CIO des Jahres 2016

Die IT-Strategie vom FC Bayern München und von Hoyer

23.11.2016 von Christiane Pütter
Der FC Bayern und Hoyer. Ein weltweit bekannter Fußballclub und ein Unternehmen, das Flüssigstoffe transportiert. Ein CIO, der um die Herzen von Fans kreist – und einer, der die Produktivität steigern will. Eindrücke vom "CIO des Jahres" 2016.
  • Hoyer-CIO Peter Jürging arbeitet B2B und braucht keine schicken Buzzwords
  • FC Bayern-CIO Michael Fichtner will an die Herzen und Daten von mehreren hunderttausend Fans
  • Jürging identifiziert "Digital Champions" unter den Anwendern, Fichtner "Key User"
  • Fachkräftemangel kennt Jürging schon, Fichtner weniger
Auf dem Pre-Event zum CIO des Jahres 2016 stellten sich FC Bayern-CIO Michael Fichtner (2.v.l.) und Hoyer-CIO Dr. Peter Jürging (ganz rechts) den Fragen von Moderatorin Inka Schneider und Oliver Bittner (3.v.l.), Accenture.
Foto: Foto Vogt

Auf der Anrichte Schweinemedaillons und Gemüse "vom Viktualienmarkt", an den Wänden Porträts prachtvoller Würdenträger, aus königlichem Hause wohl. Unter den leise murmelnden Business-Managern, die sich an diesem Novembertag im Hotel "Bayerischer Hof" versammeln, fällt ein Mann auf: Er ist sehr groß, sehr schlank, und er spricht norddeutsch. Peter Jürging, Head of Corporate IT beim Logistikunternehmen Hoyer, wird einige Stunden später seine Auszeichnung als Zweitplatzierter "CIO des Jahres" der Großunternehmen entgegennehmen. Auffallen tut er beim Pre-Event aber vor allem mit seinen Thesen: Für Jürging hat Digitalisierung nichts mit Emotionen zu tun.

Die Hamburger Firma Hoyer beliefert zum Beispiel Tankstellen mit Mineralöl und Flughäfen mit Enteisungsmitteln. IT-Chef Jürging weiß, dass in Diskussionen um Digitalisierung schnell Beispiele wie Uber fallen. Doch "B2B kommt mit anderen Dingen", sagt er. Die Güter, die Hoyer transportiert, kann kein privater Autofahrer via Uber Parcel in seinen Kofferraum packen. Auch muss Jürgings Team nicht wie Amazon und Co an der Customer Experience feilen. Er braucht keinerlei Hype, keine schicken Buzzwords.

Jürging geht es um Themen wie Produktivitätssteigerung und Kontrolle der Lieferkette. Mehr als 36.000 Tankcontainer sind für Hoyer unterwegs, das 1946 gegründete Familienunternehmen beschäftigt mehr als 6.000 Mitarbeiter. Diese muss die IT als zuverlässiger Service-Partner unterstützen.

Logistik ist keine Branche mit hohen Margen

Logistik zählt nicht zu den Branchen der hohen Margen. Industrie 4.0 heißt für den CIO deshalb, die Daten von Arbeitern, Fahrzeugen, Ladung und Anlagen weitgehend automatisch zu verarbeiten und alle Komponenten miteinander zu vernetzen. Dadurch kann Hoyer seine Kunden automatisch informieren, sobald ein LKW den "virtuellen Zaun" um die Entladestelle durchfahren hat.

Soweit die Technologie und die strategischen Überlegungen zur Zukunft der IT in dem Familienunternehmen. Doch das ist nur die eine Seite - wie die andere aussieht, illustriert Jürging mit einem Zitat von Peter F. Drucker: "Culture eats strategy for breakfast". In seinem Fall heißt das: Welche Mitarbeiter und Führungskräfte sind bereit für den Umgang mit Advanced Planning Systemen?

Vermutlich die, die schon bei früheren ERP-Einführungen die Nase vorn hatten. Nach diesem Schema identifiziert Jürging Digital Champions, um sie über Hierarchiegrenzen hinweg zu vernetzen. Das ist für ihn ein fortwährender Prozess. "Wir müssen das Potenzial nutzen, das wir haben, um die neue Informationstechnologie optimal nutzen zu können", sagt er ganz sachlich. Seine Erfahrung nach dem Projekt: "Digitalisierung verändert die Kompetenzerwartung an das Management."

Seine Erwartungen an die Zukunft kreisen um Fragen wie: Werden wir 2030 noch Fahrer haben? Wie werden wir unser Kerngeschäft verstehen? Eines aber ist für den Hanseaten klar: "Auch 2030 werden wir noch bewegliche Güter haben!"

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Bewegung ist auch das Stichwort von Michael Fichtner - wenn auch in ganz anderer Hinsicht. Sein Unternehmen bewegt 400.000 Menschen. Mindestens. Denn das sind nur die Mitglieder der autorisierten Fanclubs. Fichtner ist Head of IT beim FC Bayern und hat damit natürlich ein Heimspiel beim Pre-Event vom "CIO des Jahres" in der Isar-Metropole. Er ist Zweitplatzierter in der Kategorie Mittelstand.

FC Bayern konkurriert mit Kinos und Restaurantketten

Rekordmeister, treue Fans, Lobgesänge auf den "Stern des Südens" - warum sollte der FC Bayern etwas verändern? Weil der Verein am Ball bleiben will. Der CIO überrascht das Publikum zunächst einmal mit der Benennung der Konkurrenten seines Unternehmens. Wer nun an den BVB denkt oder auch an den HSV, steht im Abseits. Die Konkurrenz des FC Bayern sind Kinos, Theater, Restaurantketten. Denn was der Verein will, das ist, relevant zu sein für seine Fans. Es geht um die Freizeit der Kunden. Emotionen, Spaß, Aufregung, Fun - alles, was die Menschen in ihrer Freizeit erleben wollen und wofür sie bereit sind, ihr Geld auszugeben.

Der FC Bayern ist weit mehr als "nur" ein Fußballverein.
Foto: mr michaelangelo - shutterstock.com

Fichtners Engagement kreist um Real-time. Ob der Fan in Deutschland lebt, in China oder Kanada - er soll in Echtzeit mitbekommen können, dass Herr Lewandowski soeben das sieben zu Null eingenetzt hat. Denn "in diesem kurzen Zeitfenster erreichen wir unsere Fans am besten", weiß Fichtner. Einen Tag später kaufen dann auch kaum noch Leute das Stürmer-Trikot oder, ganz aktuell, den kleinen Plastik-Nikolaus mit Fußball und Bayern-Logo auf dem Geschenkesack.

Fichtner steht mit diesem Tempo nicht allein. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge weiß: "Die Digitalisierung ist nach dem Fußball ein absolutes Top-Thema für den FC Bayern." Damit ist für den CIO klar, dass der Fan jeden Tag etwas Neues auf der Website des Vereins finden muss.

Rummenigges klare Ansage half, die Digitalisierung in die Fachabteilungen zu tragen. Rund 500 festangestellte Vollzeitkräfte arbeiten für den Verein, zwölf Fachbereiche haben mit der Digitalisierung zu tun. In diesen hat der CIO Key User identifiziert, die als Sprachrohre fungieren. Die Vorteile dürften auch die Sachbearbeiter überzeugen: arbeitete der Verein zunächst mit 52 Systemen, über die sich Kundendaten verstreuten, sind es heute nur noch drei. Fichtner hat SAP CRM als Leitsystem eingeführt. Der FC Bayern hat "Golden Customers" gebildet. Diese und alle anderen Fans und Kunden können 65 Rollen annehmen, etwa als Mitglied, Dauerkarteninhaber oder "Basketball-Interessent", um nicht nur auf Fußball abzustellen. Ihnen allen will der CIO maßgeschneiderte Services anbieten können.

Keine IT-Projekte, sondern Projekte

Dass Fichtners Arbeit nicht nur mit Spaß zu tun hat, zeigt ein Blick ins Münchener Stadion. 75.000 Menschen finden darin Platz. Wie viele davon sind Erwachsene, wie viele Kinder? Welche Wege benutzen sie, wann kommen und gehen sie? Solche Daten braucht Fichtner, um den Fans noch bessere Services, ein noch besseres Erlebnis anbieten zu können. Das "Connected Stadion" bezieht teilweise die Parkplatzsituation mit ein und adressiert damit ein Thema, zu dem Fans viel Kritik äußerten. Eine App liefert Fans nun Daten in Echtzeit.

In der Diskussion auf dem Pre-Event zeigen sich die Parallelen zwischen beiden IT-Entscheidern: Ohne die Mitarbeit der Fachbereiche geht es nicht. Hoyer-CIO Jürging weiß, dass er seine Lieferkette nur kontrollieren kann, wenn die Fachabteilungen um die ungebrochene Datenkette wissen, also bei der Datenpflege keiner mehr nach Silo-Mentalität vorgeht. Und der FC Bayern-CIO kann dank Rummenigges Commitment sagen: "Ich bin rausgekommen aus der Sichtweise, IT-Projekte zu machen. Ich mache Projekte." In einem allerdings unterscheidet sich ihre Arbeit sehr deutlich: Während Jürging mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen hat, kann Fichtner Gelassenheit zeigen: "Wir kriegen viele junge Leute!" Da sage noch einer, Informatiker interessierten sich nicht für Sport.

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