Verhandlungstipps und Vertragsfallen

Der Poker ums zweite Gehalt

18.01.2019 von Klaus Werle
Geschickte Verhandler können ihr Salär mit Boni, Dienstwagen und Freiflügen kräftig aufpolstern. Wer gut taktiert, kann dabei sogar ein zweites Gehalt für sich herausschlagen.

Reinere Haut, samtigeres Gefühl, das ist die Welt von Mathis Eger (Name von der Redaktion geändert), Abteilungsleiter für Körperpflegeprodukte. Dass der Experte für die sanften Momente im Leben auch robust wie eine Wurzelbürste sein kann, zeigte er in Verhandlungen mit dem US-Konsumartikler, der ihn abwerben wollte.

Interessant sei das Angebot schon, meinte der Chemiker, aber er müsste sein Haus in Deutschland verkaufen, man möge ihm doch bitte den Wertverlust zahlen, ebenso Zuschüsse für ein neues Domizil plus Renovierungskosten. Leider könne seine Frau in den USA nicht arbeiten, auch hierfür solle ein Ausgleich her. Und natürlich müsse die neue Firma die deutschen Sozialbeiträge übernehmen. Die Personaler schluckten kräftig - und willigten ein.

Früher nannte man Sonderleistungen, wie sie Eger herausgeschlagen hat, Privilegien - heute heißen sie weltläufigvornehm "Fringe Benefits" oder kurz "Benefits". Der Sammelbegriff für Vergütungsbestandteile außerhalb des regulären Jahresgehalts umfasst üppige Tantiemen ebenso wie Pensionszusagen wie die jährlich 400.000 Euro für Ex-RWE-Chef Harry Roels. Aber auch First-Class-Garantie oder die Übernahme der Makler- und Umzugskosten, für die etwa Ex-Siemens-Vorsteher Klaus Kleinfeld von Alcoa knapp eine Million Euro "Beihilfe" erhielt.

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Auch unterhalb der CEO-Liga haben die Nebenleistungen in den vergangenen Jahren massiv an Bedeutung gewonnen. Gute Leute sind rar - wer eine starke Verhandlungsposition hat, kann eine Menge herausholen.

"Bei den Fixgehältern ist meist wenig Spielraum", sagt Thomas Bockholdt, Partner der Personalberatung Intersearch Deutschland. "Die Benefits sind deshalb ein eleganter Weg, Vergütungen zu individualisieren und Mitarbeitern etwas Gutes zu tun." Sonderleistungen sind zudem steuerlich manchmal günstiger als ein stures Plus beim Brutto - und weil sie oft an die Leistung gekoppelt sind, fördern sie die Motivation mehr als eine reguläre Gehaltserhöhung in Beamten-Manier.

Dilettantische Verträge bei Vorständen

Ohnehin verlagert sich die Vergütung seit Jahren stärker in den variablen Bereich - das vergrößert den Verhandlungsspielraum. Üblich sind zwischen 10 und 50 Prozent, auch bis zu 100 Prozent sind nicht selten. Auf Vorstandsebene, im Finanzsektor oder im Vertrieb machen die variablen Anteile mitunter gar ein Vielfaches des Fixgehalts aus.

Doch bei den dicken Batzen lauern die tückischsten Fallen. "Wenige Verträge sind so dilettantisch formuliert wie die von Geschäftsführern und Vorständen", stöhnt Martin Diller von der Kanzlei Gleiss Lutz. Oft sind die Erfolgskriterien für Boni vage, oder es ist nicht klar, ob "Lohnfortzahlung im Krankheitsfall" auch Tantiemen einschließt. Gern gibt es auch Streit über variable Vergütungen, wenn der Job vor einem bestimmten Stichtag gewechselt wird.

Für diese Fälle erfreut sich neuerdings ein eleganter Ausweg wachsender Beliebtheit: der Sign-on-Bonus. "Dieses Antrittsgeld wird häufig mit dem Verweis auf entgangene Tantiemen beim alten Arbeitgeber gezahlt", erklärt Martin Emmerich von der Unternehmensberatung Towers Perrin. Und das kann sich lohnen: John Thain, der Ex-Chef von Merrill Lynch, sammelte auf diese Weise 15 Millionen Dollar Begrüßungsgeld ein - sicherheitshalber cash.

Sind die Bonusregelungen schon ein Gestrüpp, weisen die Abmachungen zur Altersvorsorge veritablen Dschungelcharakter auf. Zwar fahren die Firmen ihre Pensionszusagen für Manager der unteren und mittleren Ebene inzwischen wieder zurück - aber im Topsegment geht es nach wie vor um beträchtliche Summen: Ex-Eon-Chef Wulf Bernotat beispielsweise hatte Anspruch auf fast 900.000 Euro im Jahr, Michael Frenzel von Tui kam auf gut 700.000 Euro.

Das weckt Begehrlichkeiten, doch viele versäumen es, ihre Ansprüche hieb- und stichfest zu machen. "Da wird die private Handynutzung bis ins letzte Detail geregelt, aber die Pensionszusagen durchschaut kaum jemand", schimpft Jan Kern von der Hamburger Arbeitsrechtskanzlei Behrens & Partner.

Üblich sind Pensionen zwischen 20 und 60 Prozent des Fixgehalts, das ist noch leicht. Aber ab wann ist der Anspruch unverfallbar - erst nach der gesetzlichen Frist von fünf Jahren oder gleich vom ersten Tag an? Wird in Raten gekürzt, wenn die Führungskraft nicht bis zum Pensionsalter im Unternehmen bleibt - oder wird die volle Rente unabhängig von der Dauer der Beschäftigung gezahlt, wie es Topmanager gern fordern? "Prinzipiell gibt es keine Grenze nach oben - man muss die Ansprüche nur verbindlich festlegen", sagt Experte Diller.

Reisekostenabrechnung à la Peter Hartz

Keine Grenze nach oben - das schöne Motto gilt erst recht für Fringe Benefits jenseits des Schwarzbrotbereichs von Boni und Pensionszusagen. Fahrer, Schul- und Kindergartengebühren, Coaching, Klubmitgliedschaften, repräsentative Domizile, VIP-Lounges: Derlei Annehmlichkeiten fallen zwar finanziell kaum ins Gewicht - bei Dax-Vorständen machen sie laut einer Studie von Towers Perrin gerade mal ein Prozent der Vergütung aus -, sie bringen aber einen guten Schuss Komfort und Statusbewusstsein in den Manager-Alltag.

Um Gier und Neid auf verhandlungsstärkere Kollegen zu vermeiden, verschanzen sich die Unternehmen offiziell hinter Standardverträgen. "Ein individuelles Aushandeln einzelner Komponenten ist nicht möglich", betont Lutz Cardinal von Widdern von der Leverkusener Bayer AG stellvertretend für viele.

Aber im Zwiegespräch mit begehrten Kandidaten geht dann doch oft einiges. Da werden mal die Liegekosten für die Jacht oder die Stellplatzgebühren für die Oldtimer-Sammlung generös übernommen, wenn ein Manager von Paris nach New York wechselt. Es wird ein Spesenkonto über 20.000 Euro im Jahr spendiert, Belege nicht notwendig - Reisekostenabrechnung à la Peter Hartz. Oder ein betagter Porsche 356 aus Privatbesitz wird als Firmenwagen anerkannt, weil das steuerlich angenehmer ist. Überhaupt, das Auto. "Über nichts wird mit so viel Herzblut verhandelt wie über des Deutschen liebstes Kind", sagt Personalberater Bockholdt. Das bekommen mitunter auch die Nachbarländer zu spüren.

Als Key-Account-Manager Thomas Gruth (Name von der Redaktion geändert) zu einem Nahrungsmittelkonzern nach Paris wechselte, stellte er fest, dass betriebliche Altersvorsorge und Dienstwagen für sein Level in Frankreich nicht en vogue sind. Gruth verzichtete auf die Betriebsrente - doch beim Auto blieb er teutonisch standhaft und schlug immerhin einen BMW heraus.

In Deutschland ist man eben anspruchsvoll. "Ich fahre nur Achtzylinder", das hören Headhunter oft. Ein Ex-Daimler-Manager ließ sich gar zweimal jährlich einen brandneuen Wagen garantieren - nach seiner Pensionierung, inklusive Fahrer. Den andere Manager gern einspannen, um die Kinder von der Schule abzuholen oder die Familie in die Sommerfrische zu kutschieren - alles säuberlich im Vertrag notiert.

Benefit-Verhandlung: Die Kunst liegt in der vornehmen Zurückhaltung

Richtig Wind unter die Flügel bekommen die Benefits aber erst, wenn Führungskräfte ins Ausland gehen. Da warten Manager mit Waschzetteln voller Sonderwünsche auf. Monatliche Heimflüge, Firmenjet für den Privaturlaub, Hausmädchen - "bei Expats ist der Spielraum besonders groß", sagt Diller.

Um keine schlafenden Hunde zu wecken, werden die Extrawürste meist in "side letters" außerhalb der offiziellen Entsendeverträge geregelt. Auch bei Bayer gibt man sich streng nach Vorschrift: "Unsere Standards gelten für alle, es gibt keine Sonderregelungen", meint Christoph Goebel, Chef des Mobility-Managements.

Bayer-Expats erhalten eine "Mobilitätsprämie" von rund 10 Prozent aufs Nettogehalt sowie als Ausgleich für eine eventuell niedrigere Lebensqualität einen "hardship factor" von nochmal bis zu 25 Prozent, je nach Land.

Dazu Mietzuschüsse, Übernahme der Schul- oder Kindergartenkosten und in Einzelfällen Gebühren für örtliche Klubs. Für den Umzug gibt es pauschal 7.000 Euro; Kosten für die Überführung von Autos, Motorrädern und Pferden werden nicht übernommen, dafür aber auf Wunsch Transport und Versicherung für bis zu 100 Flaschen Wein.

Die Lex vinum zeigt: Die Kunst des Benefit-Verhandelns liegt in der vornehmen Zurückhaltung. Gebaren wie das eines chinesischen Topmanagers, der sein Auto nach drei Tagen in Deutschland mit Diesel statt mit Superbenzin befüllte und von der Firma Ersatz für den darob verschiedenen Motor verlangte, lässt Personaler die Stirn runzeln.

Bei den Nebenleistungen nicht übertreiben

Auch das Feilschen um 30 Euro für die Einlagerung eines Tisches oder um eine Rechtsschutzversicherung, die auch Klagen gegen die eigene Firma finanziert, lassen Zweifel an der charakterlichen Eignung eines Kandidaten aufkommen. "Selbst wer eine starke Position hat, sollte bei den Nebenleistungen nicht übertreiben", sagt Arbeitsrechtler Kern. "Wer als Topmanager 400.000 Euro verdient und um Kita-Kosten ringt, erweckt kaum den Eindruck, den Blick für das Wesentliche zu besitzen."

Dann kann es ihm gehen wie der designierten Spanien-Chefin eines Sportartiklers. Um ihre Beziehung zu erhalten, verlangte sie zwei Freiflüge monatlich nach Hause. Als das zugesagt war, wollte sie die Beschränkung auf die Destination Deutschland aufheben - es wäre doch nett, ihren Mann auch mal anderswo in Europa zu treffen.

Zeit dazu hätte sie jetzt: Die Firma kassierte den unterschriftsreifen Vertrag und entschied sich für einen anderen Kandidaten.