Peinlichkeiten fühlen sich naturgemäß unangenehm an. Wer aber keine größeren Probleme hat, als gelegentlich in Fettnäpfchen zu trampeln, dem geht es wahrscheinlich gar nicht einmal so schlecht. So gesehen war 2013 für Microsoft zumindest kein desaströses Jahr. Tim Greene, Microsoft-Experte unseres amerikanischen Schwestermagazins Network World, hat jedenfalls das abgelaufene Jahr für den Riesen aus Redmond bilanziert: fünf schlecht gelaufene Dinge, eine Handvoll Gutes.
Kommunikative Pannen
Auf der negativen Seite überwiegen dabei die Peinlichkeiten: eine missglückte und inzwischen aus dem Netz genommene Videoparodie auf Apples iPhone, eine allzu plumpe Anti-Google-Kampagne unter dem Label "Scroogled" und die langwierige Suche nach einem Nachfolger für CEO Steve Ballmer, dessen Abgang viele Monate vor Vollzug bekannt wurde. Kommunikationspannen also, wie sie für das Windows-Imperium nicht untypisch sind. Immerhin ist der Ballmer-Nachfolger inzwischen mit Satya Nadella installiert.
Windows 8.1 und Surface
Bliebe es bei lediglich kommunikativen Ausfällen, erschiene der Microsoft-Kosmos ziemlich frei von Sorgen. Greene findet aber auch zwei Problemkinder auf der Produktebene: Windows 8.1 und Surface. Obwohl alle Anzeichen darauf hindeuteten, dass das Surface RT-Tablet letztlich als Misserfolg zu verbuchen ist, sei der Konzern bereits mit der nächsten Geräte-Generation - Surface 2 - vorangeprescht, so der Autor: "Mit dem laufenden Verkauf von Nokia an Microsoft, erscheint Surface 2 als überflüssiges und nur mäßig populäres Produkt."
Wenngleich sich genaues zu den Verkaufszahlen noch nicht sagen lässt, droht in Greenes Augen ein Scheitern mit Ansage. Den Wettbewerbsvorteil gegenüber dem iPhone, dass auf den Surface-Tablets die Office-Anwendungen laufen, verspielt Microsoft demnach. Und zwar dadurch, dass ausschließlich für das RT-Betriebssystem konzipierte und via Windows Store vertriebene Apps auf den Geräten funktionieren.
Windows 8.1 trifft Kundenwünsche nicht
"Windows 8.1 war in gewisser Weise eine richtige Sache, aber sie ging nicht weit genug", konstatiert der Experte zum Windows 8-Upgrade vom vergangenen Herbst. Zwar habe Microsoft häufig monierte Probleme abgestellt und neue Funktionen hinzugefügt. Aber den Vorstellungen der Kunden sei man letztlich nicht weit genug entgegen gekommen.
Die von für Windows 7 gestalteten Apps laufen im neuen Betriebssystem zwar jetzt, aber nicht schöner und besser als in der Vorgängerversion. Neue spezielle Apps für Windows 8.1 seien hingegen nicht überzeugend genug, um die Kunden wirklich zum Kauf zu bewegen.
Mit Touchscreens und Mobilität adressiere Microsoft zwar wichtige Trends, der Gegenwart sei man damit aber wohl einen Schritt zu weit voraus. Möglicherweise schlage sich Microsoft - auch mit den Nachfolgern von Windows 8.1 - künftig gut, wenn Unternehmen und Endverbraucher ihre PCs durch andere Geräte ersetzen wollen. "Aber für 2013 war man - wohlwollend gesagt - seiner Zeit voraus", so Greene.
Mittlerweile hat der Riese aus Redmond einige Zahlen preisgegeben, die ein Urteil über Erfolg oder Misserfolg von Windows 8 zumindest erleichtern. In den ersten 15 Monaten wurden demnach 200 Millionen Exemplar des Betriebssystems verkauft. Nicht enthalten sind Volumen-Lizenzen, die an Firmen abgesetzt wurden. "Die Summe enthält Windows-Lizenzen, die auf neuen Tablets und PCs verkauft wurden, ebenso wie Upgrade auf Windows 8", erläutert Bloggerin Mary Jo Foley auf ZDNet.
Anteil von Windows XP stieg
Unklar ist, ob Windows RT-Absätze und Lizenzen für PC-Hersteller mit drin sind. Die Vergleichsgröße: Ebenfalls nach Microsoft-Angaben wurde Windows 7 im ersten Jahr mehr als 240 Millionen Mal verkauft; nach 18 Monaten war die Marke von 350 Millionen erreicht. Kurioserweise stieg gegen Ende des vergangenen Jahres der weltweite Marktanteil des ab Ende April nicht mehr unterstützten Betriebssystems Windows XP sogar noch einmal an: von 28,98 auf 29,23 Prozent, wie die Marktforscher von Netmarketshare berichten. Der gemeinsame Anteil von Windows 8 und Windows 8.1 lag demgegenüber bei lediglich 10,58 Prozent, marginal ansteigend.
Pluspunkt für Microsoft Dynamics CRM
Als Pluspunkte in seiner Microsoft-Jahresbilanz für 2013 verbucht Tim Greene neben der Xbox One und dem Cybercrime Center unter anderem Microsoft Dynamics CRM. Es gelinge, die in die Cloud strebenden Kunden einzufangen. Dafür spreche ein Anstieg an Business-Kunden um 40.000 auf 300.000 bis Juli 2013. Die Analysten von Gartner beobachten, dass sich Microsoft im CRM-Segment an die Fersen von Salesforce.com, SAP und Oracle heften konnte. Die Wachstumsraten seien zudem größer als jene von SAP und Oracle.
Guten Prognosen für Windows Phone
Gut gemacht hat Microsoft nach Greenes Einschätzung auch den Kauf der Nokia-Handysparte und auch das Windows Phone. Der von den Analysten von ComScore für Oktober vergangenen Jahres ermittelte Marktanteil von 3,2 Prozent sei zwar "lächerlich" im Vergleich zu Android und Apple mit 52 und 40,6 Prozent. Aber immerhin habe man das erste Mal Blackberry überholt.
Auch die Marktforscher von Strategy Analytics bescheinigen dem Windows Phone für 2013 eine Verdopplung des weltweiten Marktanteils. Die Verbraucherforscher von Kantar Worldpanel verzeichnen für den europäischen Markt zum Teil Wachstumsraten im zweistelligen Bereich, was aber fast in Gänze dem Nokia-Deal geschuldet scheint.
Erfolg mit Office 365
Als größten Trumpf macht Greene indes Office 365 auf. Eine Million Kunden in 100 Tagen, sogar 2 Millionen bis Oktober sprächen für einen "tollen Erfolg". Offensichtlich gebe es großen Bedarf nach einem ständig aktualisierten und verfügbaren Cloud-Service für Microsoft Office. Die strategische Bedeutung liege für den Softwarekonzern auch darin, neben großen Unternehmen auch Mittelständler, Behörden und Bildungseinrichtungen als Zielgruppe zu erschließen.