McGuckin ist unprätentiös. Es ist schon auffällig, wie herzlich die Mitarbeiter den DHL-CIO grüßen, als er für die Fotografin im gläsernen Post-Tower in Bonn umherläuft. "Hallo, Stephen", rufen sie ihm zu. Und es hört sich so an, als würden sie ihren Chef schätzen. Kein Zweifel, der weißhaarige IT-Leiter besitzt Charisma und pflegt einen Führungsstil, der den Einzelnen nicht nur fordert, sondern auch fördert.
McGuckin ist pragmatisch. So antwortet er auf die Frage, ob der IT-Chef auch privat die neuesten technischen Spielsachen liebt, mit einem klaren Nein. "Zu Hause nehme ich lieber den Spaten in die Hand und arbeite im Garten." Und fast stolz kramt er zum Beweis anschließend statt des neuesten PDAs seinen Taschenkalender aus Papier hervor. "Es gibt einfach nichts Besseres", ist er überzeugt.
McGuckin ist verschlossen, wenn es nicht um Unternehmensinformationen geht. Über private Sachen gibt der DHL-CIO nicht gerne Auskunft, selbst sein Alter will er nicht preisgeben. "Ich spreche lieber über das Business", sagt er. In seiner Freizeit joggt er gerne. Nur so viel verrät er: "Ich habe drei Kinder und bin verheiratet - immer noch mit der gleichen Frau." Der DHL-CIO ist geborener Ire, doch er wollte früh aus Irland weg. "Wir zogen nach Papua-Neuguinea, weil wir die Welt sehen wollten und fanden, dass das der am weitesten entfernte Ort von unserem Heimatort ist", erzählt McGuckin. Reisen und Umzüge gehören für ihn nach wie vor zur Normalität. In den vergangenen neun Jahren hat er in sieben verschiedenen Ländern gelebt.
Seine Biografie zeichnet die Ortswechsel nach: Zu DHL stieß McGuckin 1989 in Hongkong, bevor er 1993 als Regional-IT-Direktor für den Mittleren Osten nach Bahrain weiterzog, um 1997 als IT-Direktor für das Gebiet Asien-Pazifik und den Mittleren Osten nach Hongkong zurückzukehren. 1998 und 1999 war er in Malaysia. Die nächsten Einsatzorte: 2000 London als stellvertretender DHL-CIO, 2001 San Francisco als IT-Manager für Nordamerika und wiederum seit 2002 London, wo er seine jetzige Position als Global CIO antrat.
In diesen Tagen zieht er gerade mal wieder um: Die IT-Leitungsebene von DHL zieht von London in ihren neuen Sitz nach Prag. Denn in der tschechischen Hauptstadt errichtet das Logistikunternehmen sein neues europäisches Service-Center. Im Stadtteil Chodoc entsteht die neue Computer- und Servicezentrale für Europa, in die auch die IT-Führung der Post-Tochter Danzas aus Basel zieht. Im Mai soll laut Plan alles fertig sein, bis Ende des Jahres werden dort dann 450 Menschen arbeiten. In Tschechien feiert man das als großen Ansiedlungserfolg, denn in den kommenden fünf Jahren will die Post dort rund 500 Millionen Euro investieren und rund 1000 neue Arbeitsplätze schaffen. Prag ist nur eines von drei DHL-Service-Centern. Die "Follow-the-Sun" genannte Philosophie hat sich auch der Express-Riese zu Eigen gemacht. Von Scottsdale im nordamerikanischen Arizona über Kuala Lumpur in Malaysia und London (künftig Prag) reicht die Kette, in der sich die Mitarbeiter gegenseitig ablösen.
Kein Umsatz ohne IT
Rund 160 000 Menschen in mehr als 220 Ländern und Regionen arbeiten für DHL. "Vor rund 30 Jahren war in der Logistikbranche das Wichtigste das Abholen und Zustellen eines Pakets. Heute ist die Information über das Paket genauso wichtig wie das Paket selbst: Der Disponent vor Ort will sofort erfahren, wenn etwas schief geht, damit er einschreiten kann. Und schief gehen kann immer irgendetwas, sei es wegen schlechten Wetters oder einer Fahrzeugpanne. "Je eher wir von einem Zwischenfall wissen, desto eher können wir eingreifen", sagt McGuckin. "Ohne den Einsatz von IT könnten wir unser Geschäft nicht betreiben."
2003 fasste die Deutsche Post World Net ihre weltweiten Paket-, Express-, Fracht- und Logistikdienstleistungen unter der neuen Marke DHL zusammen. Dazu gehören neben DHL der Luftfrachtmarktführer Danzas und Euro Express. Für 2005 plant der Bereich Express/Logistik ein Ebitda von 1,15 Milliarden Euro. Für den DHL-CIO bedeutet der Zusammenschluss jede Menge Arbeit. McGuckin: "Wir müssen zunächst die Geschäftsprozesse harmonisieren und uns auf einheitliche Regeln einigen."
Die alte DHL in Europa betrieb vor allem grenzüberschreitende Expressdienste, Euro Express war auf den Warenversand im Inland spezialisiert. "Das bedeutet beispielsweise verschiedene Anforderungen für die Hardware und für den Kundenservice, die wir jetzt zusammenbringen", berichtet McGuckin. "Bei der Integration geht es darum, sowohl die Nutzerseite als auch die IT-Infrastruktur zu betrachten. Zunächst integrieren wir die für den Kunden sichtbaren Anwendungen, danach harmonisieren wir das Back Office." Das könne noch bis 2006 dauern.
Datencenter, Telekommunikationsnetzwerke und Support-Teams gilt es zu vereinen. Verschiedene ERP-Systeme müssen mit den SAP-Systemen der deutschen Konzernzentrale in Einklang gebracht werden. In einem unternehmensweiten Data-Warehouse-System werden die Datenbanken aller Legacy-Systeme konsolidiert, die die Sendungsnachfolge ermöglichen. Auch im Web werden die verschiedenen Buchungs-, Tracking- und Tracing-Lösungen zusammengebracht.
Natürlich soll die Integration auch noch Geld sparen. "Wir bauen ein besseres Netzwerk zu geringeren Kosten", sagt McGuckin. "Wir verhandeln mit den Telekommunikationsgesellschaften, um die für alle geringsten Kosten zu erhalten. Außerdem erwarten wir von unseren Dienstleistern, dass sie uns mit dem Preis weiter entgegenkommen, da wir auch mehr Volumen mitbringen. Sein Fazit: "Wir haben eine große Integrationsaufgabe zu bewältigen. Wenn wir das geschafft haben, bin ich zwar nicht vollkommen glücklich, aber wir haben alle Möglichkeiten, besser zu sein als unsere Wettbewerber."
Für diese Aufgabe sei es unerheblich, ob ein CIO deutscher oder anderer Nationalität ist, so der Chef der DHL-IT. "Es ist aber ein großer Unterschied, ob man eine Organisation führt, die nur in einem Land zu Hause ist, oder eine weltweit arbeitende wie DHL." Die Komplexität stelle sich dann ein, wenn eine Organisation mehrere Länder umspanne. "CIOs kämpfen mit verschiedenen Zeitzonen, müssen trotzdem mit den Menschen kommunizieren und die verschiedenen Kulturen berücksichtigen."
Der CIO muss Stratege sein
Er sei ein angenehmer CIO. Er lasse seinen Leuten viel Freiraum und melde sich nur zu Wort, wenn er das Gefühl habe, er würde übers Ohr gehauen, sagt ein Berater von IBM Business Consulting Services, der beruflich mit ihm zu tun hat. McGuckin selbst sieht sich ganz klar als Stratege. "Senior-IT-Manager sehen sich allenfalls eher in einer taktischen und operativen Rolle als in der eines CIO. Die Rolle des CIO ist jedoch eine weitaus stategischere, so McGuckin. Natürlich müsse auch der CIO Dienstleistungen erbringen, doch in erster Linie müsse er die Strategie voranbringen. "Er muss insbesondere anderen Führungskräften dabei helfen zu verstehen, wie High-Tech-IT in ihrem Geschäft genutzt werden kann - mit dem Ziel vor Augen, den Kundennutzen zu vergrößern und so das Wachstum zu beschleunigen."
McGuckin mag seinen Job. Doch er meint, es gebe nur noch einen anderen Beruf, der genauso schwierig sei wie der des CIOs. "Das ist der des Fußballtrainers. Er hat viel Stress und muss immer aufpassen, seinen Job zu behalten." Genau wie er muss der CIO ein Team bilden. Bis alle gut zusammenspielen und sich der Erfolg einstellt, kann es zwei bis drei Jahre dauern. Doch jeder will den schnellen Erfolg: Der Service soll sich verbessern, die Kosten sinken, Innovationen sollen entwickelt werden. McGuckin: "Doch die IT, die braucht halt ihre Zeit."