Der Nebel hat sich gelichtet, doch manches bleibt unklar. Dieses Bild vom Markt für Cloud Computing zeichnet die Experton Group in ihrem neuen Cloud Vendor Benchmark. Die Studie vergleicht 58 Anbieter von Cloud-Technologien und Services.
Für CIOs halten Steve Janata und Carlo Velten zunächst eine frohe Botschaft bereit: Der Markt ist innerhalb nur eines Jahres deutlich reifer geworden, die Qualität der Angebote gestiegen. Vier Monate lang wühlten sich die beiden Experton-Analysten durch Produktunterlagen und Blogs, befragten Hersteller nach Standorten ihrer Rechenzentren und den unterstützten Programmiersprachen, testeten selbst Cloud-Angebote. Von anfangs mehr als 100 Anbietern nahmen sie in die ausführliche Wertung letztlich 58 auf, die sie als relevant für den deutschen Markt identifizierten.
Deutsche Unterlagen und Euro-Preise
Dass sich die Angebotslandschaft entwickelt hat, macht Velten zum einen an der gestiegenen Anzahl von relevanten Herstellern fest. Voriges Jahr seien es erst elf gewesen. Außerdem habe sich die Palette der Angebote ausdifferenziert: Was Anbieter noch vor kurzem pauschal mit dem Etikett "Cloud" versehen hätten, sei jetzt klarer unterscheidbar - Public oder Private Cloud sowie Plattform, Infrastruktur oder Software als Services. "Man sieht, dass Hersteller sich stärker zu dem bekennen, was sie wirklich machen", sagte Velten bei der Vorstellung der Studie in München. "Power-Point-Clouds", in denen Anbieter bloß vollmundige Versprechungen für die Zukunft ablieferten, gebe es kaum noch.
Dass Unschärfen in der Definition, was denn eigentlich Cloud Computing sei, verschwunden seien, habe sicherlich mit dem öffentlichen Druck durch Analysten und Medien zu tun, meinte Janata. Und er hat weitere handfeste Verbesserungen für Anwender festgestellt: Die Anbieter hätten mittlerweile durchgehend auch deutsche Produktunterlagen und zeichneten ihre Preise in Euro aus. Hürden wie die, dass der Kunde alte Daten schwer in eine neu für ihn bereitgestellte Cloud-Landschaft übertragen könne, hätten sie beseitigt.
Aber es bleiben eben auch dunkle Flecken. Janata bemängelte in erster Linie fehlende Transparenz. "Wenn Anbieter uns oder die Anwender schon nicht in die Rechenzentren hineinlassen, sollten sie zumindest glaubwürdige Kommunikationsstrategien aufbauen", sagte er. Als schlechtes Beispiel führte er das Vorgehen von Amazon an: Nach dem Ausfall seiner Elastic Cloud 2 hatte sich das Unternehmen zunächst mehrere Tage in Schweigen gehüllt.
Cloud-Anbieter tun zu wenig für Compliance und Datenschutz
Janata attestierte Cloud-Anbietern auch bei Compliance und Datenschutz Nachholbedarf. Außerdem kritisierte er, dass viele noch keine Rechenzentren in Deutschland und Europa unterhielten. "Viele warten, bis in diesen Regionen ausreichende Workloads da sind - das ist dann ein Henne-Ei-Problem", so der Analyst. Denn solange örtliche Rechenzentren fehlten, halte sich auch mancher potenzielle Kunde zurück.
Was zu einem weiteren Problem führt: Cloud-Anbietern in Deutschland fehlen noch inländische Referenzen. Janata: "Kein deutscher Mittelständler kauft aufgrund einer Referenz eines kanadischen Minenbau-Unternehmens."
Was die eigentliche Anbieterwertung angeht, warnte Andreas Zilch, Vorstand der Experton Group, vor eindimensionalen Betrachtungen. "Es gibt nicht den besten Anbieter, schon gar nicht weltweit", sagte er. Der ohne Sponsoring erstellte Vendor Benchmark sei als Entscheidungshilfe für IT-Verantwortliche gedacht. Das beste Cloud-Angebot lasse sich allerdings am besten in Verbindung der Studienergebnisse mit einem Beratungs-Workshop finden - natürlich will die Experton Group bei dem Thema ihre Beratungsleistung an den Mann bringen.
Die Analysten bewerteten Anbieter nach rund 100 Kriterien auf den Ebenen Portfolio-Attraktivität und Wettbewerbsstärke. Zum einen untersuchten sie 30 Anbieter von Cloud Services, also Infrastruktur-, Plattform- oder Software-Diensten. Die meisten Anbieter in diesem Feld seien etablierte Häuser: Dell, Google, HP, IBM oder T-Systems zählen dazu. Alles in allem seien die Angebote der Hersteller sehr gut auf den Mittelstand zugeschnitten - der sie dennoch weiterhin zögerlich annehme.
Microsoft ist dem Benchmark zufolge führend bei Cloud Services für den Mittelstand - insgesamt sowie auf beiden Achsen des Anbieter-Quadranten von Experton. Die Redmonder hätten das attraktivste Angebot für den Mittelstand. In punkto Wettbewerbsstärke deutlich hinter Microsoft, was die Portfolio-Attraktivität angeht nur leicht dahinter liegt SAP. Angenehm fiel den Analysten hier der integrierte Ansatz auf: Mit der Verbindung aus ERP und CRM könnten Mittelständler einen Großteil ihrer Prozesse abbilden.
IBM, HP und Pironet führend für Mittelständler
Ebenfalls im Feld der "Leaders", die sich insgesamt durch ein attraktives Angebot und eine starke Wettbewerbsposition auszeichnen, hat die Experton Group IBM platziert. Der Anbieter habe sein Angebot an Cloud-Services zuletzt deutlich erweitert. Der selbst als mittelständisches Unternehmen auftretende Anbieter Pironet mit Hauptsitz in Köln überzeugte bei der Untersuchung mit einem komplett auf Firmen dieser Größenklasse zugeschnittenen Portfolio. Pironet liegt bei der Attraktivität seines Angebots für Mittelständler auf einer Ebene mit HP, letztere sind allerdings deutlich wettbewerbsstärker.
Besonderes Augenmerk bei Cloud Services widmeten Velten und Janata SaaS-Angeboten für CRM. Hintergrund: Programme für diese Aufgabe sind eine der Anwendungen, die Firmen am häufigsten als Software aus der Wolke nutzen. Vorne liegt hier insgesamt Salesforce - Pionier auf diesem Markt. Mit deutlich weniger attraktivem Portfolio, aber geringfügig höherer Wettbewerbsstärke hat die Experton Group auch Microsoft im Leaders-Quadrant dieser Kategorie platziert. Microsoft bietet seit Jahresbeginn "Dynamics CRM Online" als CRM aus der Wolke an. Auf beiden Wertungsachsen weiter hinten, aber noch immer als Leader eingestuft steht SAP mit seinem SaaS-CRM als Teil von "BusinessByDesign".
Die Studienautoren vermuten, dass sich der Markt für SaaS-CRM auf die führenden zwei bis drei Hersteller konzentrieren werde. Mit Netsuite, Oracle, Myfactory, Sage und Lexware wurden zwar weitere Anbieter bewertet. Doch sie alle liegen deutlich abgeschlagen hinter der führenden Dreiergruppe.
Neben Cloud-Service-Anbietern schauten sich Velten und Janata auch Hersteller von Cloud Technology an. Darunter subsumieren sie Angebote für Cloud Management, Cloud Middleware und die Cloud-Infrastruktur, also zugrunde liegende Hardware wie Server oder Rechenzentrums-Ausstattung. Beim Cloud Management liegt VMware weit vor allen anderen an der Spitze und erzielt auch bei den insgesamt bei Attraktivität und Wettbewerbsstärke erreichbaren Punkten sehr gute Werte. Die "vCloudProductFamily" bietet laut Experton Group das breiteste Cloud-Management-Produktportfolio und setzt außerdem den derzeitigen Standard, was die Integration der einzelnen Module und deren technologische Reife angehe.
Als Leaders für Cloud Management gehen aus dem Vendor Benchmark außerdem Microsoft, IBM und HP hervor; außerdem Novell, Visionapp und die GBS AG. Die Experton-Studie lässt vermuten, dass auf dem Markt für Cloud Management Bewegung zu erwarten ist. Neben den genannten Anbietern listet der Quadrant 13 weitere auf, darunter mehrere Startups. Sie liegen vor allem bei der Wettbewerbsstärke hinter den größeren zurück, erreichen auf der Skala der Portfolio-Attraktivität allerdings im Vergleich dazu teils gute Werte. "In diesem Markt tut sich viel", so Carlo Velten.
Kleine Neulinge bewegen Markt für Cloud Management
Besonders hervor sticht Fluidops, die Fluid Operations AG. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Walldorf und wird durch Venture Capital finanziert. Nach Bewertung der Experton Group bietet das Startup mit der Version 3.5 seines "eCloudManager" eine der technologisch am meisten versprechenden Plattformen für Cloud Management.
Laut dem Vendor Benchmark liegt das Angebot von Fluidops in seiner Attraktivität für Anwender nur wenig hinter VMware und beispielsweise vor Microsoft - bei allerdings deutlich geringerer Wettbewerbsstärke.
Trotz der genannten Schwachstellen, die die Angebote vieler Cloud-Anbieter noch haben, gaben die Studienautoren CIOs mit auf den Weg, sich weniger zögerlich in Richtung Wolke zu bewegen. Statt Cloud-Projekte langwierig zu planen, sollten sie lieber zügig anfangen, zunächst unkritische Workloads per Cloud Computing zu verarbeiten. "Der deutsche Ingenieur-Ansatz, zu erwarten, dass alles zu hundert Prozent funktionieren muss, bevor man es einsetzt, ist kein gangbarer Weg", sagte Janata.