"DAS KLIMA BEI UNS ist schlecht geworden" hieß es in dem Brief an die Geschäftsführer, den alle Mitarbeiter unterschrieben hatten. "Es hat sich ein Graben zwischen den Chefs und uns aufgetan" Unaufdringlich wirkte das Schreiben zunächst, aber Martin Stöckle rüttelte es auf. Nicht nur zu schnelles Wachstum hatte die Atmosphäre beim Hamburger Internet-Provider PPP verändert, auch seine eigene Unfähigkeit, als Chef zu agieren. Weil er das erkannte, ließ er sich coachen.
Das war vor drei Jahren. Mittlerweile macht die Arbeit auch ihm wieder Spaß. Seine Mitarbeiter sind motiviert, der Laden läuft. "Das Wichtigste war zu erkennen, was ich eigentlich will und das auch klar zu vermitteln." Der gelernte Netzwerkberater, der sich selbst als "ursprünglich typischer Techi" beschreibt, hatte sich früher oft tagelang in seinem Büro verkrochen. "Ich wusste gar nicht, wie man als Führungskraft ist. Durch die dauernde Fixierung auf technische Analysen verlernt man, sich mit anderen Menschen auseinander zu setzen", sagt der 38-Jährige. Das hat er nun drauf: "Herr Stöckle ist sehr viel offener und entspannter geworden", so Cristina Wolff-Rodenberg von der Personalberatung CC Change in Hamburg. Durch die Fähigkeit zu delegieren habe er nun auch wieder Zeit, sich mit strategischen Dingen zu befassen.
Stöckle ist kein Einzelfall. Immer mehr Unternehmen stellen fest, dass IT-Führungskräfte in einem doppelten Dilemma stecken. Zum einen müssen sie sich permanent veränderten Strukturen und Anforderungen stellen, zum anderen haben viele durch ihre technische Orientierung relativ wenig Erfahrung mit Führung und Kommunikation.
"Die Nachfrage nach Coaching von IT-Managern steigt exponenziell im Vergleich mit anderen Führungskräften", sagt Rainer Niermeyer, Mitglied der Geschäftsleitung von Kienbaum Executive Consultants. Die Defizite seien hier größer, besonders im Bereich der so genannten "Soft Skills" zu hören, vermitteln, ausgleichen.
Offenbar liegt der Personalberater nicht falsch: Ein weltweit agierender Industriekonzern aus dem süddeutschen Raum plant bereits, einen Coach einzustellen. Eine weitere Belastung für IT-Manger: "Durch den hohen Arbeitsaufwand haben sie wenig Zeit für ihre Familie. Damit fehlt ihnen die Möglichkeit, sich dort emotionale Sicherheit zu holen", sagt eine Mitarbeiterin der Personalabteilung. Die Pläne seien allerdings noch nicht abgeschlossen.
Führungskompetenz ist nur eines der Coaching-Ziele. Außerdem soll sich der Gecoachte über seine Motivatio klar werden: Wo stehe ich, wo will ich hin, was ist mein Antrieb, welche Stärken und Schwächen habe ich? Oft steht auch Veränderungs- und Risikoverhalten auf dem Plan.
Hilfe in diesen Angelegenheiten holte sich der CIO eines norddeutschen Unternehmens, der nicht genannt werden möchte. Seine Aufgabe war definiert als die eines "Change Agents", er sollte die IT der Traditionsfirma umkrempeln.
Bereits seit Anfang des Jahres trifft sich der CIO alle vier Wochen für einige Stunden mit seinem Coach. Der hatte bei einer Unternehmensberatung beobachtet, dass das "Rambo-Auftreten" des CIO`s alle von ihm anvisierten Struktur Veränderungen blockierte. "Es ist absehbar, dass meine Rolle als Change Agent bald beendet sein wird und ich nur noch Linientätigkeiten ausüben werde.Will ich das dann noch?", fragt sich der CIO.
Wichtig: Coach mit IT-Kompetenz
Wer selbst einen Begleiter suchen möchte, sollte auf eine psychologsche Ausbildung des Coachs achten. Idealerweise verfügt dieser auch über IT-Fachkompetenz. Erfahrung als Führungskraft vereinfacht ebenfalls die Verständigung. Das sein solches Bündel an Fachwissen seinen Preis hat, versteht sich von selbst (siehe Kasten).
Diese Kosten spielten für Stöckle keine Rolle: "Es geht nicht um Zahlen, sondern um Erfolg und Spaß, im Beruf und privat", sagt Stöckle. Ihm wurde während des Coachings klar, dass er gern fliegen lernen würde. Das macht er nun: "Es ist fantastisch, die Welt aus einer ganz anderen Perspektive zu sehen" Und das gilt genauso für seine Aufgabe als Geschäftsführer.
Kostenbewusste Controller lassen sich so kaum überzeugen. Doch vielleicht hilft ja das Umfrage-Ergebnis weiter, mit dem die amerikanische Personalberatung Manchester ihre Arbeit pusht: Manager-Coaching zahle sich im Durchschnitt sechsfach aus. Gemessen wurde dies an der anschließend erhöhten Produktivität, Arbeitsqualität und Organisationsfähigkeit. Die Manager selbst waren von ihrer verbesserten Beziehungsfähigkeit überzeugt; bei vielen erhöhte sich die Arbeitszufriedenheit. An der Umfrage nahmen hundert Führungskräfte aus meist großen Unternehmen teil; darunter auch CIOs. Allerdings handelte es sich insgesamt um Kunden von Manchester.
Wie funktioniert Coaching?
In einem Vorgespräch wird versucht, Orientierung über die eigenen Ziele, Möglichkeiten und Rahmenbedingungen zu erlangen. Das Coaching selbst beginnt meist mit einer Zielvereinbarung und einer ersten Analyse. Mehrere Gespräche, in denen kontinuierlich an den Fragestellungen und Themen gearbeitet wird, folgen. Manchmal begleitet der Coach den Kunden in seinem Arbeitsalltag und beobachtet ihn in Gesprächen und Meetings.
Häufig werden zehn Coaching-Termine vereinbart, die sich über sechs bis neun Monate erstrecken. Die Honorarsätze bewegen sich zwischen 300 und 1000 Mark pro Stunde.