"Ich möchte gleich vorweg betonen, dass ich die Begriffe Kunde und Benutzer nicht wertend verwende. Der Kunde ist für mich nicht höherwertiger als ein Benutzer. Es handelt sich einfach um unterschiedliche Rollen. Das Kunden-Lieferanten-Modell ist schlicht nicht mit den eigentlichen Aufgaben einer internen IT-Abteilung vereinbar.
In vielen Veranstaltungen wird seit geraumer Zeit über die Zukunft des CIOs und seines Bereichs gesprochen. Wird er der Chief Innovation Officer, der Chief Process Officer oder gar der Chief Efficiency Officer werden? Die meisten von uns sind sich wohl darüber einig, dass es eine Zukunft für den CIO und seine interne IT geben kann. Eine Voraussetzung dafür wird aber eine viel stärkere Verzahnung mit den Fachbereichen sein. Als Partner der Fachbereiche auf Augenhöhe. Wie aber schaut die Realität aus? Ich behaupte, die IT-Abteilungen bewegen sich konsequent vom Fachbereich weg und hin zur Austauschbarkeit. Das ITIL-Framework hat zwar geholfen, den IT-Betrieb in den vergangenen Jahren deutlich weiterzuentwickeln. Es hat aber auch ein Paradigma etabliert, das zwar gut gemeint, aber letztlich gefährlich ist: die Rolle des internen Dienstleisters.
Die Idee, den Servicegedanken in der internen IT zu verankern, war wichtig, um uns aus dem Elfenbeinturm zu holen. Es ging darum, dem Benutzer zuzuhören und zu liefern, was er braucht. Hinzu kam die Profit-Center-Idee, also der Gedanke, dass eine interne Organisation besser funktioniert, wenn sie Gewinn und Verlust zu verantworten hat.
Beide Gedanken sind ein legitimer Ansatz, zu einer flexibleren, schlankeren und effizienteren Organisation zu kommen. Nur etabliert das Dienstleistermodell leider Prozesse, die Distanz zu den Fachbereichen aufbauen. Dazu später mehr. Zuerst möchte ich mich den Gründen widmen, die gegen den Benutzer als Kunden sprechen.
Mangelnde Wahlfreiheit
Die Rolle des Dienstleisters bedingt einen Kunden als Gegenüber. Kunde zu sein hebt das Selbstwertgefühl, denn als Kunde hat man die Macht, frei zu wählen, ob man einen Service will oder nicht beziehungsweise von wem man diesen Service will. Diese Wahlfreiheit ist eine elementare Basis für eine Kunden-Lieferanten-Beziehung. Der Kunde kann sich seinen Lieferanten aussuchen. Aber, und das wird oft vergessen, das muss auch in die Gegenrichtung funktionieren. Auch ein Lieferant oder Dienstleister muss entscheiden können, ob er einen Kunden bedient oder nicht. Genauso wie sich der Kunde den attraktivsten Lieferanten sucht, muss auch der Lieferant die Möglichkeit haben, Kunden und Services, die nicht profitabel sind, zu vermeiden.
Was heute oft gelebt wird, ist eine Wahlfreiheit für die Kunden, aber einer Verpflichtung für die interne IT, sich um alle Firmenteile und Firmenangelegenheiten zu kümmern. Als externe Firma bedient man einen Kunden, solange sich der Business Case rentiert. Diese Möglichkeit gibt es aber intern in der Regel nicht. Kein CIO kann die Aufforderung seines Vorstandsvorsitzenden, "hier mal in die Bresche zu springen", ablehnen, ohne damit heftig an seinem Karriere-Ast zu sägen. Mit solchen Schiefständen kann eine interne IT langfristig nicht überleben.
Compliance
Der Kunde hat aber nicht nur die Möglichkeit, den Lieferanten zu wählen, er kann sich natürlich auch entschließen, etwas selbst zu machen. Fachwissen ist ja inzwischen reichlich vorhanden. Und das ist nicht einmal ironisch gemeint. Dazu kommt, dass IT-Werkzeuge heute viel leichter zu bedienen sind als noch vor ein paar Jahren. Oder man nimmt ohnehin gleich den fertigen Service aus der Cloud. "Halt", höre ich jetzt einige Kollegen rufen. "Was ist mit der Compliance?" Gute Frage - wie vertragen sich Vorgaben mit dem Kundendasein?
Fest steht: Unzureichende Compliance ist für ein börsennotiertes Unternehmen nicht möglich. Bestimmte Regeln sind einfach notwendig. Womit es spätestens hier mit dem freien Kundendasein zu Ende ist. Ich möchte diesen Punkt aber nicht weiter vertiefen. Der Widerspruch zwischen Compliance und IT-affinem Benutzer bleibt unabhängig von der Frage "Kunde oder Benutzer" und wird aufzulösen sein.
Fehlender Vertrieb
Die interne IT ist in der Regel nicht gut genug aufgestellt, um ausreichend um die Kunden zu buhlen. Fast alles, was ein Benutzer braucht, um sich als Kunde gut bedient zu fühlen, kann ein externer Anbieter besser. Dabei geht es nicht nur um Werbegeschenke und Einladungen zum Essen. Es fehlt auch an Vertriebsleuten. Gut, man hat interne Kundenansprechpartner, die diese Funktion ausüben sollen. Da gibt es aber einen gravierenden Unterschied zum Vertriebsmann außerhalb der Firmengrenzen: das Gehaltsschema. Im Vertrieb ist es durchaus üblich, leistungsgerecht, also nach erbrachtem Umsatz, zu bezahlen. Das ist auch sinnvoll, denn der Kunde finanziert den Lieferanten. Innerhalb einer Firma wird aber kein Geld gemacht. Es gibt nur einen Kunden, und der steht außerhalb des Unternehmens.
Dieser Kunde muss im Fokus sowohl des Fachbereichs als auch der IT sein. Das Ziel des internen IT-Ansprechpartners muss also ein grundsätzlich anderes sein als das des externen Verkäufers. Wenn der interne Ansprechpartner im Wettbewerb mit einem externen Key-Accounter steht, führt das immer zu einem Ungleichgewicht zuungunsten der eigenen IT.
Falsche Kostenbetrachtung
Wenn wir betrachten, wie wir heute selbst als Kunden erzogen werden, so steht oft nur der Preis im Vordergrund, frei nach dem Slogan "Geiz ist geil!" Genau das erleben wir in den Diskussionen mit den Fachbereichen. Da werden die IT-Kosten haarklein hinterfragt, obwohl das Gegenüber eine ganzheitliche Betrachtung im Sinne des Unternehmens meist gar nicht durchführen kann. Oft auch nicht will, da er mit seinem Bereich selbst als Profit Center aufgestellt ist. Die IT hat aber in der Regel einen bereichsübergreifenden Auftrag, der sich an der Gesamtstrategie des Unternehmens orientiert. Und wenn man den Zukunftsprognosen für CIOs glaubt, muss das noch viel stärker werden.
Nun zu den Prozessen einer Kunden-Lieferanten-Beziehung, die wir in unsere Firmenwelten übernommen und kultiviert haben - und die sich immer mehr zu Hürden entwickeln:
Nutzlose Service Level Agreements
Zunächst wäre da der Versuch, den Vertrag als Instrument einer Geschäftsbeziehung in die innerbetriebliche Zusammenarbeit zu bringen. Egal ob wir es Service Level Agreement (SLA) oder Operational Level Agreement (OLA) nennen, wir stoßen auf ähnliche Probleme wie zuvor mit der Vertriebsorganisation: Ein Vertrag beschreibt Leistungsumfang und Kosten, und - im schlimmsten Fall - er dient als Basis für einen Rechtsstreit.
Was nun zwischen Firmen sinnvoll ist, hat intern nur einen begrenzten Nutzen. Natürlich kann es im Sinne des Anforderungs-Managements sinnvoll sein, den Bedarf niederzuschreiben, um ein gemeinsames Verständnis herbeizuführen. Die agilen Methoden in der Softwareentwicklung haben uns aber gelehrt, dass eine Anforderung nur wichtig ist, bis man sie umgesetzt hat oder sie sich ändert. Auch wenn der Fachbereich zuerst einen Apfel wollte, um nach einiger Zeit draufzukommen, dass eine Birne doch sinnvoller wäre, wird man diese Änderungen umsetzen.
Letztlich zählen nur der Nutzen für das Unternehmen und die optimale IT-Unterstützung für die Prozesse der Fachbereiche. Dasselbe gilt, wenn Performance oder Verfügbarkeit nicht passen. In diesem Fall muss man nachregeln. Die Absicherung hilft also höchstens, um eventuell eine Kostendeckung zu erzielen oder die Schuldfrage bei Verzögerungen zu klären. Beides dient aber nur der reinen Politik, denn der rechtliche Aspekt der Absicherung fällt innerhalb der Firma natürlich weg.
Vom Angebot zur Rechnung
Eng mit dem SLA verknüpft ist die interbetriebliche Leistungsverrechnung. Lange war ich der Meinung, dass die Verrechnung umso besser ist, je detaillierter die Kosten an den Verursacher weitergegeben werden. Ich habe meine Meinung geändert. Der Aufwand ist hoch, und die Steuerungsmöglichkeiten sind begrenzt. Die Versuche zu steuern führen oft zu ganz kreativen Umgehungslösungen, die vielleicht den Einzelnen befriedigen, aber dem Unternehmen Mehrkosten verursachen. Wenn eine klare Zuordnung von Kosten möglich ist, spricht nichts dagegen, aber bei vielen Themen ist ein Umlageverfahren effizienter. Viele Kosten zum Beispiel für Compliance, Security oder eine bestimmte Basisinfrastruktur lassen sich einfach nicht zuordnen.
Abgesehen davon gibt es psychologische Mechanismen, die man nicht unterschätzen sollte. Rechnungen sind emotional negativ behaftet. Auch Angebote, als Vorboten einer Rechnung, betrachtet man kritisch. Das ist ja der große Vorteil der Schatten-IT. Die Mitarbeiter sind meist über andere Themen gedeckt, sodass die IT Tätigkeit rein als Leistung ohne Kosten gesehen wird. Alle dies führt zum Gegenteil dessen, was wir anstreben: einen Schulterschluss mit den Fachbereichen.
Was sind aber nun die mehrmals zitierten Aufgaben der internen IT-Abteilung? Die Hauptaufgabe kann doch nur sein, die Geschäftsprozesse eines Unternehmens durch den Einsatz von IT bestmöglich zu unterstützen und effizienter zu machen. Um diese Aufgabe optimal erfüllen zu können, braucht es einen Bereich, der sich voll und ganz dieser Aufgabe widmet und als Non-Profit-Organisation nur die unbedingt notwendigen Kosten generiert. Diese Aufgabe kann theoretisch keine externe Firma besser machen. Allerdings bedeutet das auch, sich bedingungslos am Unternehmensnutzen auszurichten. Alle Themen der IT, die sich nicht direkt auf die Wertschöpfung des Unternehmens auswirken, gehören hinterfragt.
Fazit: "Kollege" ist besser als "Kunde"
Der Fokus auf den Unternehmenswert definiert dann auch den Umgang mit dem Benutzer. Motivierte Mitarbeiter sind für ein Unternehmen essentiell. Es ist nicht die Hauptaufgabe der IT-Abteilung, dafür zu sorgen, sie soll aber auch nicht dagegenarbeiten. Letztlich wissen es die Mitarbeiter durchaus zu schätzen, wenn sie weniger Arbeit haben, also in optimalen Prozessen arbeiten. Dabei lohnt es sich allerdings auch nachzudenken, ob nicht einige Regeln der IT-Abteilung eher dazu gedacht sind, das eigene Leben einfacher zu machen als das der Benutzer. Optimierte Prozesse im IT-Betrieb bedeuten nicht zwangsläufig optimierte Unternehmensprozesse.
Das Bild des Kunden muss durch das des Kollegen ersetzt werden, gedanklich wie verbal. Dazu gehört, dass es im Sprachgebrauch keine Verrechnung mehr gibt. Es gibt Kosten durch IT, an denen sich die Fachbereiche beteiligen müssen. Wichtig ist, zu unterscheiden, ob Kosten direkt zugeordnet werden können oder nicht. Nicht zuordenbare Kosten sollten über ein Umlageverfahren verteilt und nicht in andere Kosten verpackt werden, die dann Benutzern direkt zugeordnet werden.
Das alles soll aber kein Freibrief für die IT sein. Im Gegenteil: Da die IT nicht am internen Kunden verdienen darf, muss sie sehr konsequent Qualität und Kosten an den Firmenbedarf anpassen. Letztendlich sollte aus der Verpflichtung dem Kunden gegenüber die Verantwortung für die Kollegen und das Unternehmen werden. Dann klappt es vielleicht auch mit dem C???O."
Unternehmenszahlen der Magna Steyr Gruppe
Die Magna Steyr Gruppe ist der Unternehmensteil von Magna International, der sich mit der Entwicklung und der Auftragsfertigung von gesamten Fahrzeugen beschäftigt. Die IT-Landschaft entspricht für Entwicklung und Produktion daher weitgehend der eines OEMs.
Unternehmen |
Magna Steyr Gruppe |
Hauptsitz |
Graz |
Umsatz |
k. A. |
Mitarbeiter |
11.000 |
IT- Kennzahlen |
Magna Steyr Gruppe |
IT-Mitarbeiter |
180 Mitarbeiter weltweit |
IT-Budget |
circa zwei Prozent vom Umsatz |
IT-Benutzer |
6500 |