierre Audoin Consultants, die Situation zusammen. Um durchschnittlich rund acht Prozent pro Jahr, so die Prognosen von PAC, steigen die Umsätze in diesem Jahr. Und: Dieser Wert entspricht der Wachstumskurve für die nächsten drei Jahre. Überproportional steige die Nachfrage bei mittelständischen Unternehmen, während sich große Firmen bereits in den vergangenen Jahren mit CRM-Lösungen eingedeckt hätten. Doch selbst hier seien Zuwächse im mittleren einstelligen Bereich zu erwarten. Keine schlechten Aussichten für Anbieter und Dienstleister.

Nachgerechnet haben auch die Marktforscher der Experton Group. Basierend auf ihren Untersuchungsergebnissen aus der aktuellen Studie "Customer Relationsship Management 2007 - Schlüsselthemen und Trends in Deutschland" erreicht der CRM-Markt heuer ein Volumen von 1,68 Milliarden Euro. Der überwiegende Teil der Ausgaben, rund 974 Millionen Euro, entfällt dabei auf Dienstleistungen wie Beratung, Implementierung und Wartung. "Bis Ende 2010 liegt der CRM-Markt bei insgesamt etwa 2,16 Milliarden Euro", gibt Matthias Zacher, Senior Advisor ICT-Service bei der Experton Group AG, zu Protokoll. Insbesondere Telekommunikationsanbieter, Banken, Versicherungensowie der Handel gäben derzeit Impulse für CRM-Projekte. "Diese Branchen sind enorm wettbewerbsintensiv und bieten darüber hinaus oft sehr ähnliche Produkte an, mit denen eine Abgrenzung zu den Wettbewerbern nur schwer möglich ist. Eine Verbesserung der Serviceprozesse hat daher höchste Priorität", erklärt Zacher.

Weitere Gründe für die Nachfrage liefern die Experton-Analysten gleich mit: "CRM ist heute mehr und mehr Mainstream und entwickelt sich zum sogenannten Customer Life-Cycle Management (CLCM)", so Zacher. Bei CLCM gehe es um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen (intern) realisierten Gewinnen und (extern) geliefertem Mehrwert. Für eine CRM-Strategie seien daher nicht nur unternehmensinterne finanzielle Kennzahlen wichtig. Weitere Faktoren wie eine verbesserte Kundenerfahrung (Customer Experience) oder hohe Kundenzufriedenheit müssten in die Bewertung von CRM-Maßnahmen mit einfließen.

Eine Kundendatenbank hat jeder

CRM: Anteile am deutschen Markt.

Um nun das Expertonsche CLCM umzusetzen, reichen CRM-Basics nicht aus: "Eine Kundendatenbank hat heute jeder", sagt Analyst Glas. "Jetzt kommt es darauf an, diese Informationen sinnvoll auszuwerten und in die gesamten Unternehmensprozesse den Kreislauf von Analyse und operativem CRM zu verweben." Dazu griffen die Anwenderunternehmen ins volle Portfolio der Kunden-Management-Möglichkeiten: Multi-Channel-Management, Verbesserung von Cross- and Upselling, die Analyse von Kundenabwanderungen (Churn-Management), Service-Management, Internet-basierte Response-Verfahren, Echtzeit- und mobiles CRM sind aktuell angesagte Aktionsfelder. Auch eine entsprechende Kundensegmentierung sei ein Erfolgskriterium auf dem Weg zu mehr Kundenorientierung. Experton-Mann Zacher dazu: "Das Gießkannenprinzip, bei dem der Service großzügig über alle Kunden gleichmäßig verteilt wird, ist out." Keiner könne es sich leisten, unrentable Kunden zu verwöhnen.

"Interessant ist vor allem, das Potenzial eines Kunden zu erkennen und auszuschöpfen - also der Blick nach vorn", wie Rüdiger Spies, Analyst und Independent Vice President Enterprise Applications bei IDC Central Europe GmbH, weiß. Diese Planung in die Zukunft führe zu besonders großer Nachfrage bei Marketing-Lösungen. Die Wachstumsrate für Software und Service liege in diesem Bereich bei fast zehn Prozent, während der Markt für die Unternehmensbereiche Service und Vertrieb zwischen sechs und sieben Prozent anstieg.

"Von den Marketing-Abteilungen wird immer mehr Kreativität verlangt. Denn es gibt nicht mehr den einen Kunden und die eine Kundenansprache", so Spies weiter. Das Verhalten der Konsumenten habe sich innerhalb der vergangenen fünf Jahre deutlich geändert - Internet, E-Business und Web 2.0 seien hierfür der Auslöser. Der Kunde ist aufgeklärter und eher bereit zu wechseln. Der Durchschnittskonsument verschwindet langsam, aber sicher.

Christian Glas, Analyst bei Pierre Audoin Consultants (PAC): "Analytisches und operatives CRM wachsen zusammen. Unternehmen setzten BI-Lösungen weniger im Kundenkontakt, sondern mehr im Backoffice ein."

Folglich verändert sich die Prozesskette im CRM, sie wird länger: Der Hersteller von Waren bedient beispielsweise nicht mehr nur den Handel, sondern berücksichtigt auch in viel stärkerem Maße die Gewohnheiten von Endverbrauchern - auf der einen Seite, um das Konsumverhalten zu analysieren und die Handelspartner sinnvoll unterstützen zu können, auf der anderen Seite, um die Interaktion mit dem Kunden stärker zu suchen und diese massiv zu fördern.

So bunt und facettenreich das Aufgabenspektrum im Kunden-Management ist, so vielfältig ist der hiesige Markt für CRM-Software. Rund 120 Anbieter zählt der Branchenexperte Wolfgang Schwetz in seinem jährlich erscheinenden Marktspiegel. An dem großen Angebot hat auch die Konsolidierung, die im vergangenen Jahr vergleichsweise gebremst verlief, wenig geändert. Unangefochtener Marktführer nach Umsatz ist laut Angaben von PAC die SAP AG mit ihren CRM-Lösungen. Auf Rang zwei, jedoch mit deutlichem Abstand, folgt SAS Institute. Das mag auf den ersten Blick verwundern, ist SAS doch eher als Anbieter von Business-Intelligence-(BI-)Lösungen bekannt. "Analytisches und operatives CRM sind in den vergangenen Jahren immer stärker zusammengewachsen", lautet die Erklärung von Analyst Glas dazu. Die Lösungen der BI-Spezialisten kämen dabei weniger im direkten Kundenkontakt zum Einsatz, sondern agierten vielmehr im Backoffice etwa bei der Gestaltung von Kampagnen oder bei Kundenwertanalysen.

SaaS: Das hält die CIOs von Miet-Software ab.

Auf den dritten Platz des hiesigen CRM-Rankings katapultierte sich Oracle nach der Übernahme von Siebel. Die Karlsruher Software-Schmiede CAS AG, ein reinrassiger CRM-Anbieter, belegt nach den Schwergewichten den vierten Platz. Und mit Cognos liegt auf Platz fünf wieder ein Hersteller von BI-Lösungen. Cognos positioniert sich verstärkt im Bereich Vertriebsprozess-Management, bei High-End-Analysen sowie in der strategischen Planung, und ergänzt somit die operativen CRM-Anwendungen.

Spezialisten bedrängen Marktführer

Das Ranking zeige, dass die Nachfrage nach CRM nicht nur durch die Großen der Branche abgedeckt wird. Sie versprechen mit ihren Suiten zwar eine umfassenden Funktionspalette und wie im Fall von SAP und Oracle auch die Integration in ERP-Funktionen. "Die Standalone-Anbieter bedrängen die Marktführer jedoch immer noch ganz erheblich", wie IDC-Mann Spies erklärt. Obwohl SAP und Siebel seit Jahren vertikale CRM-Funktionen in ihre Lösungen einbauen, hätten Anbieter wie Update, Dendrite oder die CAS GmbH aus Kaiserslautern bei vielen Ausschreibungen die Nase vorn, da sie out-of-the-box ein umfangreiches branchenspezifisches Angebot zur Verfügung stellten.

CRM-Markt: Solides Wachstum in Aussicht.

Und weitere Konkurrenz für SAP und Oracle hat sich längst in Position gebracht: So wildert Microsoft mit seinen CRM-Produkten mittlerweile im Revier der Platzhirsche und hat Projekte mit einigen tausend Usern gewonnen. Herausragend sei bei der Lösung vor allem die enge Integration in die Office-Familie, insbesondere in die Kalenderfunktionen von Outlook, wie die Analysten festhalten. Im Auge behalten sollten SAP & Co. auch Salesforce.com, einen Anbieter von CRM auf Mietbasis - neudeutsch Software as a Service (SaaS) genannt. Obwohl der große Durchbruch von SaaS hierzulande noch auf sich warten lässt, liegt der Anbieter laut Gartner nach Marktanteilen auf Platz sieben. SAP offeriert seit diesem Jahr ebenfalls ein SaaS-Angebot und wird mit dem neuen Produkt "Business by Design" eine reine On-Demand-Lösung auf den Markt bringen. Nach den jüngsten Ankündigungen einer offenen Entwicklungsplattform ist allerdings davon auszugehen, dass Salesforce.com auch in andere Softwarebereiche vordringt und hier SAP angreifen wird.

IDC beziffert den Anteil des in Deutschland mit Mietprodukten erzielten Gesamtumsatzes im CRM-Markt auf rund fünf Prozent. Dabei wird es aber nicht bleiben: In den nächsten Jahren soll den Analysten zufolge der Mietanteil in diesem Segment auf bis zu 30 Prozent anwachsen. "Während in den USA CRM-Funktionen zur Miete gefragt sind, bevorzugen deutsche Unternehmen immer noch den Software-Kauf", so Analyst Glas. Grund für die Zurückhaltung sei die Angst, die Kundendaten einem Fremden zu überlassen oder Daten zu verlieren. Noch wenige vertikale Branchenfunktionen seien eine weitere Hürde. Zudem erscheine den Verantwortlichen eine Mietlösung auf den ersten Blick nicht günstiger. "Das Management vergleicht lediglich die Kosten eines Implementierungsprojekts mit den Mietraten eines SaaS-Angebots." Die künftigen Betriebskosten im Hause eingesetzter Software würden schlicht vergessen. Dennoch glaubt Glas an den Erfolg. SaaS sei ein Motor für den CRM-Markt - wenn auch nicht so kräftig, wie es die Anbieter gerne sehen würden.