Klein und bescheiden steht sie da: Nur durch eine Rasenzunge vom Klotz des Einzelhandelsgiganten Wal-Mart getrennt, wirkt die Aldi-Filiale in West Haven im US-Bundesstaat Connecticut wie eine Einkaufsstätte aus einer fremden, längst vergangenen Welt.
Schmucklos sachlich gehalten, eben aldilike, fällt auch das innere Erscheinungsbild gegenüber dem Shopping-Palast von Wal-Mart deutlich ab. Die Ware ruht in Kartons, teilweise auf Paletten platziert, so wie angeliefert. Schmale Gänge, wenige Kassen, kaum Markenartikel - ganz und gar ungewohnt für die amerikanische Kundschaft.
Wie eine Kampfansage hat der deutsche Discounter seinen Laden unmittelbar neben das Selbstbedienungswarenhaus des Handelsweltmarktführers gesetzt. Die Aldi-Filiale ist die eintausendste auf US-Territorium - ihr provokanter Standort allerdings kein Einzelfall. Immer schön die Nähe von Wal-Mart suchen, so lautet die Taktik. Denn die alten Kunden von Wal-Mart, hoffen die Angreifer, sind die neuen Kunden von Aldi.
Die Rezession spielt dem Billiganbieter in die Hände. "Mehr denn je suchen Verbraucher nach Möglichkeiten, bei ihren Ausgaben für Lebensmittel zu sparen", sagte Aldis US-Präsident Jason Hart im März 2009 anlässlich der Eröffnung der Jubiläumsfiliale in West Haven. "Und Aldi", ließ er wissen, "ist die Antwort."
Dieser Artikel erscheint mit freundlicher Genehmigung von manager-magazin.de.
Die Deutschen sind mit ihren Eigenmarken rund 20 Prozent preiswerter als Wal-Mart und rund ein Drittel billiger als traditionelle Supermärkte. Immer mehr der seit jeher auf Markenartikel fixierten Amerikaner greifen anstatt zu Pepsi oder Coke zur Aldi-Cola mit dem mysteriösen Label "GT".
Knapp sieben Milliarden Dollar erlöste Aldi im vergangenen Jahr in den USA. Das ist für den gewaltigen Markt zwar noch eine bescheidene Summe, doch der Discounter wächst schnell - zuletzt um mehr als 20 Prozent per annum. Statt 30 Läden wie im Schnitt der früheren Jahre wurden 2008 gleich 100 neue Stores aufgemacht.
Filialen weltweit in 20 Ländern
Die Expansion in den USA ist Teil eines globalen Feldzugs. Immer weiter dehnt der deutsche Handelsriese sein Absatzgebiet ins Ausland aus. Kein anderer Discounter betreibt weltweit so viele Filialen, keiner setzt so viel um wie Aldi. Das Unternehmen ist auf drei Kontinenten vertreten, in Europa, in den USA und in Australien - insgesamt in 20 Ländern. Aldi hat inzwischen mehr Geschäfte jenseits (4745) als diesseits (4267) der deutschen Grenzen, nimmt im Ausland 26 Milliarden Euro ein, gegenüber 24 Milliarden daheim.
Schon vor mehr als 40 Jahren zog es Aldi in die Ferne, lange Zeit verlief die Internationalisierung aber recht gemächlich. Erst vor Kurzem forcierten die Handelsmänner das Tempo. Allein zwischen 2005 und 2008 eröffneten sie etwa 1000 Filialen im Ausland, sei es in Slowenien, Ungarn oder Portugal.
In den kommenden Jahren werden die Deutschen die Gangart noch verschärfen. Tausende von Läden sind geplant. In Großbritannien will Aldi die Zahl der Shops von derzeit 450 auf 1500 erhöhen; in Griechenland, wo erst im Herbst 2008 gestartet wurde, sollen es 400 werden, 500 in Ungarn und 1000 in Polen.
Ehrgeizige Vorhaben. Doch der Billiganbieter ist nicht nur Treiber. Er ist auch selbst getrieben - quasi dazu gezwungen, sein Glück im Ausland zu suchen. Wenn Aldi weiterhin beste Lieferkonditionen von der Industrie bekommen will, muss die unglaubliche Wachstumsstory weitergehen. Auch die zunehmenden Personal- und Energiekosten, die Aldi nicht auf die Kunden abwälzen will, erfordern Umsatzsteigerungen. Sonst würde die Gesamtrendite schrumpfen.
Discounter lange komkurrenzlos
Zu Hause sind die Expansionsmöglichkeiten begrenzt. "Was Aldi exzellent beherrscht, nämlich ein einfaches, sehr konsequentes Geschäftsmodell auszurollen und zu multiplizieren, funktioniert im Inland nicht mehr", sagt Sirko Siemssen von der Beratungsfirma Oliver Wyman. Der Discounter ist in Deutschland bereits flächendeckend präsent, jede Neueröffnung nimmt bestehenden Läden Umsatz weg. Zudem steigt der Druck von Wettbewerbern wie Lidl, Netto und Penny.
Angreifer musste Aldi nicht von Anfang an abwehren. Als die beiden Krämersöhne Theo (heute 87) und Karl Albrecht (89) 1962 ihrer bescheiden dimensionierten Supermarktkette den ersten Albrecht-Discount (Al-Di) in Dortmund hinzufügten, kreierten sie eine Weltinnovation. Lange hatten sie eine Alleinstellung, die Konkurrenz nahm sie nicht ernst.
Das neue Konzept war simpel: Beschränkung des Sortiments auf ein paar hundert Artikel, keine Markenprodukte, stattdessen Eigenmarken mit guter Qualität, niedrige Preise, schlichte Verpackung, karge Läden, keinerlei Marketing. Mit ihren Aldi-Märkten revolutionierten die Brüder den deutschen Einzelhandel.
Allerdings marschierten sie von Anfang an getrennt. Sie hatten sich darüber zerstritten, ob sie Zigaretten ins Sortiment aufnehmen sollten. Als Folge des Disputs teilten sie ihr Hoheitsgebiet auf: Karl verantwortete den Süden, Theo den Norden. Die Demarkationslinie verläuft quer durch Nordrhein-Westfalen und Hessen; die neuen Bundesländer wurden später dem Norden zugeschlagen.
Trotz der Spaltung gibt es bis heute wichtige Gemeinsamkeiten: Die deutschen Aldi-Einkäufer ordern im Wesentlichen bei denselben Lieferanten, und sie gleichen Konditionen und Preise miteinander ab. Da hilft es, dass die Hauptverwaltungen nur wenige Kilometer auseinanderliegen; die des Nordens in Essen, die des Südens in Mülheim an der Ruhr.
Dort, mitten im Pott, fiel der Startschuss für die Globalisierung. Aldi Süd machte 1968 den Anfang. Karl Albrecht kaufte die österreichische Kette Hofer, die unter diesem Namen die Aldi-Ideale in der Alpenrepublik lebt. Bruder Theo wartete fünf Jahre, bevor er sich in die Ferne wagte - sogar ganz weit weg, in die USA. Damals, Mitte der 70er Jahre, steckte das Land in der Rezession, der Dollar-Kurs war niedrig.
Aldi-Globalisierung begann in den USA
Theo Albrecht sondierte den Aufbau einer Aldi-Organisation in Texas, schaltete sogar Headhunter ein - bis ihn der Mut verließ. Lieber beteiligte er sich an verschiedenen amerikanischen Handelsfirmen. 1979 übernahm er schließlich den Filialisten Trader Joe's und baute ihn zu einem Delikatessen-Discounter aus, der mittlerweile über 300 Läden in den USA betreibt und hochprofitabel ist.
Karl blieb derweil nicht untätig. Er wollte dem Bruder den Markt nicht allein überlassen und kaufte 1976 die Kette Benner Tea of Iowa - die Keimzelle für die inzwischen auf über 1000 Shops angewachsene US-Kette von Aldi Süd.
Das rivalisierende Vorgehen der Geschwister zeigt, dass es unter ihnen keine konkreten Absprachen für die weltweite Ausbreitung gab. Dieter Brandes, einst im Verwaltungsrat von Aldi Nord: "Das geht bis heute nach dem Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst."
Auch wenn kein Masterplan existiert, entbehrt das Vorgehen der beiden Aldi-Zentralen nicht vollends der Logik. Weil Karl Albrecht nun schon einmal die Marke in den USA etabliert hatte, ging Aldi Süd auch in andere Länder des englischen Sprachraums, nach Großbritannien, Irland und Australien. Zudem steuert der Süden über seinen Hofer-Leitstand nahe Linz die Erschließung Südosteuropas. Aldi Nord wiederum machte sich erst in die Niederlande auf und dann nach Belgien, Frankreich und auf die iberische Halbinsel.
Aldi-Umsatzverluste in Dänemark
Den Eintritt in ein neues Land bereitet Aldi weder mit Marktstudien vor, noch sucht man die Hilfe externer Berater. Alles wird mit Bordmitteln gemacht, und es darf nicht zu viel kosten. Anders als beim hoch verschuldeten Konkurrenten Lidl wird prinzipiell aus dem Cashflow investiert. Kredite nimmt Aldi nur auf, um kurzfristigen Spitzenbedarf zu decken.
Ist ein Zielland auserkoren, erledigt einer der 66 Regionalgeschäftsführer (31 im Süden, 35 im Norden) die Aufbaumission neben seinem Job zu Hause. Das Aldi-Prinzip soll eins zu eins ins Ausland übertragen werden. "Modernes Klonen" nennt das ein früherer Nord-Manager.
Dieter Brandes erinnert sich an die 70er Jahre, als er noch Chef einer Aldi-Regionalgesellschaft in Schleswig-Holstein war. Irgendwie kam das Thema Dänemark auf, und ein Verwaltungsrat sagte ihm: "Schau dich doch dort mal um." Das Ergebnis der Nordlandfahrt: schwierig, aber machbar. Also scharte Brandes ein Team um sich, das die Infrastruktur aufbaute und die ersten Läden eröffnete.
Es tauchten dann aber doch größere Probleme auf als zunächst erkennbar. Die Dänen waren nicht so leicht zu bewegen, bei einem ausländischen Anbieter zu kaufen. Folglich schrieb Aldi Nord im Nachbarland lange Zeit Verluste, mehrfach wurde das Management ausgewechselt.
Auch andere Märkte schätzte Aldi falsch ein. In Großbritannien zum Beispiel suchten sich die Kundschafter der Süd-Zentrale Standorte in sehr armen, von Kriminalität geprägten Gegenden aus. Die Läden mussten von Sicherheitsleuten bewacht werden; die zum Schutz vor Einbrüchen angebrachten Metallrollläden wiesen bald Einschusslöcher auf; den Aldi-Bezirksleitern wurden die Reifen ihrer Autos zerstochen.
"Die Filialen hatten den Ruf von Poor Man's Stores, die bürgerliche Klientel weigerte sich, dort einzukaufen", sagt Handelsexperte Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Erst als Aldi nach gut einem Jahrzehnt die Strategie änderte und in bessere Stadtteile umzog, gewann der Discounter auch die Mittelschicht als Kunden.
Unterschiedliche Philosophien bei Aldi Nord und Aldi-Süd
Egal, ob Aldi Nord in Dänemark auf Hindernisse stößt oder Aldi Süd in England Fehler macht - keine der beiden Organisationen mag ein Scheitern eingestehen. Die Aldi-Leute harren aus, bis sie ein Engagement zu einem guten Ende geführt haben. In Dänemark wie in Großbritannien laufen die Geschäfte heute profitabel.
Stur sind die Aldianer auch, wenn es darum geht, deutsche Einkaufssitten international zu verbreiten. So muss sich das US-Management immer noch einiges einfallen lassen, um die Kunden davon zu überzeugen, zehn Cent für eine Tüte zu bezahlen und ihre Waren selbst einzupacken. Zudem irritiert es viele Käufer, dass sie eine Viertel-Dollar-Münze in den Einkaufswagen stecken müssen. "How a quarter saves you dollars", erklären Schilder den Zusammenhang zwischen dem Verzicht auf Personal, das die Wagen auf dem Parkplatz einsammelt, und den günstigen Preisen.
So konsequent, wie die Brüder mit ihrer gemeinsamen Marke die Welt erobern, so unterschiedlich haben sich die Philosophien der beiden Unternehmensteile entwickelt. Seit der Spaltung entfernt sich Aldi Süd immer weiter von der reinen Lehre des Harddiscounters, die da lautet: niedrigste Preise, geringste Kosten, schlichteste Präsentation.
Die Manager im Süden preschten mit Innovationen wie automatischen Türen und Scannerkassen vor, und sie investierten in helle, moderne Läden mit vielen Parkplätzen vor der Tür. Der Norden hingegen weicht nur behutsam von der Ursprungsidee ab - und auch nur dann, wenn sich die Experimente des Südens als erfolgreich erweisen. In der nördlichen Aldi-Sphäre liegen noch immer viele Geschäfte wie in der Urzeit des Discounts in Innen- und Vorstädten; sie gleichen oft finsteren Höhlen, in denen der einzige Lichtblick die Preise sind.
Die unterschiedlichen Auffassungen über Lage und Ausstattung der Läden zeigen sich auch bei den Auslandsengagements. Deutsche Kunden von Aldi Süd bekommen in ihrem Spanien-Urlaub häufig einen Schock, wenn sie eine der vom Norden geführten und dementsprechend schäbigen Aldi-Filialen betreten.
Sparparadies oder Feinkostfiliale?
Anders in der Schweiz, die zum Territorium des Südens gehört. 2005 wurden hier die ersten Läden eröffnet. Sie gehören zu den edelsten im Aldi-Reich. Die Südler wissen, dass sie bei den Eidgenossen mit Harddiscount nichts werden können. Wenn Aldi Nord versucht hätte, die Schweiz zu erschließen, hätte es ein Fiasko gegeben, lästert ein Manager des Südens.
Sie ziehen nur allzu gern übereinander her, die Spitzenkräfte der beiden Aldi-Welten. Die im Süden klagen über die steinzeitlichen Zustände jenseits des Aldi-Äquators. Dort werde ein Einkaufswagen erst erneuert, wenn die vierte Rolle abgerostet sei, ätzen sie.
Tatsächlich handeln die Traditionalisten im Norden nach dem Motto: Bloß nicht zu viel Geld in schöne Läden stecken - das könnte die Kunden auf die Idee bringen, dass sie zu hohe Preise bezahlen. Folge dieses Gebarens: Bei Aldi Nord gibt es einen deutlichen Investitionsstau. Nicht wenige Südler befürchten, dass Theo sein Reich kaputtspart und damit auf Dauer der gemeinsamen Marke schadet.
Die Nordstaatler ihrerseits bezichtigen die Kollegen im Süden, sie wollten aus Aldi einen Feinkost-Filialisten machen - einen schlimmeren Sündenfall kann sich ein strenggläubiger Harddiscounter kaum vorstellen.
Welches der Konzepte das ertragreichere ist, bleibt verborgen. Beide Gruppen kommunizieren nur das Nötigste. Aldi Süd, das lässt sich immerhin aus den Pflichtveröffentlichungen der 31 Regionalgesellschaften errechnen, verdient vor Steuern in Deutschland zwischen 5 und 6 Prozent vom Umsatz. Aldi Nord weist hingegen mit seinen 35 Inlandsniederlassungen nur knapp 3 Prozent aus.
Gebrüder Albrecht: Sparsam und bescheiden
Allerdings rechnet sich der Norden planmäßig arm. Eine Kaffeerösterei und die Immobilien gehören, anders als im Süden, der Familie und nicht der Firma. Über Abgabepreise und Mieten lässt sich die Rendite trefflich steuern.
Egal, welche Zahlen die Gebrüder Albrecht auch ausweisen: Die beiden reichsten Deutschen geben sich äußerst sparsam und bescheiden. Die Knauserei geht manchmal bis hin zum Skurrilen. So benutzt Theo Albrecht noch heute privates Briefpapier mit der vor 16 Jahren abgeschafften vierstelligen Postleitzahl. Fein säuberlich wird mit Bleistift die alte 4300 von Essen durchgestrichen und durch die fünfstellige Zahl ersetzt.
Zwar kommt Theo Albrecht seit einiger Zeit nicht mehr ins Büro, doch in der Nord-Zentrale läuft nach wie vor alles in seinem Sinn. Garant dafür, dass vom Tugendpfad des Harddiscounts nicht abgewichen wird, ist der 64-jährige Hartmuth Wiesemann. Theos Ziehsohn, der mit 14 Jahren als Lehrling bei Aldi begann, ist formal nur einer von fünf Verwaltungsräten, aber der eigentlich starke Mann. Operative Entscheidungen trifft er in der Regel allein. Nur Struktur- und Strategiefragen diskutiert er mit seinen Ratskollegen.
Bis sich das oberste Leitungsgremium allerdings zu Entscheidungen durchringt, können mitunter Jahre vergehen. So wird seit längerer Zeit darüber debattiert, den Zuschnitt der Führung an das gewachsene Auslandsgeschäft anzupassen. Das macht schon mehr als die Hälfte des Umsatzes aus, wird aber noch immer von Wiesemann und Verwaltungsratsmitglied Werner Vettern nebenher betreut. Bislang verliefen die Diskussionsrunden ergebnislos. Vermutlich wird es so ausgehen wie meist: Man schaut erst einmal, was die Schwesterfirma tut.
Welt erobern Stück für Stück
Tatsächlich waren die Manager im Süden, wo Karl Albrecht die Verantwortung längst abgegeben hat, wieder einmal schneller. Das oberste operative Gremium, der bis vor Kurzem aus dem Duo Norbert Podschlapp und Jürgen Kroll bestehende Koordinierungsrat, hat Anfang 2008 eine internationale Einkaufsorganisation gegründet. Sie kümmert sich auch um die Verwaltung und die Informationstechnik der Auslandsfilialen.
In den Koordinierungsrat ist inzwischen Armin Burger, der seit geraumer Zeit die internationale Expansion von Aldi Süd vorantreibt, als drittes Mitglied eingezogen. Burger wurde damit für gute Arbeit in der Vergangenheit belohnt: Die österreichische Hofer-Gruppe, die er lange Zeit leitete, wirft hohe Gewinne ab.
Die Spitzenkräfte im Süden entscheiden rascher als ihre Kollegen im Norden, sie sind mutiger - und sie passen sich flexibler fremden Kulturen an. Die Chefs der Auslandstöchter haben relativ großen Spielraum. Sie dürfen Interviews geben; die US-Organisation warb sogar mit einer TV-Kampagne, und sie bildet den eigenen Führungsnachwuchs aus. In den Nordterritorien wäre all das undenkbar.
Auch wenn Aldi Süd und Nord derzeit mit ihren Auslandsumsätzen gleichauf liegen (2008 jeweils 13 Milliarden Euro), so scheint doch Karl Albrecht das zukunftsträchtigere Discountmodell entwickelt zu haben. Das zeigt der wirtschaftliche Erfolg: Fast alle Landesgesellschaften von Aldi Süd - darunter die großen Ketten in den USA, Großbritannien und Australien - schreiben schwarze Zahlen.
Der Norden, berichtet ein Aldi-Manager, verdiene ebenfalls im Ausland Geld. Aber einige Dependancen stecken in Schwierigkeiten. Spanien und Portugal machen Verluste. In Frankreich, wo sich die umsatzstärkste Niederlassung von Aldi Nord befindet, ist Spätstarter Lidl an dem Konkurrenten vorbeigezogen.
Weiteres Ungemach könnte in Polen drohen. Beim Markteintritt 2008 traf Aldi auf einen großen Wettbewerber namens Biedronka. Der betreibt inzwischen über 1350 Filialen und wehrt sich mit allen Kräften gegen den Eindringling. Biedronka hat das Harddiscount-Modell haargenau abgekupfert und wurde dabei vom ehemaligen Aldi-Nord-Verwaltungsrat Brandes beraten.
Der wiederum, ein begeisterter Anhänger der Aldi-Idee, sieht im Nachbarland durchaus Chancen für die angepeilten 1000 Läden der Deutschen: "In Polen leben so viele Menschen, da ist Platz genug." Und er fügt hinzu: "Die Aldi-Leute haben enorme Erfahrung. Warum sollten sie ausgerechnet in Polen scheitern?"
Die Konkurrenz interessiert Aldi nicht
Ja, warum eigentlich? Wo die Konkurrenz steht, hat die Albrecht-Brüder nie besonders interessiert. Sie gingen stets ihren eigenen Weg. "Das hat ein bisschen etwas Autistisches", sagt Discount-Experte Matthias Queck vom Marktforschungsunternehmen Planet Retail.
Es wirkt zwar manches handgestrickt, Rückschläge werden auch künftig nicht vermeidbar sein, und es wird immer eine Weile dauern, bis sich der Norden gegenüber Neuerungen öffnet. Dennoch hat Aldi kaum zu übertreffende Vorteile: Gute Qualität zu niedrigen Preisen ist ein unwiderstehliches Verkaufsargument. Die Kriegskassen sind üppig gefüllt. Und mit der alditypischen Langmut lassen sich auch kostspielige Anlaufphasen durchstehen, zumal die beiden Familienfirmen niemandem Rechenschaft ablegen müssen. Letztlich ist der deutsche Kultdiscounter nicht aufzuhalten. Stück für Stück erobert Aldi die Welt.