"Wir können es probieren, aber ich sitze im Zug." Wer oft Bahn fährt, kennt die Warnung, die - so oder so ähnlich - dort geführten Telefonaten häufig vorangestellt wird. Nicht unwahrscheinlich schließlich, dass das gerade begonnene Gespräch nach wenigen Sekunden wieder unterbrochen wird. Zu lückenhaft ist nach wie vor der Mobilfunkempfang auf der Schiene.
"Selbst auf Hauptstrecken ist die Funkversorgung noch nicht optimal", sagt Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender beim Fahrgastverband Pro Bahn. Als Grund dafür verweist die Deutsche Bahn stets auf die Infrastruktur entlang der Strecke: "Ohne ein gutes und flächendeckendes Netz entlang der Bahnstrecken ist in den Zügen kein guter Mobilfunkempfang möglich", teilt die Bahn mit. Und für den Ausbau des Netzes sind die drei Mobilfunkbetreiber Telekom, Vodafone und Telefónica verantwortlich.
Mobilfunk-Betreiber schaffen den Ausbau wieder nicht
Eigentlich sollten bis Ende vergangenen Jahres zumindest sämtliche ICE-Strecken in Deutschland mit schnellem Mobilfunk, also LTE, versorgt sein. So hatte es die Bundesnetzagentur vorgeschrieben. Doch die Betreiber mussten schließlich einräumen, dieses Ziel nicht rechtzeitig zu erreichen. Die Telekom kam immerhin auf eine Netzabdeckung von 96,4 Prozent, Vodafone auf 95 Prozent. Telefónica-Kunden haben auf lediglich rund 80 Prozent der ICE-Strecken guten Empfang.
Fragt man die Unternehmen, sind sie jedoch nicht alleine schuld daran, dass das mobile Surfen und Telefonieren oft so schlecht funktioniert. "Scheiben in ICE verschlechtern den Empfang massiv und sorgen so dafür, dass zum Beispiel von 300 MBit pro Sekunde, die direkt am Gleis außerhalb des Zuges erreicht werden können, nur 30 im ICE ankommen", sagt ein Vodafone-Sprecher. Auch die Telekom und Telefónica sind sich einig: Fensterscheiben können den Empfang negativ beeinflussen.
Dünne Metallschicht auf Fenstern der Züge
Dass tatsächlich viele Bahnfenster den Empfang schlecht durchlassen, ist kein Zufall: Sie sind so isoliert, dass die Züge nicht überhitzen. "Diese Fenster sind mit einer dünnen Metallschicht versehen, die Sonnenstrahlung fernhält", erläutert die Bahn - und räumt ein: "Auch Mobilfunkwellen gelangen nur schwer durch die Metallschicht ins Zuginnere."
Damit das Signal trotzdem beim Fahrgast ankommt, setzt die Bahn Signalverstärker - sogenannte Repeater - ein. Dabei werden die Funkwellen an der Außenseite des Zuges mit Antennen aufgefangen, ins Innere übertragen und über die Repeater durch die Waggons geleitet. "Wir haben bereits alle ICE mit Mobilfunkrepeatern ausgestattet", teilt Technik-Vorständin Sabina Jeschke mit. "Jetzt arbeiten wir daran, auch die IC-Flotte technisch aufzurüsten". Für den Pro-Bahn-Ehrenvorsitzenden Naumann ist das schon mal hilfreich. "Man merkt schon den Unterschied, ob man in einem Zug mit Repeatern sitzt, oder in einem alten Zug, der keine hat", sagt er.
Frequenzdurchlässige Scheiben im Test
Dennoch experimentiert die Bahn derzeit mit einer Alternative: frequenzdurchlässige Scheiben. Die wärmeisolierende Metallschicht der Fenster wird dabei mit einem Laser so bearbeitet, dass sie für sämtliche Frequenzen von Funkwellen durchlässig wird. Das hat einige Vorteile: Zum einen sind die Scheiben deutlich weniger wartungsanfällig. Zum anderen sind sie laut Bahn kompatibel mit allen Mobilfunkstandards und müssen nicht um- oder nachgerüstet werden - etwa wenn bald der neue Standard 5G ausgebreitet wird. Mit dem WLAN-Angebot im Fernverkehr der Bahn haben die Fenster nichts zu tun, dieses Signal kommt nach wie vor über Antennen und WLAN-Router zu den Kunden.
Die Tests mit den Fenstern würden unter realen Bedingungen durchgeführt und sollen noch in diesem Jahr abgeschlossen sein, heißt es beim Konzern. "Erste Ergebnisse zeigen, dass es keine Probleme beim Einsatz im Hochgeschwindigkeitsbereich gibt." Einen Zeitplan für den möglichen flächendeckenden Einsatz gibt es demnach noch nicht. Gut vorstellbar aber, dass die Scheiben mittelfristig die Repeater ersetzen.
Schuld bei Mobilfunkbetreibern suchen
Trotzdem gilt: Wo keine Funkmasten stehen, nützen auch die besten Fenster nichts. "Da muss man auch der Politik einen Vorwurf machen", sagt Naumann. Diese habe es versäumt, genügend Druck auf die Mobilfunkbetreiber auszuüben. So hielt sich die Bundesnetzagentur zumindest bislang zurück, was Bußgelder wegen verpasster Fristen angeht.
Oft sind bauliche Hürden verantwortlich dafür, dass der Bau von Antennen an den Schienen besonders hakt. Hierzu sei man nun im Gespräch mit der Bahn, etwa um auch ICE-Tunnel besser zu versorgen, heißt es von Telefónica sowie Vodafone. Bis Ende 2022 müssen laut Netzagentur alle "wichtigen Schienenwege", also ICE- und IC-Strecken mit vielen Fahrgästen, mit mindestens 100 MBit pro Sekunde versorgt sein.
Ende 2024 sollen alle übrigen Schienen zumindest mit 50 MBit pro Sekunde abgedeckt sein. Einige Zeit lang dürften die zaghaft begonnenen, oft nur sehr kurzen Bahn-Telefonate also auf vielen deutschen Schienen noch Alltag bleiben. (dpa/rs)