Bei den Managementberatern erlebte die Informationstechnologie in diesem Jahr immerhin einen literarischen Aufschwung. So widmete McKinsey dem Thema eine ganze Ausgabe seines Kundenmagazins "McK Wissen", um die "strategische Waffe IT" ins unternehmerische Bewusstsein zu rücken. Derweil kommt das Geschäft für die IT-Consultants tatsächlich auf Touren. So meldete Cap Gemini im zweiten Quartal 2004 ein Umsatzplus von weltweit zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr, EDS (inklusive AT Kearney) von drei, CSC von fünf, IBM von sieben, und Accenture erzielte sogar einen Anstieg von 13 Prozent. Auch in Deutschland ist die Talsohle augenscheinlich durchschritten.
Viele IT-Berater hoffen bereits wieder auf rosige Zeiten, wie eine Studie des Marktforschungsinstitutes Lünendonk zeigt. Demnach rechnet ein Drittel von ihnen in den kommenden fünf Jahren mit jährlichen Umsatzzuwächsen von mehr als fünf Prozent.
Dietmar Fink, Professor für Unternehmensberatung an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg, warnt allerdings vor allzu großer Euphorie. Langfristig werde die Branche nicht mehr an die in der Vergangenheit erzielten Steigerungen anknüpfen. "Der Beratermarkt", schreibt Fink, "wäre der erste in der Geschichte, der von der Reifephase wieder in die Wachstumsphase zurückkehren würde."
Der Kampf um den Kunden hält an
Auch in dieser Branche bleibt der Kunde damit König. Das lange Warten vor überbuchten Beraterbüros gehört der Vergangenheit an. Stattdessen legen sich die Consultants nun kräftig ins Zeug, um Unternehmen an ihre Pforten zu locken.
Dazu schnüren vor allem die Großen der Branche ihre Service-Pakete neu. Durch die Übernahme von Managementberatungen wie Price Waterhouse Coopers durch IBM oder Ernst & Young durch Cap Gemini sprengen die IT-Dienstleister die klassischen Grenzen zwischen Beratung, Realisierung und Betrieb. Die Schwergewichte Accenture, Cap Gemini, Gedas und IBM haben sogar eine Studie bei Lünendonk in Auftrag gegeben, um die Chancen eines ganzheitlichen IT-Services in Deutschland auszuloten. "Bei der Auswahl ihrer Dienstleister", weiß Geschäftsführer Thomas Lünendonk, "legen die Führungskräfte in Unternehmen höchsten Wert auf Flexibilität in der Zusammenarbeit, nachgewiesene Referenzen und die Reputation des Anbieters." Damit dem guten Ruf ein klangvoller Name vorausgeht, haben sich viele IT-Consultants viel versprechend in "Business Innovation & Transformation Partners" umbenannt.
Doch allein an der Verpackung zu basteln genügt nicht. Günter Köster, IT-Direktor beim Aluminiumhersteller Corus-Group, stört sich nach wie vor am fehlenden Kundenbezug. "Da haben die Beratungshäuser nichts dazugelernt." Erst jüngst sah der Manager seine Kritik im Zuge einer SAP-Ausschreibung bestätigt. Mehrere Beratungsfirmen hatte er zu Gesprächen geladen, doch statt konkreter, auf sein Unternehmen zugeschnittener Problemlösungen erhielt er lediglich "farbige Standardpräsentationen aus der Schublade".
Vorsicht ist angebracht
Dennoch schlägt sich die gestärkte Verhandlungsposition der Kunden auch in konkreten Ergebnissen nieder. Endlich öffnen sich Berater neuen Geschäftsmodellen. Vorbei sind die Zeiten, als sie Verträge nur auf einer auf "Time & Material" basierenden Vergütung akzeptierten. Über alternative Modalitäten lassen die Consultants inzwischen mit sich reden. Stephan Scholtissek, Deutschland-Chef von Accenture, beobachtet eine klare Tendenz zu fixen Honoraren. "Noch hält sich die Vergütung auf Zeit- und Festpreisbasis die Waage", sagt er, "aber es ist absehbar, dass bald 80 bis 90 Prozent der Auftragswerte pauschal abgerechnet werden."
Dennoch: Auch in puncto Vergütung empfiehlt es sich, vorsichtig zu bleiben. Günter Köster mag sich selbst über die Tatsache, dass sich die Tagessätze in den vergangenen zwei Jahren annähernd halbiert haben, kaum noch freuen. Unter dem "Kannibalismus", der in der Beraterbranche herrsche, leide mittlerweile auch deren Glaubwürdigkeit. "An einem guten Geschäft müssen beide Seiten verdienen", betont er. "Viele Angebote, was Leistung und Qualität anbetrifft, machen mich daher inzwischen misstrauisch."
Verhandlungen am CIO vorbei
Misstrauisch sollte CIOs nach Meinung von Pascal Matzke, Director Consultant bei der Meta Group, auch die zunehmende Vertikalisierung innerhalb der Beraterbranche machen. Denn im Zuge der Verschmelzung von IT- und Managementberatung droht den IT-Entscheidern die Marginalisierung. Matzkes Argumentation: Viele IT-Dienstleister zielen immer weniger auf die Querschnittsbereiche ihrer Kunden, sondern versuchen ihre Dienstleistungen am CIO vorbei direkt in die Geschäftsbereiche zu verkaufen. Die aus der Managementberatung bekannten Industry Practices auch in der IT-Beratung zu etablieren führt dazu, vor allem Entscheidungsträger der Business Units durch persönliche Kontakte für sich zu gewinnen. Pionier sei auch hier Big Blue. "Bei IBM", sagt Matzke, "wird inzwischen ein Großteil der Produkte über vertikale Kanäle verkauft."
Parallel dazu umgarnen die Beratungshäuser ihre Kunden, indem sie die Kommunikation zur Chefsache erklären. EDS beispielsweise preist sein "Service Excellence Dashboard" an. Mit Hilfe eines webbasierten Werkzeugs soll verhindert werden, dass Projekte aufgrund zu langer Dienst- und Informationswege im Desaster enden. Kritische Fälle werden automatisch eskaliert. Zur Not bis zum CEO Michael Jordan, verspricht das Unternehmen auf seiner Website.
Die Beratersparte von Big Blue hingegen knüpft inzwischen ihre Netze in bester McKinsey-Tradition. Die Top-Unternehmensberatung ist bekannt dafür, dass sie ihre Mitarbeiter bevorzugt in die Vorstandsetagen deutscher Großkonzerne entlässt, wo sie als Kunden das McKinsey-Wohl weiter mehren. Post-Chef Klaus Zumwinkel gehört zu dieser Alumni-Riege ebenso wie BMW-Boss Helmut Panke oder Opel-Mann Carl-Peter Forster. IBM beherrscht dieses Spiel inzwischen auch. Schon 1998 wechselte Hermann-Josef Lamberti, damals Geschäftsführer von IBM Deutschland, als ITVorstand zur Deutschen Bank. Sein Nachfolger Walter Raizner zieht nun nach. Er wird Chef der Festnetzsparte der Deutschen Telekom.