"Die Starken werden stärker und die Schwachen werden schwächer." Lufthansa-Chef Carsten Spohr gibt sich betont selbstbewusst, wenn es um die Zukunft an Europas Himmel geht. Die Luftverkehrsbranche ist nach den Pleiten von Air Berlin, Monarch, Germania, FlyBMI und anderer Gesellschaften in heftiger Bewegung. Es vergeht kaum ein Tag, an dem der Marktführer Lufthansa nicht gemeinsam mit einem neuen Übernahmekandidaten genannt wird. Zuletzt waren dies Alitalia, Easyjet, Norwegian und am konkretesten die Airlines des Touristikanbieters Thomas Cook mit dem Frankfurter Ferienflieger Condor als besonderem Leckerbissen.
Dass der Dax-Konzern mit dem Kranich-Logo auch nach der holprigen Teilübernahme von Air Berlin noch Hunger verspürt, hat Spohr wiederholt deutlich gemacht. Europas größter Luftverkehrskonzern könne schließlich nicht abseits stehen, wenn sich die Branche weiter konsolidiere, sagt er mit Blick auf das Vorbild USA, wo sich die fünf größten Anbieter 85 Prozent des Geschäfts teilen. Bei Kunden können sie wesentlich höhere Ticketpreise und Margen durchsetzen als ihre Konkurrenten auf der anderen Seite des Atlantiks. In Europa vereinen die fünf größten Anbieter nur 44 Prozent des Geschäfts auf sich.
Etwa drei Milliarden Euro Gewinn
Lufthansa agiert aus einer Position der relativen Stärke, denn 2018 dürfte nach den bisherigen Ankündigungen das dritte Jahr in Folge ein operativer Gewinn von um die 3 Milliarden Euro angefallen sein. Exakte Zahlen will das Unternehmen am Donnerstag (14. März) auf seiner Bilanz-Pressekonferenz in Frankfurt nennen. Gleichzeitig haben die Konkurrenten Air France-KLM und die British-Airways-Mutter IAG eher mit sich selbst und dem bevorstehenden Brexit zu tun.
Im Februar hatte Thomas Cook (TC) sein Airline-Geschäft mit mehreren Gesellschaften und zusammen 103 Flugzeugen ins Schaufenster gestellt und mehrere Investmentbanken mit dem Verkauf betraut. Der Erlös werde für die Digitalisierung und weitere Hotel-Investments benötigt. Umgehend bekundete Lufthansa-Vorstandsmitglied Harry Hohmeister sein Interesse, die Billigtochter Eurowings zu stärken. "Wer uns kauft, kauft kein Problem", wirbt Condor-Chef Ralf Teckentrup und verweist auf stabile Gewinne der TC-Fluggesellschaften in den zurückliegenden Jahren.
Interesse an Condor
Condor - so sehen es immer noch viele in Frankfurt - ist eigentlich Fleisch vom Fleische der Lufthansa. Bei der Gründung der Ferienfluggesellschaft im Jahr 1955 gehörte Lufthansa schon zu den Eignern und übernahm vier Jahre später die komplette Airline, die dank reiselustiger Wirtschaftswunder-Deutscher zwischenzeitlich zur weltgrößten Ferienfluggesellschaft wurde. 1997 brachte Lufthansa die Tochter in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem späteren Thomas-Cook-Konzern ein, bei dem die Airline schließlich vor zehn Jahren komplett landete.
Umgehend meldete Lufthansa also ihr Interesse am Langstreckengeschäft von Condor aus Deutschland an, das möglicherweise in die Touristik-Tochter Eurowings eingegliedert werden könnte. Schließlich sitzen in den Übersee-Maschinen von Condor aus Frankfurt, München oder Düsseldorf jedes Jahr Tausende Passagiere, die zuvor mit Lufthansa-Fliegern zum Umsteigen gekommen sind. "Die Condor-Langstrecke kann man eigentlich nicht gegen uns betreiben", sagt ein hochrangiger Lufthanseat. Dass der Konzern so oder so Ernst macht mit der Eurowings-Langstrecke, belegt die für den Herbst geplante Stationierung von sieben großen Airbus-Maschinen an den Lufthansa-Drehkreuzen Frankfurt und München.
Ob Lufthansa auch für die TC-Gesellschaften in Großbritannien, Skandinavien und Mallorca bietet, ist ebenso unklar wie das Schicksal der Kurz- und Mittelstreckenflotte der Condor. Ryanair hat schon offenes Interesse für die Europaflotte gezeigt. Eine Zerschlagung der TC-Airlines und möglicherweise auch von Condor würde damit wahrscheinlicher. Bereits im Zuge der Air-Berlin-Pleite hatte die Europäische Wettbewerbsbehörde klar gemacht, dass sie die Marktmacht von Lufthansa in Kerneuropa für bedenklich hält. In der Folge landeten wesentliche Teile der insolventen Airline bei den Billigfliegern Ryanair und Easyjet. (dpa/rs)