Wenn Elisabeth Höflich auf die CeBIT fährt, dann nur mit festem Programm: "Früher bin ich auch schon mal rein interessehalber hingegangen. Aber jetzt verabrede ich mich gezielt mit Anbietern und Lieferanten." Dabei ist die weltgrößte IT-Messe für die IT-Chefin beim Automobilzulieferer Continental ein echtes Heimspiel: Nicht einmal zehn Kilometer trennen den Conti-Firmensitz vom Messegelände.
Viel Gelegenheit für einen ausgedehnten Messerundgang wird Höflich dennoch nicht haben: Ihre Agenda 2010 ist nach dem On-Demand-Service-Deal mit T-Systems für die SAP-Anwendungen 2009 vollgepackt mit Projekten aus dem Non-SAP-Umfeld. "Wir beschäftigen uns in diesem Jahr vor allem mit der Server- und Storage-Konsolidierung und dem Thema Virtualisierung." Eine besondere Herausforderung ist für Conti der Umgang mit den "exponentiell ansteigenden Datenmengen" beispielsweise aus Produkttestdaten. Dafür evaluiert der Automobilzulieferer BI-Systeme und Business Warehouses.
Neben diesen großen Themen stehen für Elisabeth Höflich auch Open Source und Web 2.0 auf der Liste der Projekte: "Wir wollen einfach schauen, ob wir langfristig Alternativen zu einigen großen Softwarelieferanten entwickeln können, denn die Lizenzmodelle werden immer komplexer und die Kosten immer höher", so Höflich. Zudem hält die IT-Chefin Communities für wichtig, um die Kommunikation mit Zulieferern und Kunden zu verbessern. Überhaupt interessiert sie CRM: "Wir haben eine breite Kundenbasis, gerade im Reifenbereich, die wir noch besser an uns binden möchten. Zudem überlegen wir, wie wir die zunehmende Nutzung mobiler Endgeräte in unsere CRM-Umgebung einbinden können."
Ist die CeBIT mit ihrem weiten Angebot für alle diese Themen eine Hilfe? "Das kommt darauf an, in welchem Zustand sich die einzelnen Projekte befinden", antwortet Elisabeth Höflich. "Gerade in der Produktfindungsphase ist es optimal, auf die CeBIT zu gehen." Dort könne man sich auch mal Anbieter aus der Nische anschauen, die man sonst eher selten erreichen würde. "Was wir dort in einer Woche schaffen, dafür brauchen wir sonst Wochen oder Monate", rechnet der Conti-CIO vor.
Talanx beim "Post-Merger-Sourcing"
Auch Thomas Noth, CIO-Kollege von Elisabeth Höflich beim Versicherungskonzern Talanx AG, hat es nicht weit bis zur Messe. Wie seine Kollegin Höflich bedeutet das aber auch für ihn nicht, dass er die CeBIT nach interessanten Neuigkeiten durchstöbert: "Ich lasse mir nur ein paar Freiheitsgrade, um auch mal nach links und rechts schauen zu können".
Noth erhofft sich von der CeBIT Antworten für seinen Versicherungskonzern, der durch die Übernahme von Gerling und anderen Versicherungen zum Drittgrößten Deutschlands geworden ist. "Wir haben viele Sourcing-Fragen zu entscheiden, in der Infrastruktur, bei unseren Dienstleistungen, aber auch bei Querschnittsthemen wie Archivierung oder Dokumenten-Management." Sprechblasen, mit denen so manches Standpersonal seine Services anbietet, erträgt er dabei ganz schlecht: "Nicht jeder Termin war bislang so nützlich, wie ich es mir vorher gewünscht hatte."
Am schlimmsten findet es Kollegin Höflich, wenn jemand ihr im Vorübergehen verspricht, die Unternehmensstrategie für sie aufzustellen. "Das ist mir zu abgedroschen. Unsere IT-Strategie ist eng mit unserem Business verknüpft. Wir arbeiten intensiv mit dem Management, um das miteinander abzustimmen. Dienstleister unterstützen uns dann bei der Umsetzung", dämpft sie die Hoffnungen aller Schnellverkäufer. Sie mag es viel lieber, dass ein Anbieter etwas von der Automotive-Branche versteht und auf die Nöte der IT eingeht. "Mir ist wichtig, dass Dienstleister unsere Bedürfnisse als die eines international tätigen Konzerns verstehen."
CeBIT – fast die Letzte ihrer Art
Die weltgrößte Computermesse CeBIT in Hannover hat in den vergangenen Jahren ein wenig an Glanz verloren. Nach den Rekordjahren 2000 mit mehr als 7500 Ausstellern und 2001 mit über 830 000 Besuchern gingen beide Erfolgswerte seitdem laufend in den Keller. Tiefpunkt war das vergangene Jahr, als die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise nur noch 4300 Aussteller und 400 000 Besucher anlockte - ein Rückgang von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Dabei ist das Branchentreffen der IuK-Anbieter mittlerweile fast konkurrenzlos: Die Comdex Fall in Las Vegas, einst größte IT-Messe in Amerika, schloss schon 2003 wohl für immer ihre Pforten. Die Systems, vor Jahren einmal mutig zur Gegenveranstaltung zur CeBIT ausgerufen, fand 2008 das letzte Mal statt – mit gerade einmal 40 000 Besuchern. Nur die Computex in Taiwan hält bis heute durch, auch wenn sich weniger als 100 000 Besucher in Taipeh einfinden.
Drehen sie ein Video mit Horst Ellermann |
Auf der CeBIT von 02. bis zum 06.März steht Ihnen im Fahrstuhl im Aussteller-Service-Center, Eingang Nord 2, CIO-Chefredakteur Horst Ellermann als "PitchPartner" zur Verfügung. |
Darüber, ob die CeBIT den Platz im Kampf um die größte IT-Messen als Sieger verlassen hat oder einfach nur übrig geblieben ist, reden die Experten seit Langem. Fest steht, dass sie in diesem Jahr kürzer wird:
Die Deutsche Messe AG erspart den Anbietern den immer lebhaften Messesonntag, der mehr als andere Tage vor allem von jungen Konsumenten genutzt wurde, die mit dem Einsammeln von Prospektmaterial bestens beschäftigt waren. In diesem Jahr findet die Messe vom 2. bis 6. März statt.
Im großen Krisenjahr 2009 machte nicht nur das Manager-Magazin auf der CeBIT "manisch-depressive Gefühle" aufgrund ausbleibender Besucher und Aufträge aus. Das Modethema "Green IT", bemerkte das Magazin süffisant, manifestierte sich damals nicht nur in praktischen Lösungen für Rechenzentrum und Desktop, sondern vor allem durch die große Anzahl von Topfpflanzen, die die zunehmende Leere in den Messehallen kaschieren halfen.
Die nach wie vor größte Computermesse der Welt
Solche Kritik an der CeBIT teilt Elisabeth Höflich übrigens nicht: "Man darf nicht unterschätzen, dass das nach wie vor die größte Computermesse der Welt ist", so der Conti-CIO. Die geringeren Besucherzahlen sind für Höflich eher ein Pluspunkt: "Durch den Rückgang und durch separate Ausstellungen für Consumer-Elektronik ist die Messe mehr auf das Fachpublikum ausgerichtet, was die Qualität der Beratung erhöht. Sie ist nicht mehr überfüllt mit Leuten, die nur gucken und Prospekte sammeln." Auch Talanx-CIO Thomas Noth vermisst nur wenig: "Für mein Terminbudget auf der CeBIT reicht die Auswahl auf jeden Fall aus."
Für die CIOs von Conti und Talanx dient die CeBIT nicht nur dem Austausch mit den Anbietern. Höflich und Noth finden vor allem das Networking mit CIOs aus der ganzen Welt wichtig. "Bei mir sind 50 Prozent meiner Gesprächszeit für meine Branchenkollegen reserviert", meint Elisabeth Höflich. "Ich genieße es, sie auf den Messeveranstaltungen zu treffen. Da merkt man dann, wie viele Gemeinsamkeiten man hat und wie viel man voneinander lernen kann." Besonders gut findet Höflich, wenn sie die Kollegen auf Veranstaltungen von Anbietern trifft: "Dann ist der Austausch besonders fruchtbar."
Auch Thomas Noth trifft auf der CeBIT gerne Kollegen. "Hochwertige Gespräche mit anderen CIOs sind für mich genauso wichtig wie die Termine mit den Anbietern." Ein bisschen mehr Zeit und Ruhe für diesen Austausch wünscht sich der Talanx-CIO aber doch: "Früher saß ich einmal direkt gegenüber dem Messegelände. Da ist dann der eine oder andere Kollege auch mal von der CeBIT ausgebüxt, um sich ein bisschen Muße und eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu gönnen."
Motto: "Connected Worlds"
Der rote Faden der diesjährigen CeBIT dokumentiert die immer stärker werdende Vernetzung der Welt:
Connected Worlds. Das trägt unter anderem dem starken Bedeutungszuwachs mobiler Endgeräte Rechnung: Schon 2013, so schätzen die Analysten von Gartner, werden mehr Menschen über Handys und Smartphones ins Internet gehen als über traditionelle Desktop-PCs. Einen guten Teil ihrer Netzzeit werden die Menschen in sozialen Netzwerken wie Facebook oder LinkedIn verbringen. Auch in Unternehmen wächst die Bedeutung von Web-2.0-Technologien: Kunden, Lieferanten und Mitarbeiter kommunizieren längst in Communities. Für diese Vernetzung müssen strategische, technische und organisatorische Grenzen überwunden werden.
"Dafür", heißt es in einer CeBIT-Ankündigung, "entwickeln Unternehmen neue Hardware-Technologien und Netzwerkinfrastrukturen. Mit individualisierten, mobilen Endgeräten vom internetfähigen Mobiltelefon bis zum elektronischen Buch können Menschen in Connected Worlds ihre Geschäftsprozesse optimieren und das Zusammenleben in einer vernetzten Gesellschaft gestalten."
Natürlich sind das nicht die einzigen Produkte und Dienstleistungen, die auf der Computermesse präsentiert werden. In den Bereichen "Business" und "Sector Solutions" präsentieren die Anbieter wie gehabt ihre Anwendungen für kosteneffiziente Prozesse in den unterschiedlichen Branchen.
Auf zum Elevator Pitch
Für einen schnellen Überblick auf der CeBIT haben wir die Chefs namhafter Aussteller zum "Elevator Pitch" gebeten. Sie sollten sich vorstellen, einen CIO im Aufzug des Convention Center zu treffen und ihn während der Fahrt über vier oder fünf Stockwerke an den eigenen Stand zu locken.
Wenn Sie Anbieter wie Oracle oder Apple vermissen, dann nicht, weil wir nicht gefragt hätten. Aber beide Unternehmen sind schon seit Jahren nicht mehr mit Messeständen auf der CeBIT vertreten. So erklärte etwa Jürgen Kunz, Oracle-Geschäftsführer Deutschland, zur CeBIT 2009 in der Computerwoche: "Für mich hat sich die CeBIT immer mehr zu einer Consumer-Messe gewandelt – mit starkem TK-Fokus. Als Softwareunternehmen sehen wir keinen Mehrwert in einer eigenen Präsenz." Er setzt mit seinem Unternehmen stattdessen auf die Hausmesse "Oracle Open World" im September dieses Jahres in San Francisco.
Apple wird ebenfalls – iPad hin, iPhone her – nicht auf der Messe vertreten sein.