Messi, Ronaldo, Ribery – die prominenten Stars sind die, die spektakulär dribbeln und Tore schießen. Auf dem Fußballplatz gibt es aber auch die unbekannten Helden, die Spezialisten für das Unscheinbare sind: das Zustellen von Räumen und das Ablaufen von Gegenspielern. Nicht anders ist die Gemengelage bei den Anbietern von IT-Outsourcing. Auf der einen Seite stehen die großen Offshoring-Namen wie TCS, Cognizant oder Wipro; auf der anderen Seite gibt es in deren Schatten eine Riege mittelgroßer Anbieter, die mit Spezial-Know-how punkten könnten. Wie die einst als „Wasserträger" verspotteten Anti-Stars beim Fußball wissen sie manchmal selbst nicht, wie wertvoll ihre Dienste sind. Forrester Research empfiehlt den Anwendern jetzt, genau auf die Dienstleister mittlerer Größe zu schauen: weil sie nicht sofort offensichtlichen Mehrwert liefern können, ohne allerdings die Branchenriesen überflüssig zu machen.
„Spezialisierung ist ein großer Vorzug der mittelgroßen Variante", schreibt Stephanie Overby in einem Artikel unserer amerikanischen Schwesterpublikation CIO.com, der auf der Forrester-Analyse basiert. „Diese Anbieter haben oft vertiefte Expertise in Feldern wie Air Traffic Management und Passagier-Analyse für Fluglinien, Core Banking- und Treasury-Lösungen für Finanzdienstleister oder Port Operations Automation und Fracht-Management für Logistiker."
Agilität schlägt Billigpreise
Forrester-Analystin Hansa Iyengar macht eine Verschiebung der Interessenlage auf Anwenderseite als Ursache dafür aus, dass mittelgroße Outsourcing-Anbieter momentan im Kommen sind. Demnach stehen niedrige Preise und Skalenvorteile beim Auslagern nicht mehr alleine im Fokus. Gefragt seien auch Agilität, Flexibilität, Anpassungsfähigkeit, Vertrauen und branchenspezifische Ansätze.
„Weil die Deals kleiner werden, verliert die fehlende Größe als Ausschlusskriterium an Gewicht", so Iyengar. Mittelgroße Anbieter könnten vor diesem Hintergrund um Aufträge buhlen, für die sie in der Vergangenheit gar nicht in Frage kamen. Hinzu komme, dass die Anwender bessere Leistung erwarten. „Skills werden mittlerweile höher bewertet als Kosten", beobachtet die Analystin.
Den Zuschlag für die meisten großen Offshoring-Deals werden laut Forrester zwar weiterhin die Branchenriesen bekommen. Der Grund dafür: Kunden, die ihre Outsourcing-Portfolios konsolidieren wollen, benötigen die ganze Bandbreite an End-to-End-Services, wie sie nur die Großen bieten können. Aber die mittleren Anbieter können nach Iyengars Einschätzung oft perfekt auf die Bedarfslage kleiner und mittlerer Firmen eingehen. Und das gelte genauso für kleinere Deals von Großunternehmen.
Alleinstellungsmerkmal der mittelgroßen Provider seien häufig die genauen Kenntnisse, wie man branchenspezifische Probleme löst, analysiert Iyengar. Diese Anbieter seien indes zum Teil selbst daran schuld, dass dieser Trumpf nicht ausgespielt wird. „Weil sie sich in den gleichen Farben malen wollen wie die größeren Konkurrenten, gelingt es vielen mittelgroßen Anbietern nicht, ihre vielen Nischen-Skills und ihre Mehrwert-Potenzial in den Ring zu werfen", sagt Iyengar. „Deshalb werden ihre versteckten Fertigkeiten unterschätzt."
Die Anbieter aus der zweiten Reihe sind nach Forrester-Beobachtung noch mehr als ihre größeren Wettbewerber darauf bedacht, ihre Kunden zufrieden zu stellen. Sie sind häufiger dazu bereit, auf die Preisvorstellungen sowie auf die Delivery- und Personalanforderungen der Firmen einzugehen. Weil sie von vielen kleineren Aufträgen leben, müssen sie Kundenakquise und –bindung stets ernst nehmen. „Für diese Anbieter spricht definitiv ihr Bestreben, auf die Bedürfnisse ihrer Kunden einzugehen", so Iyengar.
Außerdem seien sie geneigter, Risiken einzugehen – was beispielsweise ergebnisorientierte Preismodelle und agiles Offshoring vorangetrieben habe. Die ausgeprägte Kundenorientierung führe ferner dazu, dass die Anwender die mittelgroßen Anbieter mit Front Office-Initiativen betrauen, die man größeren Providern nicht in die Hand geben möchte.
Besseres Personal
Forrester Research geht außerdem davon aus, dass die mittelgroßen Anbieter häufig über besonders talentiertes Personal verfügen. Laut Iyengar liegt die Quote freiwilliger Abgänge in den höheren Positionen in den Teams für Management und Technologie deutlich unter zehn Prozent. Der Branchendurchschnitt liege mit 14 bis 17 Prozent deutlich höher, weil größere Dienstleister zwar als gutes erstes Karrieresprungbrett wahrgenommen würden, aber nicht als guter dauerhafter Arbeitgeber.
Mittelgroße Dienstleister könnten jungen IT-Begabungen die gewünschten vielfältigen Herausforderungen bieten, so Iyengar: Arbeit mit innovativen Technologien, Rollen mit Kundenkontakt, Kennenlernen neuer Delivery-Modelle. Der Nachwuchs werde stärker wahrgenommen als bei der größeren Konkurrenz – man kann sich profilieren und kommt voran. Zudem verhindern laut Forrester fortlaufende Schulungen und Entwicklungsprogramme Job-Hopping. Von diesen guten personellen Ressourcen profitieren letztlich die Anwender.
Gleichwohl besteht bei mittelgroßen Dienstleistern immer die Gefahr einer Übernahme. Es könne auch sein, dass die finanziellen Mittel zum Meistern von Krisen fehlen, so Iyengar. Deshalb sollten die Anwender bei diesen Providern besonders auf Transparenz achten und Szenarien für alle Eventualitäten entwickeln.
Multisourcing braucht Kontrolle
Neue Entwicklungen beim Outsourcing beobachten auch die Analysten von Ovum. „Angesichts unklarer Perspektiven für die IT-Services fordern die Kunden finanzielle Stabilität, ein Vorantreiben echter Innovation und langfristige Zusammenarbeit ein – sowohl auf der Vertragsebene als auch bei den operativen Ressourcen", stellt Analyst Jens Butler fest. Die Auswirkungen junger Technologien wie Cloud Computing, Analytics, Mobilty oder Social Media sind nach Ovum-Einschätzung nicht so zerstörerisch für das IT-Outsourcing, wie teilweise behauptet. Die Provider müssten die Anwender allerdings mit guten Argumenten davon überzeugen, den geschäftlichen und technologischen Anforderungen zu genügen.
Ferner gebe es einen Trend zu einem „single point of accountability". Butler geht davon aus, dass künftig verschiedene Service-Typen nebeneinander bestehen werden. Management und Governance würden dabei in einem einzelnen Vertragswerk gebündelt. Dahinter stecken laut Ovum schlechte Erfahrungen bei der Steuerung verschiedener Dienstleister. Multisourcing sei in der Regel erfolgreicher, wenn starke Kontrollmechanismen vorhanden sind.