90 Prozent aller PCs in deutschen Unternehmen laufen mit einem Betriebssystem von Microsoft. 400 Millionen Windows 7-Lizenzen und 100 Millionen Office 2010-Versionen hat der Software-Riese bislang nach eigenen Angaben verkauft. Auch wenn es inzwischen Alternativen anderer Anbieter gibt: Was Microsoft macht, betrifft das Gros der Anwender. Und wohin Microsoft steuert, ist eine zentrale Frage in der Überlegungen fast aller CIOs.
Wohin also steuert Microsoft? Mit aller Macht ins wolkige Cloud Computing, aber nicht nur dorthin. Wohin genau die Reise strategisch gehen soll, legt Microsoft alljährlich im Sommer dar. Die Experton Group war auf der Partnerkonferenz am 1. Juli durch den Analysten Axel Oppermann vertreten, der die dortigen Ausführungen auch aus Anwendersicht einordnet. „Es sind 67 Grad Fahrenheit und es ist leicht bewölkt“, berichtet Oppermann. „Der wie immer dynamische CEO Steve Ballmer schwört die knapp 15.000 Partner (davon über 300 aus Deutschland) auf das Lieblingsthema des Konzerns ein: Cloud Computing.“
Die Cloud also soll die Zukunft sein. In der Gegenwart ist – die genannten Verkaufszahlen untermauern es – das klassische On-Premise-Geschäft noch der Umsatzbringer schlechthin. Nach Microsoft-Darstellung scheint hier alles bestens. „Allerdings darf der Schein hier nicht trügen“, gießt Oppermann Wasser in den Wein. „Der monetäre Erfolg ist auf mehrere sich überlappende Produktzyklen zurückzuführen, die sich in einem – noch immer – frühen Reifegrad befinden, und somit für hohe Stückzahlen und entsprechende Umsätze sorgen.“
Windows 8 - XP-Support läuft aus
Viele Unternehmen hätten Windows 7 zwar bereits erworben, aber noch nicht implementiert. Dominierend in den Firmen sei nach Experton-Analysen nach wie vor Windows XP, also der Vorvorgänger von Windows 7. Zeit zur Umstellung bleibt bis zum 8. April 2014, wenn Microsoft den Support für Altversionen einstellen will. „Entscheidern in den Anwenderunternehmen sollte klar sein, dass Lösungen wie Windows XP, Office 2003 und der Internet Explorer 6 ‚lebende Leichen’ sind“, so Oppermann.
Sie seien etabliert und beliebt: „Ihr Todestag ist allerdings vorbestimmt.“ Wer noch nicht umgestellt hat, sollte nach Experton-Einschätzung auf die Tube drücken. Die Erfahrung zeige, dass abwartende Strategien nicht wirklich Erfolg versprechen. „Vielmehr gilt es, in einer individuellen Roadmap die technischen Infrastrukturen mit der Entwicklung der Geschäftsprozesse zu synchronisieren und zu realisieren“, so Oppermann. „Ausgehend von einer Ist-Situation und einer Ziel-Umgebung sind einzelne Meilensteine zu definieren.“
Zum Nachfolger von Windows 7 seien auf der Konferenz wenige belastbare Aussagen getätigt worden. Erst für September kündigte Microsoft neue Details an. Aus Sicht der Experton Group wird „Windows 8“ eine Brückenversion sein, die die Anforderungen von PC, Tablet und Smartphone konsolidiert abbildet. „Hierzu zählen identische – also nicht ähnliche – Funktionen sowie ein einheitliches User Interface“, so Oppermann. Windows 8 soll sowohl auf den x86-Prozessoren von AMD und Intel als auch auf ARM und System on a Chip- Systemen (SoC) laufen.
Neue Client-Einsatzfelder
„Insbesondere die Bereitstellung auf diesen Systemen ermöglicht Entwicklern und Anwendern neue Möglichkeiten zum Einsatz von Clients im Unternehmen“, meint Experton. „Anwendern wird empfohlen, sich frühzeitig mit dieser Entwicklung kritisch zu beschäftigen.“ Nur wer zeitnah das Thema in seine Client- und Applikationsstrategie einbeziehe, könne schnellen Nutzen erzielen.
Beim Cloud Computing bewege sich Microsoft als einziger Anbieter auf eine Koexistenz von On-Premise-Lösungen und Cloud-Angeboten hin, so Experton. Treiber seien aus Sicht des Unternehmens das Active Directory und das demnächst in neuer Version erscheinende System Center, für Private Cloud auch Windows Server inklusive HyperV.
In den kommenden Monaten bringt Microsoft überdies neue ERP- und CRM-Versionen heraus. Den Anfang macht im August Dynamics NAV 2012 als agile Plattform mit vorgefertigten Industrielösungen und Erweiterung der ERP-Kernfunktionalitäten für Finanzmanagement, Beschaffung, Logistik und Personalwesen. „Diese Funktionen sollen Anwenderunternehmen einen schnelleren ROI ermöglichen“, so Oppermann.
Unified Natural Models
Größere Agilität soll eine umfassende Geschäftsprozess-Bibliothek auf Basis so genannter „Unified Natural Models“ bringen. „Änderungen in der realen Welt in der Ablauf- und Aufbauorganisation eines Unternehmens können so auch vereinfacht im Produkt abgebildet werden“, kommentiert Experton. Die Benutzeroberfläche ist an Office orientiert, BI-Funktionalitäten sind im Kontext integriert. Im kommenden Jahr soll eine Version für kleine und mittlere Unternehmen folgen.
Bei CRM und ERP bewegt sich Microsoft in die Cloud, was durch Lösungen mit identischen Codes erreicht werden soll – unabhängig davon, ob es sich um im Unternehmen installierte Software handelt oder um Services, die aus der Cloud bezogen werden. „Entscheider können die IT-Strategie somit flexibel an ihr Geschäftsmodell anpassen“, so Oppermann. Dabei sei es wichtig, frühzeitig über die Vor- und Nachteile der Bereitstellungsmodelle im eigenen Unternehmen zu diskutieren.
Zahlungsmodelle, CRM und Systemmanagement
Spannend werden auch die Bereitstellungs- und Zahlungsmodelle der servicebasierten ERP-Systeme sein. „Aktuell werden hierzu noch keine Angaben gemacht“, so Oppermann. Die Experton Group geht davon aus, dass Microsoft ähnlich wie bei Office365 unterschiedliche Servicepläne auf Basis rollenbasierter Anforderungsprofile bereitstellen wird.
Beim CRM setzt Microsoft auf eine breite Palette von ergänzenden Apps. Derzeit gibt es bereits 3000 davon weltweit. Experton warnt hier vor blindem Einkauf. „Bevor Nutzer sich für die Entwicklung individueller Module entscheiden, sollten sie zwingend die vorhandenen Applikationen bewerten“, rät Oppermann. So könnten nicht nur Kosten reduziert, sondern vielmehr eine beschleunigte Nutzung möglich werden.
Zum Systemmanagement lanciert Microsoft neben dem System Center Windows Intune: eine Cloud-basierte Lösung für die PC-Verwaltung mit dem Ziel, eine vereinfachte und schlanke Organisation abzubilden. Das System Center soll einen Echtzeiteinblick in heterogene Mobilgerätelandschaften ermöglichen – und zwar auf den Ebenen Infrastruktur, Organisation und Management.
Verträge wegen mobiler Geräte prüfen
„Insbesondere Unternehmen, die ihren Mitarbeitern die freie Wahl an mobilen Geräten lassen oder eine heterogene Device-Landschaft aufgebaut haben, können von solchen Lösungen profitieren“, urteilt Experton. Es gelte, die Gesamtheit der neuen Funktionalitäten zu bewerten und mit anderen Anbietern zu vergleichen. „Beim Vergleich beziehungsweise der Bewertung von Kosten sollten IT-Entscheider die bestehenden Nutzungsrechte und die Verträge mit Microsoft überprüfen“, empfiehlt Experte Oppermann.