Hartmut Jaeger, Mitglied der Geschäftsleitung PA Consulting Group, der zusammen mit dem Berater für Personaldienstleistungen Harvey Nash die CIO-Studie 2010 erstellt hat, fällt ein kritisches Fazit: "CIOs laufen Gefahr, überholte Strategien zu verfolgen und ihre Köpfe in den Sand zu stecken. Eine blinde Durchführung von Kostensenkungen oder nicht mit einem Mehrwert für das Geschäftsmodell des Unternehmens begründbare Investitionen führen dazu, dass die IT ‚nur eine weitere Support-Funktion’ wird. Die klare Chance, den kommerziellen Wert bestmöglich zu demonstrieren, wird so verpasst."
Für die Studie hat Harvey Nash zusammen mit PA Consulting weltweit mehr als 2.600 IT-Verantwortliche befragt. Das Ergebnis zeige, so Harvey Nash-CEO Albert Ellis, dass CIOs weltweit unter dem großen Druck der Auswirkungen einer vorangegangenen Rezession und gleichzeitig vor einer neuen Dekade mit ebenso großen Herausforderungen stünden.
Die schwierigen Zeiten teilten die CIOs in zwei Gruppen, heißt es in der Studie: Die eine Gruppe musste vor kurzem Kostensenkungen realisieren (32 Prozent) und ihr Budget reduzieren (43 Prozent). Die andere Gruppe hat in derselben Zeit ihr IT-Budget vergrößert (28 Prozent) und sucht nun aktiv nach Möglichkeiten für Investitionen, Innovationen und der Übernahme von Konkurrenten (32 Prozent).
Diese Zweiklassengesellschaft stößt aber nicht auf das Wohlwollen der Studienautoren: "Organisationen können nicht einfach nur in eines dieser Lager fallen", heißt es in der Studie. "CIOs müssen die Effizienz verbessern und die Kosten senken, um Budgets für Innovationen und für einen höheren Beitrag zum Unternehmenserfolg klar zu machen. Immerhin 83 Prozent erwarten, "dass die IT Innovationen hervorbringt", aber nur zwei Drittel der Befragten sind dabei tatsächlich erfolgreich.
Es geht nur beides: "Wenn die IT eine Schlüsselrolle bei der Wiederbelebung spielen soll, müssen die CIOs erfolgreiche Innovationen liefern und die operative Effizienz verbessern", fordern Harvey Nash und PA Consulting. "CIOs können nicht länger nur Kosten senken oder Innovationen liefern."
Verständnis des Business bleibt Kernkompetenz
Die Umfrage ergab, dass eine "kommerzielle Rolle des CIO" und weiterer IT-Mitarbeiter hohe Bedeutung haben. Für 90 Prozent der Befragten ist das "Kennen und Verstehen des Business" eine wesentliche Kompetenz ihrer Arbeit. Nur 17 Prozent äußern aber die Überzeugung, dass die IT bereits ins Business integriert ist. Mehr als ein Viertel der CIOs kümmert sich bei ihren Projekten nicht um den Return on Investment (ROI), kann also den messbaren Beitrag zum Unternehmenserfolg nicht beziffern.
In Zukunft, das zeigen die Auskünfte der CIOs, wird sich das ändern: 17 Prozent erwarten, dass der Druck auf die IT innerhalb nur eines Jahres "wahrscheinlich wachsen wird". Mehr als jeder Fünfte (22 Prozent) glaubt, dass die Anforderungen innerhalb der nächsten ein bis drei Jahre steigen werden.
"In einem Markt, wo Kapital und Liquidität die Lebensader einer Organisation sind und wo die Kontrolle der Tätigkeiten aller Abteilungen wahrscheinlich zunehmen wird, ist die Fähigkeit, die Effizienz Ihrer Investitionen zu belegen, absolut vorrangig", kommentiert PA-Vorstand Jaeger.
Die gewachsenen Anforderungen schlagen sich der Umfrage zufolge weltweit nicht unbedingt auch in den Gehältern der IT-Veranwortlichen nieder. Die große Mehrheit der CIOs (60 Prozent) berichten für 2009 von eher frostigen Zeiten in Form eingefrorener Bezüge, zehn Prozent klagen gar über Gehaltseinbußen.
Zwar gebe es zarte Anzeichen für ein Tauwetter in diesem Jahr. Allerdings sind CIOs Realisten: Sie erwarten angesichts der fragilen ökonomischen Situation nur wenig Spielräume nach oben. Im Gegenteil: 59 Prozent der Befragten sprechen sich gar dafür aus, die Gehälter solange zu deckeln, bis sich die Wirtschaft nachhaltig erholt habe. Und bemerkenswerte 72 Prozent nehmen ihr eigenes Gehalt dabei nicht aus, wenn eine Kürzung helfen könnte, die finanzielle Stabilität ihrer Organisation damit zu verbessern.
IT-Gehälter in Deutschland top
Deutsche IT-Leiter können in diesem Zusammenhang eher aufatmen: Im Weltmaßstab zählen ihre und die Gehälter ihrer US-amerikanischen Kollegen zu den höchsten. Auch hier stagnieren die Gehälter; das allerdings auf deutlichem höheren Niveau: Verdienen hier 41 Prozent der Befragten zwischen 150.000 und 200.000 US-Dollar, liegt der Anteil dieser Gehaltsklasse im weltweiten Vergleich nur bei 29 Prozent. Der Anteil der Spitzenverdiener (>200.000 US-Dollar) liegt in Deutschland bei 30 Prozent, weltweit bei nur 19 Prozent.
Vielleicht ist es leichter, den Gürtel auf diesem hohen Niveau enger zu schnallen. Jedenfalls ist bei den deutschen Spitzenverdienern auch der Wille, zum Unternehmenswohl auf Zuwächse zu verzichten, in Deutschland mit 80 Prozent stärker ausgeprägt, als im Rest der Welt (72 Prozent).
Die Antworten der deutschen Interviewpartner ergaben außerdem einen starken Fokus auf eine globale Weltsicht und das internationale Geschäft. Auch das Berichtswesen ist in Deutschland anders als bei den nahen und fernen Nachbarn: So berichten hier 42 Prozent der CIOs direkt an den CEO, während das weltweit nur 29 Prozent so machen. Drei von vier Befragten (72 Prozent) haben zudem einen Platz im Verwaltungsrat ihres Unternehmens, gleich 82 Prozent sehen hier im Unterschied zu nur 64 Prozent weltweit die Bedeutung der CIOs in der strategischen Arbeit ihres Arbeitgebers in den kommenden zwölf Monaten deutlich anwachsen.