Jeder der über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von MaibornWolff hat ein jährliches Bildungsbudget in Höhe seines Monatsgehalts. Da mit Ausbruch der Coronapandemie im Frühjahr keine Präsenzformate mehr möglich waren, musste sich der IT-Dienstleister viel einfallen lassen, um sein Bildungsangebot aufrecht zu erhalten.
Achtsamkeitstrainings leben von der Begegnung
"Zu Beginn des Lockdowns haben wir alle unsere Trainerinnen und Trainer angerufen und zusammen überlegt, wie beziehungsweise ob wir die einzelnen Trainings sinnvoll ins Virtuelle überführen können" erinnert sich Franziska Schleuter, die bei MaibornWolff das Leadership Program leitet. "Bei einigen Angeboten, etwa Angewandte Achtsamkeit für Führungskräfte war das nicht möglich, da sich die Teilnehmenden untereinander kennen und begegnen müssen." Dafür sind neue Angebote dazu gekommen, etwa fünf Sessions zu Homeoffice und virtueller Zusammenarbeit, an denen bis zu 90 Kolleginnen und Kollegen pro Session teilnahmen.
Geschäftsführer Volker Maiborn begreift es schon seit Längerem als eine seiner wichtigsten Aufgaben, das Thema Lernen neu zu denken. Sein Ziel: Wirksam lernen und die gewonnenen Einsichten in den Job einfließen beziehungsweise ihren Nutzen am Projektalltag messen. Dieses Lernverständnis hat ebenso geholfen wie die Tatsache, dass jeder schon über die nötige IT-Ausstattung verfügte, um mobil zu arbeiten.
Wirksames Lernen in kleinen Einheiten
"Wir verstehen Weiterbildung als situationsbezogenes, in den Alltag integriertes Lernen, das in kleinen Einheiten und auch verteilt, über unsere acht Büros hinweg stattfinden kann", erklärt Maiborn. Etliche der Trainingsangebote waren schon vorher von allen Unternehmensstandorten erreichbar. "Aber Corona hat unserer Bildungskonzept beschleunigt und auch dafür gesorgt, dass die Trainer das Konzept mittragen", so eine Zwischenbilanz des Geschäftsführers.
Tobias Babin arbeitet als Digital Designer bei MaibornWolff und erlebte die erste Session seiner Weiterbildung "Zielgerichtet Teams moderieren mit Liberating Structures" im Februar noch als Präsenzformat, wodurch er die Trainerin und übrigen Teilnehmer noch persönlich kennenlernen durfte. Dann kam im März der erzwungene Wechsel zu remote, die Workshops fanden als Videokonferenzen statt.
Teams moderieren mit liberating structures
"Die liberating structures sind eine Sammlung von Workshop-Formaten, um Gedankengänge anzuregen, Gedanken aufzulockern und alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer gleichberechtigt zu beteiligen", sagt Babin. "Auch im virtuellen Raum haben wir uns in kleine Gruppen aufgeteilt und die Präsenztermine auf zehn mal zwei Stunden aufgeteilt." Zwischen jedem zweistündigen Treffen lag eine zwei- bis dreiwöchige Pause, in der die Teilnehmer das Erlernte ausprobieren konnten.
"Die Inhalte haben wir auch im Virtuellen gut geschafft abzubilden", sagt Babin. Ein Beispiel dafür sei die sogenannte Mad Tea Party, die offline folgendermaßen funktioniert: Ein Teilnehmer beginnt einen Satz, etwa "Was mich diese Woche am meisten überrascht hat, ist.." und die Person ihm gegenüber vollendet diesen Satz in weniger als 30 Sekunden. Dann wechseln die Paare durch, bis man wieder bei seinem Ausgangspartner angelangt ist.
Im Virtuellen funktionierte dieses Warm-Up laut Babin sogar in noch kürzerer Zeit. Nachdem der Gruppenmoderator den Halbsatz in den Chat geschrieben hatte, tippte jeder seine Version in den Chat und alle drückten gleichzeitig auf die Enter-Taste, so dass die unterschiedlichsten Halbsatz-Variationen auf einen Klick auftauchten. "Nur der zwischenmenschliche Faktor in Form von Mimik und Gesten und der Dynamik der Gruppe(n) im Raum fehlte etwas", resümierte Babin.
Hybride Formate sind schwierig
Allerdings lassen sich nicht alle Bildungsformate in das Virtuelle übertragen, schränkt Franziska Schleuter ein: "Hybride Formate, in denen virtuelle Teilnehmer zu einer Präsenzveranstaltung dazugeschaltet werden, sind schwierig, wenn sie nicht aktiv gesteuert und entsprechende Tools genutzt werden."
Auch für Volker Maiborn gibt es "Situationen, die man gemeinsam in einem Raum erleben muss oder auch solche, für die man sich zufällig finden muss." Das habe die erste Lockdown-Führungskräftetagung mit 60 Teilnehmern über Deutschland verteilt in sieben Besprechungsräumen gezeigt, so Maiborn weiter: "Entweder müssen alle vor der eigenen Kamera sitzen und das jeweils geeignetste Tool nutzen oder alle sind am selben Ort. Die Mischung hat nicht richtig gut funktioniert."
Videos, Seminare oder Links zu Udemy
Zum Lernverständnis bei MaibornWolff gehört es auch, die Bildungsangebote übersichtlich und transparent darzustellen. Dafür erfanden Franziska Schleuter und ihr Team Liniennetzpläne zu Meta-Themen wie Kommunikation oder Führung.
Die unterschiedlichen Linien eines Plans beschreiben Themen, etwa "Meetings" oder "Gespräche führen". Jede dieser Linien hat unterschiedliche Haltestellen, die einem Lernangebot entspricht. Wie echte U-Bahnhöfe sieht auch jede Lern-Haltestelle anders aus: Hinter ihr kann sich ein Link zur Lernplattform Udemy, eine Anmeldung zu einem Präsenzseminar, eine Beschreibung des Themas oder auch ein Lernvideo verbergen.
"Anders als ein U-Bahn-Fahrplan gibt unser Netzplan aber keine Richtung vor", betont Schleuter. "Die Lernenden bestimmen selbst, was sie sich als nächstes ansehen möchten. Gerade im Software Engineering haben wir so viele Inhalte, da gibt der Netzplan eine erste Orientierung."