Wie ein traditionelles Unternehmen der Stahlindustrie sich mit Startup-Erfahrungen neu erfindet. Darüber berichteten Klöckner Group CIO Michael Hilzinger zusammen mit Innovations-GmbH-Geschäftsführer Christian Dyk auf den IT-Strategietagen 2017.
Das Startup jagt die Mutter. Das ist das Ziel von Michael Hilzinger, CIO der altehrwürdigen KlöcknerAG in Duisburg. Zusammen mit kloeckner.i Geschäftsführer Christian Dyck krempelt er das Unternehmen um. Das hat eine längere Vorgeschichte, sagt Moderator Horst Ellermann. Denn was ist das bessere Verfahren, umInnovation ins Unternehmen zu bekommen? Von den Mitarbeitern? Das ist zwar langsam, aber nachhaltig. Kann aber so nicht funktionieren, weil sie disruptive Verhältnisse nicht sehen, sagen die anderen.
Vor allem aber braucht man das Top-Management dazu. "Wir haben Glück", sagt CIO Hilzinger. "Unser Vorstandsvorsitzender hat sich das auf die Fahnen geschrieben."
Digitale Transformation ist auch ein Thema für die traditionelle Industrie, im Fall von Klöckner ein Unternehmen mit 250-jähriger Geschichte. Insgesamt 9.200 Mitarbeiter in 140 Ländern an 200 Standorten. Klöckner produziert nichts selbst. Das Unternehmen kauft und verkauft Stahl und macht damit 6,4 Milliarden Euro Umsatz. Im Jahr 2014 hat der Stahlhändler ein Startup in Berlin gegründet.
Das, was in Berlin entsteht, muss aber wieder auch in den Konzern integriert werden. Geschäftsführer Christian Dyk von der kloeckner.i GmbH sagt: "Der Stahlhandel, so wie er bisher betrieben wurde, funktioniert immer noch wie vor 30 Jahren. Die Bestellungen kamen immer per Fax. SAP ist zwar das Herzstück, alles ist aber sehr bauchgesteuert. Data Analytics ist noch nicht so weit."
Die Digitalisierung bei Klöckner sei keine reine Erweiterung des Toolsets des Unternehmens, sondern eine komplette digitale Transformation, die jeden im Unternehmen erreichen müsse.
CIO Hilzinger: "Die Wertschöpfungskette beim Stahlhandel ist höchst intransparent und ineffizient." Stahlwerke produzieren Stahl in großen Mengen, in diesen Mengen kaufe ihn aber keiner. Kloeckner kauft den Stahl, teilt ihn in kleinere Einheiten und verkauft ihn an die Kunden weiter. Es gebe zwar auch große Kunden, etwa in der Automobilindustrie, generell sei der Markt aber sehr kleinteilig. Dazu komme: Die Produzenten kennen den Markt oft nicht. Hilzinger: "Da müssen wir angreifen. Wir sind global tätig. Die anderen sind meistens sehr klein."
Radikal anders machen
Dyck: "Wir wollen eine Plattform schaffen, auf der wir alle Mitspieler zusammenbringen und damit die Nische transparent machen, bevor es andere tun."
Klöckner wolle eine Vertikalintegration der Dienstleister schaffen mit offenen Schnittstellen und das System für andere Distributoren öffnen. Hilzinger: "So können wir neue Erlösmodelle schaffen, die über den reinen Handel von Stahl hinausgehen."
"Uber yourself before you get Kodaked"
Anfang 2014 hat Klöckner noch eine Startup-Rallye gemacht und das Fundament gelegt für die kloeckner.i GmbH. Wo man früher mit Lastenheft und Pflichtenheft gearbeitet hat und nach drei Jahren mit dem Produkt fertig war, und sich die Welt inzwischen geändert hatte, da macht die neue Klöckner nun gleich das Produkt.
Auf kloeckner.destehen inzwischen eine ganze Reihe von Produkten, die sukzessive weiterentwickelt werden. Dyck: "Wir haben auch schon vonScrum gehört, man muss aber die Leute mitnehmen."
CIO Hilzinger: "Es geht eben auch immer um Change Management. Wir haben extrem viel Kommunikation. In Berlin gibt es Design Thinker und andere Prozess-Arbeitsweisen, das ist schon ein kultureller Unterschied." Trotzdem könne man die Tools von Berlin ins Unternehmen nach Duisburg bringen. Wie ein Virus würde die Transformation von Berlin aus eingeleitet. Hilzinger weiter: "Das Startup darf kein Elfenbeinturm sein."
Und so lautet das Motto des Berliner Startups: Lieber schnell scheitern, dafür kostengünstig. Dyck: "Wir arbeiten in Berlin komplett in der Cloud. Wir hosten bei Azure und Amazon, wir sind da sehr flexibel, unabhängig und lean. Hilzinger weiß: "Ohne die Cloud ginge das gar nicht."
Neu ist nun ein Onlineshop mit Preisen und Lieferzeiten für B2B-Kunden. "Das gab es bisher im Stahlhandel nicht", sagt Dyck. Alles, was bisher mit Zetteln passierte, sei jetzt digital. "Digitale Transformation ist keine Option. Sonst verschwinden wir vom Markt", sagt Hilzinger.
Hamburger IT-Strategietage Umfrage "It's all about speed"
"It's all about speed" Für die Hamburger IT-Strategietage 2017 hat das CIO-Magazin Manager gefragt, was sie über das Motto "It's all about speed" denken. Was steht in Sachen digitale Transformation ganz oben auf der Agenda?
Ralf Gernhold, Miles & More Der CIO von Miles & More, Ralf Gernhold, stellt eine Gegenthese auf: "Digital Transformation: It’s all about Speed? It’s all about Culture!"
Roger Kehl, Festo Festo-CIO Roger Kehl nennt zwei Stichworte: "Erstens Cloud first – Umbau der bestehenden IT-Landschaft in eine hoch skalierbare, flexible und schnelle IT-Infrastruktur. Und zweitens Big Data & Analytics Plattformen für real time Datenanalyse, Machine Learning et cetera – wichtig für Produktion oder unsere eigenen Produkte (IoT) und die neuen Geschäftsmodelle."
Martin Niemer, VMware Martin Niemer, Europa-Marketingleiter bei VMware, erklärt: "In einer Studie, die letztes Jahr veröffentlicht wurde, gaben fast die Hälfte der knapp 4.000 weltweit befragten Entscheider an, dass sie nicht sagen könnten, wie es um ihr Business in drei Jahren aussieht. Um den schnellen Veränderungen begegnen zu können, gilt es, die IT sowohl auf der technischen wie organisatorischen Seite dafür vorzubereiten, so dass sie auf die sich schnell verändernden Anforderungen reagieren kann."
Martin Wibbe, Atos Senior Vice President & COO bei Atos Martin Wibbe sagt: „Mit unseren Kunden entwickeln wir gemeinsam neue Umsatzmöglichkeiten durch neue Geschäftsideen, ermöglicht durch neuste Technologie! Wir unterstützenmit unserem Netzwerk und unseren Erfahrungen und Methoden! Wichtig ist zu sehen wo die Digitale Transformation am ehesten Werte schafft für die Unternehmen, sowohl kurzfristig als auch mittelfristig. Dabei gibt es keinen Standard! Es braucht nur Mut! “
Matthias Spott, Kaskilo CEO der Kaskilo AG ist Matthias Spott. Für ihn heißt Speed, "schnellstmöglich die Raumfahrt nicht mehr nur als Selbstzweck, sondern als Enabler für die Digitalisierung all unserer Industrien zu positionieren. Früher war Raumfahrt zumeist staatlich getrieben, teuer und langwierig. Heute wird Raumfahrt zunehmend kosteneffiziente, zielgerichtete und leistungsfähige Infrastrukturen bereitstellen, die wir für alle Arten von Anwendungen und Dienstleistungen nutzen werden."
Daniel Hartert, Bayer Bayer-CIO Daniel Hartert bringt es schnell auf den Punkt: "It’s all about value creation for the consumer / customer."
Jochen Fauser, Deloitte Jochen Fauser, Partner Technology Strategy & Architecture bei Deloitte, sagt: "Für eine erfolgreiche digitale Transformation muss schnellstmöglich die Integration von Kernsystemen vorangetrieben werden, um dem Kunden tiefgehend nutzenbringende Funktionalitäten zur Verfügung zu stellen – und nicht nur auf grafisches Begeisterungsmoment zu setzen."
Matthias Frühauf, Veeam Matthias Frühauf ist Regional Presales Manager CEMEA bei Veeam Software. Er sagt: "Im Rahmen der digitalen Transformation werden immer mehr Businessmodelle durch Servicedienstleistungen ergänzt oder abgelöst. Die Fehlertoleranz auf Seiten der Kunden – oder besser gesagt: User – ist gleich Null: Services müssen 24x7 zur Verfügung stehen… und das 365 Tage im Jahr. Ein gut strukturiertes Hochverfügbarkeitskonzept mit minimalen Ausfallzeiten ist deshalb essentiell für den Erfolg."
Michael Hilzinger, Klöckner Auf der Agenda von Michael Hilzinger, Managing Director bei Klöckner, stehen vier Punkte: "Erstens Bau einer skalierbaren Plattform für digitales Geschäft, zweitens insbesondere Digitalisierung der Kommunikationskanäle und des Datenflusses Richtung Kunden und auch Richtung Supplier sowie drittens vertikale, digitale Tiefenintegration mit Systeme von Kunden und viertens Öffnung der Plattform für Dritte."
Heiko Packwitz, Lufthansa Industry Solutions Heiko Packwitz, Chief Marketing & Communications Officer bei Lufthansa Industry Solutions, sagt: "Unsere Aufgabe ist es an allererster Stelle, unsere Kunden in die Lage zu versetzen, mit dem rasanten Tempo des Wandels umzugehen. Dabei müssen unsere Berater die richtigen Technologien und Methoden der digitalen Transformation zum passenden Zeitpunkt sicher beherrschen. Labs und eine strategische Entwicklung der Mitarbeiterkompetenzen sind hier wichtige Maßnahmen."
Burkhard Kaufmann, Bitmarck Bitmarck-Geschäftsführer Burkhard Kaufmann sagt: "Auf der Prioritätenliste ganz oben steht die Ausrichtung der Organisation und des Mindsets der Mitarbeiter. Ohne das Verständnis für die Notwendigkeit der massiven Veränderungen und die Bereitschaft sich auf diese einzulassen und diese aktiv zu gestalten, wird keine digitale Transformation gelingen."
Lumir Boureanu, Eurodata Für Lumir Boureanu, Geschäftsführer von Eurodata, bedeutet Speed: "Weg zum Nischendenken, hin zur Vernetzung! Eigene Kompetenzen in digital Value umsetzen."
Oliver Blüher, Dropbox Oliver Blüher, Country Manager DACH & Nordics bei Dropbox, sagt: "Der Mitarbeiter – in dem ganzen Hype um Plattformen, verbundene Geräte, selbststeuernde Fahrzeuge und Geräte wird der Mensch gerne vergessen. Es wird eine gewaltige Herausforderung sein, den Menschen auf diesem Weg des Wandels mitzunehmen."
Thomas Fischer, All for one Steeb Thomas Fischer, Digital Strategist und Managing Director bei All for one Steeb, erklärt: "Frei nach Bill Clinton: It’s the unternehmenskultur, stupid! Ob man es Speed, Agilität oder Innovationsfähigkeit nennt – Sie werden hier nichts wirklich bewegen, wenn Ihr Unternehmen von starrer Hierarchie und Sicherheitsfokussierung bestimmt wird."