Ein paar Klischees vorneweg: Deutsche haben einen Hang zum Konservativen und Bedächtigen - und deshalb wandern sie gerne auf vertrauten Pfaden. Franzosen wiederum mögen es, wenn es so kommunikativ zugeht wie im Café. Brasilianer lassen es gerne locker angehen, sogar im Büro. Und Chinesen sind ja so etwas von diszipliniert, gerade im Büro.
53 Prozent arbeiten im traditionellen Büro
Stereotype sind das, gewiss, mit denen man vorsichtig umgehen sollte. Und selbst wenn man ihnen Gültigkeit zuspricht, sollte man tunlichst daran denken, dass sie sich mit Fortschreiten der globalen Vernetzung bestimmt auf lange Sicht immer mehr abschleifen. Aber einprägsam sind sie eben auch. Und sie finden sich wieder in der gemeinsamen Studie "The Global Evolving Workforce" von Dell und Intel, die auf einer Befragung von knapp 4800 Menschen in zwölf Ländern basiert. Und diese Klischees sind sogar besonders gut geeignet, sich zentrale Ergebnisse der Studie einzuprägen.
Der Deutsche als Gewohnheitstier zum Beispiel: In der global angelegten Studie geht es inhaltlich um den Arbeitsplatz der Zukunft mit all den neuen Möglichkeiten durch mobile Endgeräte, Heimarbeit und offene, flexible Bürostrukturen. In Deutschland aber arbeiten laut Dell und Intel 53 Prozent in traditionellen Büros - also den abgeschlossenen Räumen entlang langer Flure, so wie man sie seit eh und je kennt. So viele wie nirgendwo anders. Und die meisten Mitarbeiter hierzulande finden das mehrheitlich auch noch gut.
Ist das schlimm? Nein. Muss sich das dringend ändern, solange es funktioniert? Nein. Kann das Experimentieren mit anderen, flexibleren Strukturen nicht auch sinnvoll sein? Aber selbstverständlich. So würde auf diese Fragen der gesunde Menschenverstand antworten - und die Studie macht es nicht anders.
Man sollte durchaus lobend herausheben, dass sich die Untersuchung von Dell und Intel äußerst wohltuend liest: weil sie auf futuristische Phantasien ebenso verzichtet wie auf plakative Pseudowahrheiten, nach denen Smartphones und Tablets und ultraflexible Strukturen allein selig machen und gewohnte Arbeits- und Lebensweisen ad hoc aussterben.
Produktivität zu Haus und im Büro
Die Botschaft ist gerade, dass es keine simplen Gewissheiten gibt - schon gar nicht im internationalen Vergleich. Wie zum Beispiel ist es um die Produktivität der Heimarbeit bestellt? 70 Prozent der Befragten sagen, dass sie am besten im Büro ihres Arbeitgebers arbeiten. Klare Sache, oder? Nicht wirklich. Denn ebenfalls 70 Prozent derjenigen, die drei Viertel ihrer Arbeit zu Hause erledigen, sagen, dass sie just dort die optimalen Arbeitsbedingungen vorfinden.
Ist Heimarbeit nun genauso produktiv wie die Arbeit im Büro? 52 Prozent der Befragten in aller Welt gehen davon aus, dass ein Home Office nicht weniger produktiv ist als ein Büro im Unternehmen. Dass Heimarbeiter weniger produktiv sind als ihre Kollegen an klassischen Arbeitsplätzen, denken zum Beispiel nur 17 Prozent der Brasilianer. Aber 41 Prozent der Chinesen. Vielleicht bieten die oben genannten Klischees dafür die Erklärung, vielleicht aber auch nicht.
Mehr Sport und besserer Schlaf
In jedem Fall muss Heimarbeit nicht unbedingt gesund sein. Die von daheim aus arbeitenden Menschen unter 34 Jahren konsumieren während ihrer Arbeitszeit jedenfalls mehr Snacks als andere. Kann also sein, dass sie von ihren Rechnern nicht weg kommen und sich dabei auch noch ständig mit Schokoriegeln vollstopfen. Sie schlafen aber nach eigener Aussage auch besser, empfinden weniger Stress und machen auch mehr Sport. So gesehen fördert Heimarbeit eventuell doch die Gesundheit ebenso wie die Produktivität.
Home Office bremst manche Karriere aus
Nun, die Produktivität leidet laut Studie bei der Heimarbeit durchaus, wenn die Mitarbeiter alleine sind. Sind Familienmitglieder da, sind sie produktiver. Die können aber auch von der Arbeit ablenken und abhalten - und Haustiere tun das besonders oft. Kollegen im Büro können das aber übrigens auch. Dafür meinen 41 Prozent der Heimarbeiter, dass ihnen wegen der Tätigkeit im Home Office Karrierechancen entglitten seien.
"Arbeitgeber sollten ihre Mitarbeiter als Individuen verstehen lernen und jedem die Möglichkeit bieten, im präferierten Umfeld die bestmögliche Arbeit abzuliefern", lautet das Fazit der Studie zum diesem Punkt. "Wachstumsmöglichkeiten müssen unabhängig davon angeboten werden, ob die Mitarbeiter im Büro oder zu Hause arbeiten."
Telefon, E-Mail und Messaging im Vergleich
54 Prozent der Befragten bevorzugen im Übrigen das persönliche Gespräch gegenüber dem Online-Meeting - ein Argument für das Zusammenbringen der Menschen im Unternehmen. Eine eindeutige Präferenz gibt es auch für Telefonate gegenüber Instant Messaging, während Telefonieren und E-Mail in etwa gleichauf liegen. Andererseits ist eine Kurznachricht schnell getippt, während ein Telefongespräch auch häufig in die Länge gezogen wird - ein anders gelagerter Produktivitätsaspekt.
Entsprechend rangiert Instant Messaging mit 31 Prozent Zustimmungsrate ganz oben im globalen Ranking der Produktivitätstools - mit satten 61 Prozent äußert man sich in China über dieses Werkzeug besonders euphorisch. 27 Prozent der Befragten nennen Mobile E-Mail auf ihrem persönlichen Endgerät, 21 Prozent Mobile E-Mail auf Firmen-Devices. Auf immerhin noch 20 Prozent kommen der VPN-Fernzugriff und Videokonferenzen zum Beispiel über Skype.
Unterschiede im internationalen Vergleich
Sehr klar illustriert die Studie, dass in Fragen der Technologieaffinität große Unterschiede zwischen den entwickelten Märkten (repräsentiert durch die USA, Japan, Deutschland, Großbritannien und Frankreich) und aufstrebenden Märkten wie Brasilien, China, Indien und Russland besteht. Zum Teil scheint die Euphorie über die technologischen Verheißungen hier grenzenlos zu sein.
Ein Beispiel: 39 Prozent der Befragten in den Emerging Markets sind nach eigenem Bekunden gewillt zur Kündigung ihres Jobs, wenn sie nicht mit der neuesten Technologie versorgt werden. In den entwickelten Märkten würden das nur 14 Prozent in Erwägung ziehen.
In der Bundesrepublik scheint dem Gros der Befragten derart ungebrochene Innovationseuphorie fremd. 78 Prozent arbeiten hierzulande noch mit Desktop-Rechnern, ein langsamer Rückgang von 88 Prozent vor drei Jahren. Für 44 Prozent ist der PC sogar das einzige Arbeitsgerät.
Keine Mails nach Feierabend
Im weltweiten Vergleich sind deutsche Mitarbeiter wenig geneigt, nach Feierabend E-Mails zu checken oder dienstlich zu telefonieren. Sie nehmen Arbeit vergleichsweise seltener nach Hause mit und nutzen persönliche Endgeräte weniger beruflich. Dafür surfen sie auch seltener während der Arbeit auf private Websites als das im internationalen Durchschnitt der Fall ist.
"Die deutschen Arbeitnehmer halten am klassischen Verständnis des 'Arbeitsplatzes' fest - trotz der sich verändernden Landschaft, die neue Arbeitsorte, neue Bürozuschnitte und neue mobile und verbindende Technologien definiert", heißt es in der Studie. Konservativ seien die Deutschen sowohl hinsichtlich ihrer Bürovorlieben als auch hinsichtlich der genutzten Technologie.
Arbeit am Desktop fördere nicht unbedingt die Mobilität, deshalb seien nur wenige im Home Office tätig. "Das ist aber kein Nachteil", urteilen Dell und Intel. "Die deutschen Arbeitnehmer sagen, dass sie im Büro produktiver sind - und sie bevorzugen persönliche Interaktionen gegenüber solchen aus der Ferne."
Mitarbeiter nicht Technologie-Resistent
In der Studie spiegelt sich aber auch wider, dass man hierzulande den technologischen Fortschritt keineswegs verschmäht. Der positive Einfluss von IT-Technologien auf die Arbeit wird zwar nicht annähernd so euphorisch bejubelt wie in den jungen Märkten. Er wird aber im Vergleich mit den anderen entwickelten Märkten überdurchschnittlich betont.
Alles in allem deuten die deutschen Studienergebnisse auf eine sehr pragmatische Einstellung zur Technologie hin. In Frankreich sind die Befragten offenkundig weit skeptischer. 40 Prozent sagen dort, dass die Technologie die Menschen voneinander trenne. Nur 15 Prozent der Franzosen meinen hingegen, dass sie die Leute näher zusammenbringt.