Ralf Werner setzte in der konservativen Energiebranche ein ambitioniertes IT-Transformationsprogramm auf und erzielte dank Agilität sichtbare Erfolge. Dafür zeichnen wir ihn mit dem Titel des CIO des Jahres 2020 in der Kategorie Mittelstand aus.
Die Open Grid Europe (OGE) GmbH, Deutschlands größter Gastransporteur, entwickelte 2018 eine neue Strategie, in der Innovation und Digitalisierung als Hebel für das Erreichen der Unternehmensziele verankert sind. Darauf aufbauend legte die IT unter der Leitung von Ralf Werner strategische Handlungsfelder fest, darunter "neue Technologien verproben und skalieren", "digitale Fähigkeiten steigern" sowie "Produktorganisation aufbauen".
Um sich für die digitale Transformation (dT) richtig aufzustellen, bestellte Werner einen Chief Digital Officer und stellte ein Team mit möglichst unterschiedlichen Skills zusammen. Für mehr digitales Mindset heuerte er zudem Studenten an und suchte Partner im digitalen Ökosystem der Schmiede Zollverein, um von extern Anregungen für agile Werkzeuge und Methoden zu erhalten.
Die Jury sagt:
"Ein tolles Projekt, das zeigt, dass man mit agilen Ansätzen und nachweisbaren Erfolgen schrittweise vorwärts kommen kann, auch in einer konservativen Branche."
Die Vorgehensweise war wie folgt: In Ein-Jahres-Zyklen, den "digiwellen", sollten selbstorganisierte Produkt-Teams wichtige Kundenprobleme erfassen und versuchen, schnell und agil jeweils zehn Lösungen in Form von MVPs (Minimum Viable Products) zu entwickeln. Ist ein Use Case erfolgreich, wird er über separate Umsetzungsprojekte skaliert, falls nicht, wird er gestoppt.
Bislang ereilte dieses Schicksal aber nur vier von 20 MVPs. Um den Blick der Teams auf ein agiles, ergebnis- und strategieorientiertes Handeln zu lenken, wird nämlich über OKRs (Objective & Key Results) die zwischenzeitliche Zielerreichung der MVPs gemessen. Beispiele dafür sind etwa ein zehn Prozent schnellerer Periodenabschluss im Finance-Bereich mit Robotics, fünf Prozent weniger Energieverbrauch durch KI in der Netzsteuerung oder eine 15 Prozent höhere Kundenzufriedenheit dank KI-gesteuerter Kundenkonten. Außerdem wird die Team-Performance anhand von Kennzahlen (KPIs) beurteilt, etwa anhand der Anzahl digitaler Ideen beziehungsweise der umgesetzten und gescheiterten MVPs oder des Feedbacks von Mitarbeitern und Kunden.
Mit dem Einsatz von Augmented Reality (AR) in Pipeline-Bau und Remote Support im technischen Betrieb, Robotics für Finanzprozesse, Chatbots als Einkaufshelfer sowie KI-basierter Kundenbetreuung gibt es etliche MVPs aus den ersten "digiwellen", die beachtliche Ergebnisse bei Kosteneffizienz oder Einsparpotenzialen zu Tage förderten. Zudem haben alle MVPs, die als Projekt weitergeführt werden, einen Return on Invest (RoI) von unter drei Jahren.
Die wichtigsten CIOs der deutschen Energiebranche
Damian Bunyan Damian Bunyan ist seit Januar 2016 CIO der E.ON-Abspaltung Uniper in Düsseldorf. In dem Unternehmen werden die E.ON-Bereiche konventionelle Stromerzeugung, Energiehandel und Exploration & Produktion gebündelt. Von 2006 bis 2013 war Bunyan Mitglied der Geschäftsführung des E.on Business Services.
Sebastian Weber Seit 1. Juli verantwortet Sebastian Weber als CTO bei Eon den IT-Betrieb. Er soll auch die digitalen Plattformen des Konzerns ausbauen. Zudem hat er gemeinsam mit Christopher d'Arcy in einer Doppelspitze die Geschäftsführung der IT-Tochter Eon Digital Technology GmbH übernommen. Beide berichten direkt an Digitalvorständin Victoria Ossadnik.
Martin Hölz Ab 1. April 2020 wird Martin Hölz CIO der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) mit Sitz in Karlsruhe. Er löst Frank Krickel ab, der seit Juni 2017 die Position des Leiter der Funktionaleinheit Informationstechnologie (C-TI) innehatte und das Unternehmen auf eigenen Wunsch verlässt.
Philip Lübcke Philip Lübcke ist seit September 2019 Geschäftsbereichsleiter IT der TEAG Thüringer Energie. Er berichtet an den Vorstand Personal und IT Wolfgang Rampf. Zuvor war Lübcke sechseinhalb Jahre lang CIO der Frankfurter Mainova AG. Insgesamt brint er 15 Jahre Erfahrung aus der Energiebranche mit.
Jan-Wilm Buschkamp Jan-Wilm Buschkamp ist seit August 2019 Bereichsleiter IT der Mainova AG. Seitdem hat das Team um den CIO mit „hybrIT2023“ ein IT-Transformationsprogramm erarbeitet, um den Frankfurter Energieversorger zukunftsfähig zu machen. Ziel des Programms ist es unter anderem, mehr Wert zu generieren, das Unternehmen lean und agil aufzustellen sowie Prozesse end-to-end zu gestalten.
Oliver Herzog Zum 1. September 2023 übernimmt Oliver Herzog den CIO-Posten bei der Thüga. Seine Vorgängerin Annette Suckert scheidet altersbedingt aus dem Unternehmen aus.
Thorsten Steiling Thorsten Steiling ist seit Februar 2019 CIO Oerlikon Group & Managing Director Oerlikon IT Solutions AG. Er berichtet an Boris von Bieberstein, Head of Group Business Services. Zuvor war Steiling von September 2017 bis Januar 2019 CIO/Head of Corporate IT beim Automobilzulieferer Veritas AG in Gelnhausen.
Marcus Schaper Marcus Schaper ist CIO bei der neuen RWE-Tochter Innogy. Er kommt von der Mutter RWE. Er war zuvor Head of IT bei der RWE Supply & Trading. Schaper hat an der WWU Münster Wirtschaftsinformatik studiert und war seit dem Jahr 2000 bei McKinsey. Zu RWE kam er im April 2010. Bis zum Börsengang der neuen RWE-Tochter fungierte Schaper als CIO für beide Konzernteile, seitdem ist er CIO der neuen Tochtergesellschaft. Übergreifende IT-Aufgaben in der RWE AG werden derzeit von Winfried Bröring wahrgenommen.
Jan Leitermann Seit Juni 2017 ist Jan Leitermann Group CIO beim österreichischen Öl- und Erdgaskonzern OMV in Wien. Leitermann war zuvor Managing Director und Board Member beim Beratungsunternehmen Accenture AG Schweiz.
Jürgen Skirde Jürgen Skirde ist CIO der RAG. Gleichzeitig hat er die operativ ausgerichtete Funktion des IT-Leiters inne. Im Konzern arbeitet der Diplom-Ingenieur schon seit 1985 - zunächst zehn Jahre auf Bergwerken, seither im IT-Management. Unter anderem leitete er SAP-Einführungsprojekte, von 2004 bis 2011 war er für die Infrastruktur verantwortlich.
Jan-Hendrik Semkat Seit November 2017 ist Jan-Hendrik Semkat neuer Bereichsleiter Innovations- & IT-Management bei Natgas. Der gebürtige Oldenburger war mehrere Jahre in den Bereichen Softwareentwicklung, Projektmanagement und Beratung in der Energiewirtschaft tätig. Zuletzt war er Geschäftsführer der SIV Utility Services.
Jörg Ochs Jörg Ochs (51) hat am 2. September die Leitung der Informationstechnologie der Stadtwerke München (SWM) übernommen. Er berichtet an den technischen Geschäftsführer der SWM Helge-Uve Braun. Ochs ist bereits seit 2017 Geschäftsführer der SWM Infrastruktur GmbH, der SWM Infrastruktur Region GmbH und der RegioNetzMünchen GmbH. Insgesamt ist er bei der SWM seit 2003 beschäftigt, unter anderem als Senior-Manager IT-Security, Leiter IT-Security und Datacenter/Infrastruktur und als Leiter Telekommunikation bei der SWM Services GmbH.
Michael Seiferth Im Oktober 2021 hat Michael Seiferth die Geschäftsführung der N-Ergie IT übernommen. Vorgänger Klaus Vogl hat das Unternehmen verlassen.
Sebastian Träger Seit April 2024 leitet Sebastian Träger die IT des Energieversorgers Enercity. Er soll unter anderem das ERP-System modernisieren.
Zugleich baute Werner mit der RWTH Aachen und dem Campus Zollverein ein innovatives Ökosystem auf, in dem motivierten OGE-Mitarbeitern anhand von Use Cases Inhalte wie KI, Machine Learning, IoT oder AR vermittelt werden. Mithilfe dieser "Digital Experts" sollen künftig alle Fachbereiche bei OGE in der Lage sein, Probleme von der Ideenfindung bis zum Produkt selbstständig zu lösen.
think big - start small
Natürlich gab es auch Herausforderungen. So war Open Grid Europe als reguliertes Unternehmen der Energiebranche mit konservativen Strukturen, einer auf Sicherheit basierenden Kultur und einem stabilen Geschäftsmodell "nicht unbedingt auf Veränderungen ausgerichtet", wie es der IT-Leiter vorsichtig ausdrückt. Diese Lektion hatten Werner und sein Team bereits 2016 gelernt, als vier große Innovationsprojekte zwar initiiert, dann jedoch kurz nach der Ideenphase eingestellt wurden.
Entsprechend startete man die "digiwellen" unter dem Motto: "think big, start small". Als sich in der ersten Etappe dennoch abzeichnete, dass die MVPs wegen starrer Strukturen bei OGE und den Providern nur langsam umgesetzt wurden, rief der CIO eine Open Development Community ins Leben. Diese setzte fortan als agiles Software-Entwicklungsteam mehr als die Hälfte der MVPs in wenigen Wochen um.
Ein CIO sollte ...
Coach für seine Mitarbeiter sein,
über den Tellerrand hinausdenken,
kommunikativ, neugierig und lernfähig sein,
Mut zur Veränderung …
und trotzdem Spaß an seiner Arbeit haben,
und nicht zuletzt Inspiration für seine Kunden sein.