Schnelle Einsparungen und die Hoffnung, sich des Betriebs der leidigen IT mit einem Schlag zu entledigen, hat die Anwender in der Vergangenheit zu Mega-Outsourcing-Deals verleitet. Mit der Konzentration auf das Kerngeschäft bestimmte oft die Devise "Aus den Augen, aus dem Sinn" das Handeln des Managements. "Viele Unternehmen waren noch nicht reif für das Outsourcing, weil sie ihre Prozesse nicht entsprechend klar abgegrenzt hatten - deshalb waren einige große Outsourcing-Deals in der Vergangenheit nicht erfolgreich", sagt Stephan Scholtissek, Geschäftsführer von Accenture. Die Regel sei das dennoch nicht gewesen: "Das Scheitern einiger großen Verträge hat in der Öffentlichkeit die Tatsache überdeckt, dass die Mehrheit der Outsourcing-Vereinbarungen über lange Laufzeiten sehr erfolgreich liefen."
Erfolgreich oder nicht - Statistiken zeigen einen merklichen Rückgang der Mega-Deals: "Der Trend geht eindeutig in Richtung Multi-Vendor-Strategie", bestätigt HP-Geschäftsführer Edgar Aschenbrenner. Dabei hätten sowohl Dienstleister als auch Kunden in den vergangenen Jahren viel Erfahrung im Outsourcing-Geschäft gesammelt: Früher galten Nachverhandlungen während der Vertragslaufzeit als Signal für eine Schieflage. Heute wird die regelmäßige Anpassung von vornherein festgelegt. Und dabei geht es nicht nur um "gefühlte" Veränderungen.
Auch der Preis ist nicht mehr in Stein gemeißelt. "Heute sind flexible Verträge üblich, bei denen Nachverhandlungen schon bei Beginn eingeplant werden", sagt Christian Hildebrandt, Leiter des Geschäftsbereichs Strategisches Outsourcing bei IBM Deutschland. Seine "Leitplanken" sollen etwa 80 Prozent der Dienstleistungen festlegen, aber genug Raum für Anpassungen und kurzfristige Anforderungen des Kunden lassen. "Wenn ein Vertrag schon nach wenigen Monaten an neue Erfordernisse angepasst wird, ist das ein gutes Zeichen, weil der Vertrag gelebt wird."
Abschied vom Festpreis
"Auch in sehr langfristigen Verträgen gibt es heute keine wirklichen Festpreise mehr", bestätigt Axel Knobe, Leiter des Bereichs Sales & Service Management von T-Systems Enterprise Services. "Der tatsächliche Preis hängt innerhalb eines festgesteckten Rahmens in Abhängigkeit von den in Anspruch genommenen Leistungen ab." Und auch Christoph Schmidt, Mitglied der Geschäftsleitung bei EDS, sieht eine veränderte Vertragspraxis: "Früher war das Vertrauen in die Vorausschau der nächsten zehn Jahre viel größer. Heute unterliegen solche Verträge permanenten Veränderungen." Ein langfristiger Vertrag verlange zwar nach wie vor ein "Basis-Commitment" beider Seiten, das dann während der Laufzeit auf partnerschaftlicher Basis mit Leben erfüllt werden müsse.
Die großen Anbieter verstehen sich nach wie vor als Full-Service-Provider, die bei langlaufenden Vereinbarungen auch Personal und Assets übernehmen. Der Druck der Anwender zwingt sie aber zu einem Spagat: Wenn sie in allen Segmenten im Geschäft bleiben wollen, müssen sie auf der einen Seite ihre Komplett-Outsourcing-Angebote flexibler machen, auf der anderen Seite ihr Leistungsportfolio in standardisierte Teilleistungen schneiden, die sie als separate Services feilbieten können. Verkäuflich sind sowohl komplette Prozesse als auch standardisierte, kleinteilige Service-Leistungen bis hin zu Commodities.
So bietet T-Systems, Marktführer im deutschen Outsourcing-Geschäft, eine komplette Palette standardisierter und kleinteiliger IT- und TK-Dienstleistungen an: "Von der Zahnarztpraxis bis zum multinationalen Konzern liefern wir die passenden IT-Services", sagt Knobe von T-Systems. Und auch HP hat reagiert: "Zwar ist ein Großteil unseres Geschäfts Komplett-Outsourcing. Wir sehen aber den Trend zu selektiven Deals und haben deshalb die standardisierten Services stark ausgebaut."
Alternative: "Innovationspartner"
Doch nicht alle Anbieter sehen ihr Glück im Dreiklang - Outsourcing, Prozesse und kleinteilige IT-Services - und wollen sich nicht auf den Preiskampf im unteren Segment des Dienstleistungsgeschäfts einlassen: "Wir schwimmen nicht im Strom der vielen Commodity-Anbieter mit." Was nicht heißt, dass er ausschließlich Komplett-Outsourcing-Vereinbarungen eingeht: "Wir haben intern hochstandardisierte Prozesse, die wir auch einzeln und nutzungsabhängig (result-driven) anbieten." Es müsse sich aber um Dienstleistungen handeln, bei denen der Kunde von den Stärken CSCs profitiere: "Wir verstehen uns als Innovationspartner. Unser Know-how liegt im Bereich der höherwertigen Dienstleistungen, wo wir unsere Branchen-Expertise in enger Kooperation mit dem Kunden einbringen können."
Auf die Veränderung in der Nachfrage nach IT-Beratung und -Services hat eine Reihe von Anbietern mit neuen Leistungsprofilen reagiert. Sie bieten einen kunden- und projektspezifischen Mix aus Management- und IT-Beratung, Realisierung, Outsourcing und Business Process Management (BPM) beziehungsweiseBusiness Process Outsourcing (BPO) an. Die letzte Outsourcing-Studie des Beraters Thomas Lünendonk von 2006 heißt deshalb: "Der Markt für Business Innovation/ Transformation Partner in Deutschland". So wie andere Marktkenner prognostiziert er darin einen zunehmenden Umsatz in Deutschland. Hier steckt der Markt für BPO und BPM im Vergleich zu den USA oder England noch in den Kinderschuhen.
Outsourcing wächst weiter
Der Lünendonk-Studie zufolge wollen mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen künftig die Leistungen eines externen Dienstleisters in Anspruch nehmen oder die bestehende Zusammenarbeit ausweiten. Nach der Kostenreduzierung, die nach wie vor als wichtigster Grund für das Auslagern von IT-Leistungen genannt wird, folgen "Effizienzsteigerung/Erhöhung der Unternehmens-Performance" und das "Profitieren vom Know-how des Dienstleisters/Know-how-Transfer" (siehe Diagramm). Für BPO und BPM heißt das: Hier wissen sich die großen Anbieter nach wie vor unter sich. "Die Unternehmen, die in der Lage sind, solche Dienstleistungen mit Global Delivery und vernünftiger Qualität anzubieten, lassen sich an zwei Händen abzählen", sagt Accenture-Geschäftsführer Scholtissek.
Die globale Präsenz rettet die Großen, nachdem ihre Rolle als Single-Service-Provider nicht mehr gefragt ist. Sie können dieselben Prozesse mehrfach verkaufen und den Kunden State-of-the-Art verkaufen. "Auf der Anbieterseite ergeben sich echte Skaleneffekte, die über reine Lohn-Arbitrage hinausgehen", sagt der Accenture-Geschäftsführer. Zudem böten solche Outsourcing-Vereinbarungen viel weniger Konfliktpotenzial, weil es nicht mehr darum gehe, eine Vielzahl SLAs zu vereinbaren und zu überwachen: "Es gibt dann nur noch eine Schnittstelle zwischen Kunden und Dienstleister - das ist sehr einfach zu kontrollieren."
T-Systems strebt 25 Prozent BPO an
Auch T-Systems, das zurzeit mehr als die Hälfte seines Umsatzes mit Infrastruktur-Dienstleistungen erwirtschaftet, versucht sich zunehmend als Business Innovation/ Transformation Partner zu positionieren: "In den nächsten Jahren wollen wir 25 Prozent unseres Umsatzes mit BPO machen - dabei aber das Geschäft mit kleinteiligeren Services nicht vernachlässigen", sagt Knobe von T-Systems.
Auch wenn die Übernahme kleinerer Teilbereiche in den seltensten Fällen der angestrebten Rolle des Innovationspartners entspricht, bedeutet sie doch den Einstieg bei einem neuen Kunden. Folgt man der Lünendonk-Studie, dann ist das eine viel versprechende Strategie. Denn an zweiter Stelle der Auswahlkriterien für externe Dienstleister liegen nach den "nachgewiesenen Referenzen und Erfahrungen" die eigenen Erfahrungen mit dem Anbieter. Und diese Erfahrungen kann der Kunde eben nur dann sammeln, wenn der Dienstleister im Hause vertreten ist.