Personalsuche in der IT bleibt ein zeitintensives Geschäft, auch wenn sich seit einigen Monaten eine leichte Entspannung auf dem Arbeitsmarkt zeigt. Laut Branchenverband Bitkom sehen 58 Prozent der befragten Unternehmen im Mangel an IT-Spezialisten zwar nach wie vor das größte Hindernis, 2011 waren die Klagen über den Engpass aber vehementer. Das Rekordjahr 2011, in dem 28.000 zusätzliche Jobs in der ITK-Branche hierzulande entstanden, bleibt unerreicht.
Der Bitkom geht für 2012 von einem Zuwachs um 10.000 Erwerbstätige aus. Bitkom-Arbeitsmarktexperte Stephan Pfisterer erläutert: "Der Aufbau ist nicht mehr so rasant, wäre aber über Jahre auch nicht zu leisten, da wir nicht genügend IT-Nachwuchs haben." Derzeit verlassen jährlich rund 16.000 IT-Absolventen die Hochschulen, 14.000 Nachwuchskräfte schließen eine duale Berufsausbildung ab. 60 Prozent dieser IT-Absolventen entscheiden sich dann auch für ein ITK-Unternehmen, der Rest für einen Arbeitgeber aus den Anwenderbranchen. Zwar beginnen immer mehr Abiturienten ein Informatikstudium, im vergangenen Jahr zählte man 48.000 Studienanfänger, doch die Abbrecherquoten bleiben mit rund 40 Prozent nach wie vor hoch.
"Wer mit einem Hochschulabschluss in Informatik auf den Arbeitsmarkt kommt, braucht sich keine Sorgen zu machen", so Pfisterers Einschätzung. IT-Profis werden nicht nur für betriebswirtschaftliche Anwendungen, sondern auch für den Aufbau von Cloud-Services und die IT-Sicherheit gesucht, die als Querschnittsthema in vielen Bereichen eine Rolle spielt. Auch Social Media, Apps und mobile Websites treiben den Bedarf an IT-Spezialisten weiter. Gering fällt die Nachfrage im klassischen Telekommunikationssektor wie dem Betrieb von Festnetzen aus. In der TK-Hardware arbeiteten 2012 nur noch 47.500 Menschen und damit 10.000 weniger als noch 2008.
Wie sich die Lage auf dem IT-Arbeitsmarkt darstellt, hängt hierzulande auch von der Region ab. Die DB Systel, der IT-Dienstleister der Deutschen Bahn, beschäftigt rund 3000 Mitarbeiter in Frankfurt am Main, Berlin und Erfurt und will in diesem Jahr noch weitere 300 Stellen besetzen. Angelika Schaffland leitet die Personalentwicklung und -steuerung des IT-Dienstleisters: "In einem Ballungsraum wie dem Rhein-Main-Gebiet spüren wir den Fachkräftemangel stark. Wie andere ICT-Dienstleister oder große Produktionsunternehmen suchen wir erfahrene Professionals, die fundiertes fachliches Wissen mitbringen, teamfähig und kommunikationsstark sind sowie in Kundensituationen bestehen können. Leichter fällt uns die Suche nach ICT-Nachwuchs für Ausbildungsberufe und duale Studiengänge."
Gefragte SAP- und BI-Berater
So braucht DB Systel Berater für SAP und Business Intelligence, die eine mehrjährige Erfahrung in Beratung, Projekt- und Qualitäts-Management gesammelt haben. Auch Senior Delivery Manager, die die Erbringung von Service- und Projektleistungen verantworten, Entwickler mit JEE-, SOA-, EAI-, Mobile- oder Datenbanken-Wissen sowie Projekt-Manager, die mehrere Vorhaben gleichzeitig steuern können, sind nicht nur bei DB Systel gefragte Leute.
Den Kontakt zur umworbenen Zielgruppe muss das Unternehmen über unterschiedlichste Kanäle suchen: Ausschreibungen in Jobbörsen reichen nicht aus, auf Facebook ist man ebenso präsent wie auf Rekrutierungsveranstaltungen, so demnächst im Zentrum Jobs & Karriere der Computerwoche auf der CeBIT. Das persönliche Gespräch sei oft der Schlüssel zum Erfolg: "Wenn wir in Vorstellungsgesprächen die Vielseitigkeit der ICT-Jobs im DB-Konzern aufzeigen können, erfahren wir viel positive Resonanz durch die Bewerber. Noch sind aber viele überrascht, da sie uns vorher nicht als ICT-Arbeitgeber wahrgenommen haben."
Auch in München ist der Wettbewerb um IT-Spezialisten ausgeprägt. Für Ernst Ellmer, Mitglied der Geschäftsleitung der Zühlke Engineering GmbH und verantwortlich für Personal, ist darum das Recruiting mit viel Arbeit verbunden. Der mittelständische IT-Dienstleister, der in Deutschland 200 Mitarbeiter beschäftigt, konkurriert mit Medizintechnikherstellern, aber auch mit Konzernen wie BMW um Hardwareingenieure, die Erfahrung in der Elektronikentwicklung mitbringen.
Erschwerend komme hinzu, dass die oft sehr spezialisierten Kandidaten sich ein breiteres Wissen aneignen müssten, um im Beratungsumfeld agieren zu können. Dazu seien sie nicht immer bereit, zumal mit dem Dazulernen ein Karriererückschritt verbunden sein könne. Im Lauf des Jahres will Zühlke, gerade vom Great Place to Work Institute als einer der besten IT-Arbeitgeber ausgezeichnet, bis zu 20 Software- und Elektronikingenieure einstellen.
Ähnlich wie DB Systel spricht der IT-Dienstleister Bewerber auf mehreren Wegen an. Einsteiger findet Ellmer leichter, da sein Unternehmen Diplomarbeiten betreut und Praktika anbietet. Am aufwendigsten gestaltet sich die Besetzung von Senior-Positionen, sagt Ellmer: "Professionals wie erfahrene Softwarearchitekten erhalten zahlreiche Angebote. Wir suchen sie oft über Personalberater. Das kann im umkämpften Markt zwischen sechs und neun Monate dauern."
Großzügige Weiterbildung
Seit 2010 hat sich die Mitarbeiterzahl von Zühlke hierzulande verdoppelt, was der erfolgreichen Personalsuche und einer geringen Fluktuationsrate von unter fünf Prozent geschuldet ist. Dazu Manager Ellmer: "Das Prinzip Arbeitsleistung gegen Geld reicht nicht mehr aus, um Mitarbeiter zu binden. Gerade im interessanten, aber anstrengenden Beratungsumfeld ist Work-Life-Balance ein wichtiges Thema. Dem versuchen wir zum Beispiel mit einem flexiblen Arbeitszeitmodell gerecht zu werden, das erlaubt, Überstunden zwischen den Projekten abzubauen. Der Stress darf nicht konstant sein."
Die Firmenkultur muss stimmen, die Gehälter müssen marktgerecht, die Projekte interessant und innovativ sein, dann bleiben die IT-Experten. Wenn wie im Fall von Zühlke ein üppiges Weiterbildungsbudget von 17 Tagen pro Jahr dazukommt, profitieren beide Seiten. Der IT-Dienstleister sponsert jährlich bis zu fünf interne Projekte, in denen die Ingenieure neue Technologien und Projektideen ausprobieren können. So entstand die Idee der Multitouch-Interfaces für den industriellen Einsatz, die man später auch in einem externen Projekt umsetzen konnte.
Recruiting per Blue Card?
Die Blue Card als Instrument, um IT-Profis aus Nicht-EU-Staaten zu holen, nutzen Zühlke und viele andere IT-Firmen noch nicht. So hoch ist der Leidensdruck durch den Fachkräftemangel nicht, auch sind gute Deutschkenntnisse für IT-Berater unabdingbar, so Ellmer. DB Systel dagegen hat sich vorgenommen, "von den über 300 geplanten Neueinstellungen etwa zehn Prozent der neuen Mitarbeiter mit einem internationalen Hintergrund einzustellen", sagt Schaffland. "Um Bewerber aus EU- und Nicht-EU-Ländern zu gewinnen, arbeiten wir unter anderem mit der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Arbeitsagentur zusammen. Erste interessante Profile von Kandidaten liegen uns bereits vor. Auch werden wir auf einer Recruiting-Messe in Barcelona vertreten sein."
Neuer Trendmonitor: Fachkräfte gesucht
Der monatlich erscheinende "Trendmonitor" von COMPUTERWOCHE, CIO-Magazin, TecChannel.de und ChannelPartner hat sich auf Wunsch der Leser in der laufenden Ausgabe mit dem IT-Fachkräftemangel beschäftigt. 247 IT-Verantwortliche und IT-Professionals berichten, ob sie den Personalengpass in der IT spüren, welche Maßnahmen sie dagegen ergreifen und welches Profil IT-Experten mitbringen sollten.
Die Studie zeigt, dass fehlende IT-Experten weniger als Gegenwarts- denn als Zukunftsproblem gesehen werden. Das Thema gilt als Herausforderung, vergleichbar mit dem steigenden Wettbewerbsdruck und der Sorge um die konjunkturelle Entwicklung. Nicht einmal jeder fünfte Umfrageteilnehmer konnte seine offenen IT-Stellen zuletzt problemlos besetzen. Gleichzeitig beklagen 37 Prozent, dass weniger Bewerber als früher zur Auswahl stehen und vakante Stellen heute mehrmals ausgeschrieben werden müssen. Unbesetzt bleiben die Stellen selten, da die Firmen im Zweifel auf externe Dienstleister oder Freiberufler zurückgreifen (29 Prozent) oder die Arbeit auf die vorhandenen IT-Mitarbeiter verteilen (16 Prozent). Für 13,5 Prozent ist auch das Aufschieben von Projekten kein Tabu.
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