Strahlend, zupackend und selbstbewusst präsentierten sich die beiden SAP-CEOs Bill McDermott und Jim Hagemann Snabe ihren Investoren und der Öffentlichkeit. Der Walldorfer Software-Riese konnte weit über den eigenen Erwartungen liegende vorläufige Jahreszahlen für 2011 liefern, die für den heiseren Finanzvorstand Werner Brandt vielleicht die beste Medizin waren. Er konnte von einem Rekordergebnis, zweistelligem Wachstum der Softwareerlöse in allen Regionen, einem Umsatzplus von 1,7 Milliarden Euro und einem Rekordcashflow berichten. „Damit sind wir auf dem bestem Weg, bis 2015 unser Umsatzziel von 20 Milliarden Euro zu übertreffen und eine operative Marge von 35 Prozent zu erreichen“, so Brandt. SAP ist gut drauf derzeit – das erkennt auch die Analystenwelt an. „Ich habe mir große Mühe gegeben, die wirklichen Schwachstellen in den Ergebnissen zu finden“, berichtet IDC-Analyst Rüdiger Spies. „Leider Fehlanzeige.“
Pünktlich zum Jubiläumsjahr konnte McDermott die „besten Ergebnisse in der Geschichte von SAP“ verkünden. 40 Jahre wird das Unternehmen in diesem Jahr alt. „SAP hat sich selbst das größte Geburtstagsgeschenk gemacht“, so Spies weiter. „Angesichts der weltweiten wirtschaftlichen Lage 2011 ist ein 22-prozentiges Wachstum bei den Software-Umsätzen beeindruckend.“ Analysten-Kollege Donald Feinberg von Gartner relativiert an dieser Stelle ein wenig. Er gebe zu bedenken, dass 2011 für viele Unternehmen ein sehr gutes Jahr gewesen sei, auch andere Firmen hätten hervorragende Bilanzen vorgelegt. SAP strahle aber insofern besonders hell, weil ausgerechnet Dauerrivale Oracle vergleichsweise schwache Zahlen präsentierte.
Die Erfolgsfaktoren
Die PAC-Analysten Philip Carnelley, Frank Niemann und Tobias Ortwein heben als Erfolgsfaktoren von SAP die Kundepflege, das breiter gewordene Produktportfolio sowohl mit Suiten als auch mit punktuellen Lösungen und das Bedienen der aktuellen IT-Anforderungen hervor. Aus PAC-Sicht ist das fulminante Abschneiden der Walldorfer im Vergleich zu IBM, Intel und Software AG auch Ausdruck dessen, dass die Anwender nicht in Hardware und Altsysteme investieren wollen, sondern in neue Plattformen, Collaboration, Analytics und Agilität. "SAP spricht strategisch alle Schlüsseltrends an und scheint dafür gerüstet, seinen Erfolg in diesem Jahr fortzuführen", prognostizieren die PAC-Analysten.
Kampfansage an Oracle
IDC findet in diesem Zusammenhang ein neu formuliertes SAP-Ziel besonders bemerkenswert. Das „am schnellsten wachsende Database-Unternehmen“ wollen die Walldorfer bis 2015 werden, hieß es während der Präsentation. „Das ist endgültig eine klare Kampfansage an Oracle“, urteilt Spies. In der Vergangenheit stärkte SAP zugleich seine Rivalen mit, weil zu den eigenen Applikationen in der Regel Infrastruktur der Konkurrenz mitgeliefert werden musste – Datenbanken (DB) von Oracle beispielsweise. Mit dem Zukauf von Sybase 2010 haben sich diese Vorzeichen schon fundamental geändert; auf dieser Basis will sich SAP nun offenkundig weiter unabhängig machen. „Ich denke, sie sind in diesem Bereich sehr entschlossen“, vermutet Feinberg.
„SAP will sich von Oracle als DB-Lieferant abkoppeln“, erklärt Spies und weist auf die weiterreichenden Folgen dieser Strategie hin. Konsequenterweise ergebe sich das auch für Microsoft mit SQL-Server und IBM/DB 2. „Hier gibt es zumindest Stress, denn IBM ist der ausgewiesen größte und beste Partner von SAP“, so der IDC-Analyst weiter. SAP habe eine Quadratur des Kreises zu lösen, weil man in gewisser Weise auf IBM angewiesen sei. Im Übrigen sei schnelles Wachstum in diesem Segment wegen der schmaleren Basis für SAP leichter zu realisieren als für das Schwergewicht Oracle. Mit breiterem Portfolio steige auch die Zahl an Konfliktherden, meint PAC: "Momentane Partner werden sich fragen, welche Rolle sie im SAP-Umfeld künftig spielen sollen."
Ähnlich, aber weniger dramatisch sieht das Donald Feinberg von Gartner. In etwa die Hälfte der von SAP bisher mitvertriebenen Datenbanken stamme von Oracle; deshalb seien die Walldorfer Vorhaben vor allem ein Schlag in Richtung Larry Ellison und Redwood Shores, weniger gegen Microsoft und IBM – zumal IBM als Hardware-Lieferant in jedem Fall auch künftig am SAP-Geschäft partizipiere.
Sybase-Integration scheint zu glücken
Als „Wunderwaffe“ und „pretty lady“ feiern Medienberichten derzeit die High-Performance Analytic Appliance von SAP, kurz HANA. Die CEOs sprechen weniger blumig vom erfolgreichsten Produkt in der Geschichte des Softwareunternehmens. 160 Millionen Euro seien damit 2011 in kurzer Zeit erwirtschaftet worden. HANA, die In-Memory-Datenbanklösung, die Daten direkt im Arbeitsspeicher strukturieren kann und ohne zeitaufwändige Festplattenzugriffe auskommt, erscheint derzeit als Herzstück und Trumpf nicht nur von SAPs DB-Plänen, sondern auch von dessen integrierter Innovationsstrategie, die von reinen Finanzapplikationen über Business Intelligence, mobile Anwendungen und Cloud Computing bis hin zu Infrastruktur-Software alles umfasst.
Mit HANA Oracle abgehängt
„Was früher Tage dauerte, ist jetzt in Minuten erledigt“, lobt Analyst Feinberg HANA. „SAP ist der Konkurrenz damit weit enteilt.“ Oracle beispielsweise werde Monate, wenn nicht Jahre benötigen, bis sein In-Memory-Add-On für Exadata in der Praxis gleiches zu leisten vermöge. Innovationspotenzial habe SAP für mehrere Jahre, der Weg der Akquisition innovativer Firmen erweise sich dabei als hilfreich.
Über sämtliche Zahlen und Entwicklungen hinweg fällt das Urteil der Analysten entweder begeistert oder wenigstens nachsichtig aus. Die Integration von Sybase scheint SAP zu glücken. Die Übernahme von Business Objects 2008 habe das Unternehmen ins Schlingern gebracht, so Feinberg. Im Vergleich dazu funktioniere die Sybase-Integration offenbar wesentlich erfolgreicher. „Man lernt aus Fehlern“, so der Gartner-Analyst. „SAP ist es hervorragend gelungen, das Potenzial von Sybase zu nutzen“, sagt Rüdiger Spies von IDC. Insgesamt seien die Wachstumszahlen nicht organisch, sondern zum Teil dem Sybase-Deal zu verdanken, betont PAC. "Aber es ist immer trotzdem Wachstum", so die Analysten.
Jetzt 1000 Business by Design Kunden
Im Bereich Cloud Computing und Software-as-a-Service (SaaS) fährt SAP zweigleisig – und das offenbar besser, als es auf den ersten Blick den Anschein hat. Der milliardenschwere Kauf von SuccessFactors, Entwickler von Cloud-basierten Personalmanagement-Lösungen, soll laut McDermott spätestens bis Anfang März über die Bühne gegangen sein. Daneben hat SAP vor einigen Monaten seine SaaS-Suite Business ByDesign lanciert, die kleine Firmen als Hauptprodukt und Großunternehmen als ergänzender Baustein ansprechen soll. Aktuell hat SAP nach eigenen Angaben etwa 1000 Business ByDesign-Kunden gewonnen.
Klingt vielleicht nicht sofort überragend. Aber Feinberg verweist auf die relativ kurze Anlaufzeit und hält die Zahl so betrachtet für durchaus bemerkenswert. Dass SAP mit Cloud Computing und SaaS bislang noch kaum Geld verdiene, sieht auch Rüdiger Spies nicht als Kritikpunkt. An den aktuell vorliegenden Versionen gebe es technologisch im Gegensatz zu den Vorgängern nichts auszusetzen. Die etablierten SAP-Kunden wollten außerdem in aller Regel und aus guten Gründen die Kontrolle über sensible Daten nicht aus der Hand geben. Insofern funktionierten die SAP-Angebote als Ergänzungen zum On-Premise-Bereich durchaus so wie gedacht. „SAP rekrutiert über diesen Kanal neue Partner“, so Spies. „Außerdem ist es sehr geschickt, dass auf diese Weise das traditionelle Geschäft nicht gefährdet wird.“
Bei Cloud und Mobility weit vor Oracle
Donald Feinberg von Gartner teilt das Lob – gerade im Hinblick auf die Konkurrenz und ausgedehnt auf den Bereich Mobility. Beim Cloud Computing liege SAP klar vor Oracle. „Bei den mobilen Applikationen gibt es zurzeit von Oracle gar nichts“, so Feinberg. „Auch bei der mobilen Infrastruktur ist SAP weit voraus.“ PAC klingt da einen Tick skeptischer. SAP habe immer noch eine Menge Hausaufgaben zu erledigen. Die Etablierung eines soliden und profitablen Cloud-Geschäfts sei beispielsweise kein Selbstläufer. Das gelte auch für den Verkauf branchenspezifischer Lösungen etwa für Banken und Versicherungen. In diesem Bereich benötige SAP nach hohen Investitionen jetzt einen echten Schub.
Herausragend findet Feinberg, dass SAP selbst in seinem reifen deutschen Heimatmarkt zweistellige Zuwächse verbuchen konnte. „Das zeigt, dass die Kunden zufrieden sind und mit für sie interessanter innovativer Software versorgt werden“, so der Gartner-Analyst. Dass die Service-Erlöse im Vergleich zum Software-Segment hinterherhinken, sei ein kleiner, aber zu verschmerzender Wermutstropfen.
SAP im Anwendungsgeschäft eine Klasse für sich
Rüdiger Spies weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Maintenance-Umsätze immer erst einige Zeit nach dem Software-Verkauf anstiegen. „SAP hat jetzt schon die Basis für zukünftiges Wachstum mit weiter steigenden Maintenance-Umsätzen gelegt“, so der Analyst. IDC lobt ferner, dass Gewinn (plus 16 Prozent auf 1,28 Milliarden Euro) und Umsatz stärker angewachsen seien als die Mitarbeiterzahl, die um 4 Prozent zulegte. Zusätzlich seien die gesamten Betriebskosten um 5 Prozent reduziert worden. SAP sei mit den vorhandenen Ressourcen also effektiver umgegangen als in der Vergangenheit. Strategien und die Umsetzung der Pläne gingen in die richtige Richtung. Auch die Mitarbeiter seien davon überzeugt und zögen mit.
„Das war bei Leo Apotheker komplett anders“, adelt Spies die aktuelle Unternehmensführung. „Und insgesamt hat SAP ein weiteres Mal bewiesen, dass es im Anwendungsgeschäft eine Klasse für sich ist.“