Am Ende passte die Strategie von SAP auf einen iPad-Bildschirm. Auf dem Tablet-PC zeigte CEO Jim Hagemann Snabe gegen Schluss der Jahresergebnis-Pressekonferenz am Mittwoch in Frankfurt, zwischen welchen Eckpfeilern die Walldorfer in diesem Jahr agieren: Schnellere Datenabfragen als bisher, natürlich auf mobilen Geräten, und auf Wunsch über On-Demand-Lösungen.
Snabe tippte sich mit dem Finger durch mehrere Säulendiagramme. Was genau sie darstellten, war in dem kleinen Videofenster, in dem die Pressekonferenz übers Internet übertragen wurde, nicht zu erkennen. Aktuelle Daten aus Produktion und Vertrieb, erklärte der SAP-Chef. "Jetzt schaue ich mir mal speziell die Zahlen für Mexiko an", sagte er und ließ per Fingertipp ein neues Diagramm aufscheinen. "Wir sind in Echtzeit verbunden." Daten, die Vertriebsleute unterwegs einpflegten, flössen direkt in die Auswertung ein, erklärte Snabe
Die Message war klar: Gemeinsam mit Co-CEO Bill McDermott präsentierte Snabe eine SAP-Strategie aus einem Guss. Nach der Vorstellung der In-Memory-Technologie und der Sybase-Übernahme im Vorjahr profitieren Unternehmen von schnelleren Datenabfragen, verbunden mit der Anbindung mobiler Geräte. Und Mittelständler, aber auch kleine Dependancen großer Konzerne, nutzen SAP-Lösungen dank Business By Design auf Wunsch als On-Demand-Lösung.
Zum insgesamt sehr guten Firmenergebnis aus dem Vorjahr, das die beiden CEOs zusammen mit Finanzchef Werner Brandt präsentierten, hat auch der Zukauf des Datenbank-Spezialisten Sybase beigetragen - und das schon im Jahr der Akquisition, wie die SAP-Manager betonten. Vier Prozentpunkte hat Sybase zum 20-prozentigen Wachstum der Umsätze beigetragen, die SAP voriges Jahr mit Software und Software-Wartung eingenommen hat.
Ein Batzen von insgesamt rund 9,9 Milliarden Euro, zu dem noch fast 2,7 Milliarden Erlöse aus Beratung und sonstigen Dienstleistungen kommen. Somit erwirtschaftete SAP 2010 Umsatzerlöse von knapp 12,5 Milliarden Euro - nach Darstellung gemäß der internationalen IFRS-Bilanzierungsregeln. Nicht nach IFRS-Standards dargestellt, liegt der Erlös noch etwas höher.
Nach Sybase-Kauf wieder organisches Wachstum
Für 2011 rechnen die Walldorfer laut Brandt damit, dass die Software- und softwarebezogenen Erlöse weiter steigen - ohne Berücksichtigung von Veränderungen in Wechselkursen um zehn bis 14 Prozent. Trotz der jüngsten Zukäufe von Sybase und Business Objects solle das künftige Wachstum vor allem ein organisches sein.
Wegen des guten Ergebnisses im Vorjahr will der Vorstand dem Aufsichtsrat empfehlen, die Dividende für die SAP-Anteilseigner von 50 auf 60 Cent pro Aktie zu erhöhen.
Was den Einfluss der von einem US-Gericht verhängten Strafzahlungen zugunsten von Konkurrent Oracle wegen Datenklaus auf das Ergebnis von SAP angeht, hielten sich CFO Brandt und die beiden CEOs auf der Pressekonferenz zurück. Wahrscheinlich werde man einen Antrag stellen, dass die veranschlagte Strafzahlung von 1,3 Milliarden US-Dollar (rund eine Milliarden Euro) gesenkt werde.
Trotz dieses Urteils, das vergangenes Jahr als Debakel für den Walldorfer Software-Konzern diskutiert wurde, versprühte die SAP-Spitze am Mittwoch in Frankfurt rundum Optimismus. Man habe das beste vierte Quartal der Firmengeschichte erlebt und sei eine "Growth Company", sagte Bill McDermott. Um 37 Prozent sei allein die Zahl der Vertragsabschlüsse gewachsen. "Wir haben immer mehr Kunden."
Nach dem Kauf von Sybase sei man bestens gerüstet, mobile Unternehmen zu unterstützen. Denn, so sagte McDermott, "mobile Geräte sind der neue Desktop". Jim Hagemann Snabe strich die Erfolge von Business By Design heraus. Es sei die derzeit modernste On-Demand-Plattform und werde den Markt verändern. "Die Kundenzahl wächst zurzeit doppelt so schnell wie damals nach der Einführung von R3", sagte er. Derzeit nutzten mehr als 250 Unternehmen Business By Design. Noch in diesem Jahr will SAP die Schwelle von 1000 Kunden überschreiten.
In-Memory ermöglicht Analysen in Echtzeit
In-Memory schließlich, die dritte Säule von SAPs Strategie, stelle eine völlig neue Art da, wie Unternehmen mit Daten arbeiten könnten. Beispielhaft nannte Snabe eine Anwendung mit dem Namen "Hana". Die Appliance ermöglicht Echtzeit-Analysen von Firmendaten. "Ohne Änderungen ihrer sonstigen Landschaft können Unternehmen Hana einbauen und damit völlig neue Möglichkeiten für schnelle Analysen erschließen", warb Snabe. Möglich seien damit sekundenschnelle Berichte, deren Erstellung bisher Stunden gedauert habe.
Bei Beobachtern kamen die optimistischen Töne, die SAP verkündete, gut an "SAP ist grundsätzlich auf einem guten Weg", urteilt Thomas Otter, Analyst bei Gartner. Die Strategie der Walldorfer sei "sehr konsistent". Für dieses Jahr sieht der Marktexperte den Software-Konzern allerdings in der Pflicht, neue Produkte erfolgreich auf dem Markt zu platzieren. "Der Erfolg von 2010 fußte darauf, dass SAP seine bestehenden Produkte gut verkauft hat. Dieses Jahr müssen sie Innovationen bringen", sagt Otter.
Vor allem beim Thema Cloud Computing müsse SAP aufpassen, dass es den Anschluss nicht verpasse. "Es besteht die Gefahr, dass SAP die Geschwindigkeit unterschätzt, mit der Firmen in die Cloud gehen. Bisher haben sie nicht viele Produkte dafür auf dem Markt", meint Otter.
Die von SAP für dieses Jahr angestrebte Zahl von 1000 Business-By-Design-Kunden hält Thomas Otter für realistisch. Zielgruppen des On-Demand-Angebots seien nicht nur Mittelständler. Als "weit interessanteres" Einsatzgebiet für Business By Design bezeichnet er kleine Töchter großer Unternehmen. "Gut vorstellbar ist zum Beispiel, dass ein internationaler Chemiekonzern mit einem kleinen Ableger in China mit um die 200 Mitarbeitern dort Business By Design einsetzt", veranschaulicht Otter.
Bei der mobilen Strategie muss SAP Taten folgen lassen
Die mobile Strategie von SAP sieht Otter ebenfalls grundsätzlich positiv. Doch auch hier müsse SAP bald konkrete neue Produkte entwickeln.
"Chapeau!" fasst Rüdiger Spies in einem Wort sein Urteil über die Präsentation zusammen. Spies ist Independent Vice President Enterprises Applications beim Beratungshaus IDC. Beeindruckt sei er vor allem von der Harmonie zwischen den beiden SAP-CEOs, sagt Spies. "McDermott und Snabe harmonieren fast noch besser als einst Kagermann und Plattner", ergänzt er.
SAP habe mit der Präsentation seiner Strategie auf der Pressekonferenz seine Innovationsfähigkeit unter Beweis gestellt, meint Spies. Die Walldorfer hätten zudem bewiesen, dass sie "die beiden Großakquisitionen gut verdaut haben". Das gelte sowohl für den Kauf von Business Objects als auch für den von Sybase – über letzteren hatte Spies sich noch im Herbst bei CIO sehr skeptisch geäußert.
SAP sei es gelungen, die aus den Zukäufen gewonnenen neuen Kundenkontakte auch in Umsätze für sein ERP-Kerngeschäft umzumünzen. "Dass das klappt, ist keine Selbstverständlichkeit, das erfordert einiges von den Vertrieblern", erläutert Spies.
Spies hebt zudem hervor, dass SAP das Vertrauen seiner Kunden nach der Diskussion um den viel gescholtenen Enterprise Support wieder gewonnen habe. Das Unternehmen habe deutlich gemacht, dass es praktisch keine Alternative zu ihm gebe. "Und die Kunden stehen zu SAP, auch zu deren Strategie der Innovation", beobachtet der Analyst.
SAP-Anwender: "Das Vertrauen kehrt zurück"
Auf Anfrage von CIO.de kommentierte auch die Deutschsprachige SAP-Anwendergruppe (DSAG) die Präsentation von SAP. Die Kundenvertreter äußerten sich ebenfalls positiv. "Die Ergebnisse zeigen, dass die Bemühungen der SAP um mehr Kundennähe Früchte tragen. Das Vertrauen der Kunden in SAP und ihre Produkte kehrt zurück", teilte DSAG-Chef Professor Karl Liebstückel mit.