Während in etlichen Ländern LTE gerade erst ausgerollt wird, befasst sich die Mobilfunkbranche in Barcelona bereits mit dem nachfolgenden Standard 5G, der ab 2020 an den Start gehen soll. Obwohl in Korea, Japan und Europa schon vor zwei Jahren mit den ersten Projekten dazu begonnen wurde, befindet sich 5G dabei noch in sehr einer frühen Phase.
Wie früh, konnte man auf einer etwas befremdlich anmutenden Pressekonferenz auf dem Mobile World Congress in Erfahrung bringen. Während überall auf der Messe relativ greifbare neue Produkte und Services vorgestellt wurden, räumte etwa Hossein Moiin, Technikchef von Nokia Solutions and Networks (NSN), auf der Veranstaltung ziemlich überraschend ein, dass er keine Ahnung habe, was 5G ist. „Wir haben jedoch eine ziemlich gute Vorstellung, wie es aussehen wird“, fügte er hinzu.
Tatsächlich haben die Gestalter der nächsten Mobilfunkgeneration, zu diesen zählen in Europa neben NSN auch Alcatel-Lucent, Ericsson und Orange, quasi in einem ersten Lastenheft bereits eine Reihe von geplanten Charakteristika des neuen Standards für zusammengestellt. So soll 5G mit Bandbreiten von bis zu 10 oder 20 GBit/s die Versorgung der rasant wachsenden Anzahl an Geräten mit dem Internet sicherstellen. Der Netzausrüster Ericsson rechnet bis zum Jahr 2020 mit 50 Milliarden vernetzten Geräten, die versorgt werden müssen. Darin enthalten sind neben Smartphones, Tablets, Wearables auch Connected Cars und andere Bestandteile des Internet der Dinge.
"Kein 4G plus 1"
Gefordert sind außerdem eine Latenzzeit im 100-Nanosekundenbereich für Szenarien wie der Car-to-Car-Kommunikation oder Industrie 4.0-Anwendungen sowie eine höhere Energieeffizienz, zudem soll auch der Akkuverbrauch der Endgeräte deutlich zurückgehen. Dies sind aber nur einige Aspekte. „5G wird kein 4G plus 1 sein“, bringt es Mari-Noell Jégo-Laveissière, Verantwortliche für Innovation, Marketing und Technologies beim Mobilfunkbetreiber Orange, während der Pressekonferenz auf den Punkt. Der Fokus liege auf neuen Services, auch solchen, die heute noch gar nicht bekannt seien, weshalb man eine flexible Struktur brauche.
Relativ flexibel sind die Planer auch bei den Überlegungen, wo die für die hohen Bandbreiten erforderlichen Frequenzen herkommen könnten. Wie Werner Mohr, Head of Research Alliances bei Nokia Services Networks (NSN) und Leiter der 5G PPP Association (5G Public Private Partnership) im Gespräch mit unserer Schwesterpublikation Computerwoche erklärte, bräuchte man neue Ansätze wie das Spektrum Sharing, wo nicht dauerhaft benötigte Frequenzbänder, die etwa militärisch genutzt werde, zur Verfügung gestellt werden.
Daneben nehmen die Planer auch Bereiche im Zentimeter- (30 GHz) und Millimeter-Bereich (60 GHz) ins Visier. Der Vorteil laut Mohr: Hier stünden mehrere Gigahertz-Bänder zur Verfügung, weshalb Kapazität kein Problem sei. Schwieriger werde es jedoch mit der Reichweite – bei Sichtkontakt könnte die Reichweite aber immerhin ein paar hundert Meter, bei optimalen Bedingungen gar zwei bis drei Kilometer betragen. Welche Frequenzbänder tatsächlich für 5G bereitgestellt werden, wird auf den kommenden Weltfunkkonferenzen der ITU im nächsten Jahr und 2018 verhandelt.
Parallel dazu schreitet die Entwicklung der fünften Mobilfunkgeneration langsam aber stetig voran. Der Zeitplan sieht vor, bis zum Jahr 2016 eine gemeinsame Idee von 5G zu entwickeln und Grundlagenforschung zu betreiben. In der zweiten Phase sollen dann die Techniken verfeinert und für die Standardisierung vorbereitet werden, die zwischen 2018 und 2020 beginnen soll.
Immerhin sind bereits heute schon einzelne Teile des Puzzles schon verfügbar. So entwickelte der japanische Mobilfunkanbieter NTT Docomo bereits geeignete Mehrantennensysteme, Samsung hatte bereits im vergangenen Jahr per Richtfunk auf einer 28 Gigahertz-Frequenz Daten mit ein Gigabit/s Bandbreite über eine Strecke von zwei Kilometern übertragen.
In Europa versucht die EU-Kommission, die Forschung und Entwicklung mit drei Milliarden Euro Fördermitteln über eine Public-Private-Partnership (5G PPP), auch bekannt als Horizon 2020, stärker voranzutreiben. Wie die EU-Kommisarin Neelie Kroes auf dem Mobile World Congress , solle damit sichergestellt werden, dass Europa als Ursprungsort von GSM, UMTS und LTE auch beim nächsten Mobilfunkstandard den Ton angibt. Kroes verspricht sich von 5G viele neue Arbeitsplätze in der EU, da sie erwartet, dass der Impuls auf benachbarte Branchen wie die Automobil- oder Gesundheitsindustrie überspringt.
Ob der Vorstoß der EU gelingt, wird sich zeigen. Außer in Europa laufen natürlich auch anderweitig die Forschungen auf Hochtouren. Unter anderem hat der bereits bei der Entwicklung von LTE nicht ganz unbeteiligte chinesische Netzausrüster Huawei erst kürzlich zum 5G@Europe Summit nach München geladen, um seine Vorstellungen zur nächsten Mobilfunkgeneration zu präsentieren und mit Politik, Wirtschaft und natürlich auch Wettbewerbern zu diskutieren.