Etwa zwei Jahre dürfte es noch dauern bis zum endgültigen Durchbruch von Unified Communications in Deutschland. "Momentan handelt es sich hier noch um echte Pilot-Projekte", sagt Wolfram Funk, Senior Advisor bei der Experton Group. Derzeit liegt der Anteil der Firmen, die vereinheitlichte Kommunikations-Plattformen nutzen, noch deutlich unter fünf Prozent. Bis 2012 sollte er zehn bis 15 Prozent erreichen, erwartet Funk.
Die abwartende Zurückhaltung vieler Firmen ist nach Funks Ansicht durchaus verständlich. Sich Hals über Kopf in ein UC-Projekt zu stürzen, bleibt in diesem jungen Markt-Segment mit hohen Risiken verbunden. Abwägen müssen interessierte Firmen vor allem eine entscheidende Frage: Können sie mit UC tatsächlich ihren Business-Nutzen steigern? Anders als die reinen IP-Telefonie-Vorhaben der vergangenen Jahre sollte UC nämlich nicht allein unter der Prämisse bewertet werden, ob sich damit Kosten senken lassen.
Am Anfang der Analyse ist im Unternehmen zu beantworten, ob hier tatsächlich viel und zu einem guten Teil über weite Distanzen kommuniziert wird. In Firmen mit diversen über den Globus verteilten Standorten mindert UC gewiss etliche Reibungsverluste. "Beim E-Mail-Verkehr beispielsweise zwischen den Vereinigten Staaten und Dubai schleichen sich schon aus kulturellen Gründen schnell Missverständnisse ein", so Funk. "Über im UC-Paket enthaltene Video-Konferenzen lässt sich das gut glätten."
ERP, CRM und Contact Center verbinden
Zu den Geschäftsprozessen, die sich mit Hilfe von UC optimieren lassen, zählt der Experton-Analyst auch den Umgang mit Kunden. Beispielsweise können Bestellmöglichkeiten verbessert werden. Auch für das Kommunikations-Management in Call-Centern ergeben UC-Plattformen Sinn. Prädestiniert für eine Vorreiter-Rolle in diesem Bereich sind deshalb Branchen wie Handel, Banken und Versicherungen. Gleiches gilt für andere Firmen mit einem hohen Anteil an Mitarbeitern, die im Außendienst tätig sind oder mobil arbeiten, und solchen mit vielen Filialen.
Dieser Zusammenhang verdeutlicht ein zentrales Merkmal von UC: Diese Kommunikations-Plattformen lassen sich an andere firmeninterne Systeme wie Customer Relationship Management (CRM), Contact Center (CC) oder Enterprise Resource Planning (ERP) anschließen. "UC ist eben nicht wie häufig angenommen lediglich ein anderer Begriff für Unified Messaging", erläutert Wolfram Funk. "Hinzu kommt als zusätzlicher Mehrwert die Verknüpfung etwa mit CRM oder ERP." Somit erscheint UC also für Unternehmen besonders attraktiv, die bereits über solche Systeme verfügen. Sie gewinnen durch UC-Lösungen zusätzliche Flexibilität.
Fachabteilungen überzeugen und für Akzeptanz werben
UC ermöglicht also geschmeidigere Kommunikations-Abläufe in den verschiedensten Bereichen und schleift kulturell bedingte Reibungsverluste ab. Die Effekte sind nicht immer in harten Zahlen zu messen. "Leider lässt sich der Effizienz-Gewinn jenseits reiner Kostenaspekte schwer quantifizieren", so Funk. "CIOs sind dazu gezwungen, sowohl qualitativ als auch quantitativ zu argumentieren."
Experton empfiehlt deshalb dringend, bei UC-Projekten die Fachabteilungen frühzeitig mit ins Boot zu holen. "Schließlich profitieren letztlich vor allem die Nutzer", sagt Wolfram Funk. Weil der Umgang mit UC mit einem hohen Aufwand an Schulungen einhergehen kann, sind Überzeugungsarbeit und das Werben um Akzeptanz von Beginn an unerlässlich. Und der Business-Nutzen lässt sich ohne Einschätzungen aus den Abteilungen kaum ermitteln.
Als weiteres Best-Practice-Element nennt Experton eine Planung über den kurzfristigen Horizont hinaus. Das beginnt schon mit der Wahl eines Anbieters. „Die Technologie ist inzwischen zwar weitgehend ausgereift, aber die Anbieter-Landschaft formiert sich immer noch", so Wolfram Funk. Neben den bekannten Namen großer Konzerne spielen im Markt noch eine Reihe kleiner, junger und spezialisierter Anbieter mit. Eine Markt-Bereinigung hat bereits begonnen, eine Konzentrationswelle erwartet Experton in zwei bis drei Jahren.
Für die Anwender bedeutet das: Sie sollten sich gut überlegen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ihr auserkorener Anbieter in einigen Jahren noch auf dem Markt ist. Und welche Folgen es für die Unternehmens-IT haben könnte, wenn ein kleiner Anbieter womöglich in Bälde aufgekauft wird.
Generell sollte ein UC-Projekt durchdacht werden von der jetzigen Ausgangslage - etwa den im Unternehmen eingesetzten Telefon-Anlagen - bis hin zu den mittelfristigen Folgen der eigenen Geschäfts-Strategie. Abzuklopfen ist dabei, inwieweit die Kommunikations-Infrastruktur erweiterbar sein muss. Hinterfragen sollten die Firmen bei dieser Gelegenheit, ob sie mit ihrem derzeitigen Telefon-Anbieter in Richtung UC gehen wollen, mit einem Software-Hersteller oder mit einem spezialisierten System-Integrator.
Letztere agieren derzeit lediglich bei 25 bis 30 Prozent der Firmen als Primär-Kontakt für UC-Projekte. "Der Anteil wird wegen der Komplexität von UC und mit der wachsenden Markt-Penetration gewiss steigen", meint Experton-Analyst Funk.