"Wir müssen weg vom Angebotsdenken und hin zu einer Nachfrageorientierung", sagt Fiedler, wenn sie über digitale Transformation in der Verwaltung spricht. Die diplomierte Wissenschaftsorganisatorin ist seit Mai 2016 Vorständin des IT-Dienstleistungszentrums Berlin (ITDZ Berlin), das als zentraler IT-Dienstleister für die IT des Landes Berlin verantwortlich zeichnet. Dazu gehören die Senatsverwaltungen, die Berliner Bezirke sowie Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Insgesamt beschäftigt das Land etwa 116.000 Mitarbeitende, die allesamt IT-Nutzer sind.
Die Verwaltungsleistungen nutzen derzeit rund 3,7 Millionen Berliner Bürger, jedes Jahr kommen etwa 40.000 hinzu. Die Aufgabe des IT-Managements wird vor allem durch die heterogenen Anforderungen komplex, erläutert Fiedler. Die Berliner Polizei etwa gehört ebenso zu den IT-Anwendern wie das komplette Sozialwesen des Landes. Schon jetzt beschäftigt das ITDZ mehr als 800 Mitarbeiter, bis 2021 sollen es gut 1.200 sein.
IT-Management per Gesetz
Das Jahr 2016 markierte nicht nur für die IT-Chefin eine Wende. "Es gab einen Investitionsstau in der IT und wir waren mit erheblich gestiegenen Ansprüchen der Bürger konfrontiert", blickt sie zurück. Die Menschen erwarteten von den Behörden digitale Services auf einem Niveau, das sie schon aus der Privatwirtschaft gewohnt waren. Fiedler: "Irgendwann ist klar geworden: Wir müssen etwas ändern." In der öffentlichen Hand braucht es dazu in der Regel ein Gesetz.
Vor diesem Hintergrund wurde 2016 das E-Government-Gesetz für das Land Berlin verabschiedet. Darin ist unter anderem eine "Abnahmeverpflichtung" formuliert. Die Behörden der unmittelbaren Landesverwaltung sind demnach verpflichtet, ihre sogenannte verfahrensunabhängigen IKT vom ITDZ Berlin zu beziehen. Dabei handelt es sich in erster Linie um IT-Infrastruktur wie Netzanbindung und Telefonie. Dazu gehört auch ein standardisierter Arbeitsplatz mit einheitlicher Ausstattung, darunter der "BerlinPC".
Bürgerdaten in der Berlin Cloud
Seit 2016 ist die Digitalisierung im Land Chefsache, betont Fiedler. Damit verbunden sei ein umfassendes IT-Migrations- und Modernisierungsprogramm mit dem Ziel, eine standardisierte und industrialisierte IT aufzubauen. Ähnlich wie viele Großunternehmen arbeitet auch das Land Berlin noch mit etlichen Legacy-Systemen, die zum Teil mehr als 20 Jahre alt sind.
Zu den großen Modernisierungsprojekten gehört etwa die Entwicklung der "Berlin Cloud", in der Bürgerdaten und die Fachverfahren der Verwaltungs-IT vorgehalten werden. Dabei handelt es sich um eine Private Cloud auf Basis des Open-Source-Frameworks OpenStack. Sie stellt Landesbehörden unter anderem IaaS- und PaaS-Dienste zur Verfügung.
Fiedler geht es dabei auch darum, die Implementierungszeiten neuer Anwendungen zu verkürzen. Sie setzt auf Container-Techniken und baut DevOps-Strukturen auf, um das Zusammenspiel von IT-Betrieb und Softwareentwicklung zu beschleunigen. Am Ende, so die Managerin, wolle sich das ITDZ Berlin zum Cloud-Broker für "seine Kunden", sprich, die Verwaltungsbehörden des Landes, entwickeln.
Staatssekretärin mit CIO-Rolle
Auch organisatorisch hat sich in der Hauptstadt einiges verändert. Seit 2016 gibt es mit IKT-Staatssekretärin Sabine Smentek eine CIO-Rolle für das Land. Gemeinsam mit dem ITDZ legt sie die Architektur fest und macht den Landesbehörden zum Teil sehr detaillierte Vorgaben. Hierfür wurde das IKT-Architektur-Board als Entscheidungsgremium eingerichtet, an das sich Behörden wenden können, um ihre IT-Lösungen prüfen zu lassen oder zeitlich befristete Ausnahmegenehmigungen zu beantragen.
Dabei gehe es häufig um Standardfragen, erläutert Fiedler, denn längst nicht jede Behörde sei in der Lage, alle Vorgaben rechtzeitig umzusetzen. Standardisierung ist generell das große Thema für die IT-Managerin, und zwar nicht nur auf Landesebene. Das ITDZ Berlin nutzt zum Teil auch IT-Lösungen, die auf Bundesebene entwickelt und getestet wurden.
Knackpunkt Kulturwandel
Beim digitalen Umbau sei "die Technik unterm Strich nicht das Problem", erläutert die Managerin. Der entscheidende Erfolgsfaktor sei der notwendige kulturelle Wandel. Ihr gehe es um mehr Selbstorganisation, Flexibilität und Verantwortungsübernahme. In ihrer Organisation will sie eine "kundenzentrierte Mehrwertorientierung" erreichen, sprich: Nicht die Technik, sondern die Bedürfnisse der Nutzer sollen künftig im Mittelpunkt stehen. Die Gretchenfrage dabei laute: "Wie motiviert man Mitarbeiter in der Verwaltung?"
Um auf diesem Weg voranzukommen, beschäftigt sich Fiedler mit den drei Aspekten Führung, Haltung und Fehlerkultur. In der IT-Organisation etwa sind über viele Jahre streng hierarchische Führungsstrukturen gewachsen. Agile Teams sollen nun dabei helfen, sie aufzubrechen. Aktuell arbeite bereits ein Viertel der IT-Mitarbeiter in solchen Teams, in einigen Jahren will Fiedler einen Anteil von 50 Prozent erreicht haben. "Es geht darum, den Teams mehr Freiheiten und Verantwortung zu geben", gibt sie das Ziel vor.
Wichtig sei dabei die Haltung der Mitarbeiter. Vielen fehle das nötige Selbstbewusstsein für neue Aufgaben, allzu oft würden nur die Probleme gesehen, statt beispielsweise aus eigenem Antrieb ein Projekt anzustoßen. Um gegenzusteuern, greift Fiedler auch zu ungewöhnlichen Maßnahmen. So führte sie beispielsweise spezielle Armbänder für die Mitarbeiter ein: In fachlichen Diskussionen müssten diese immer dann vom einen auf den anderen Arm gewechselt werden, wenn Kollegen nur kritisieren, statt konstruktive Vorschläge zu machen. Um das Thema Wertschätzung sichtbar zu machen, ließ die IT-Chefin außerdem mehr als 1.000 Motivationskarten mit Aufschriften wie "Jut Jemacht" oder "Alltagsheld/in" drucken. Mitarbeiter können diese ausfüllen und als Dankeschön an Kollegen übergeben oder ins Postfach legen, wenn etwas besonders gut gelaufen ist.
Marathon statt Sprint
Besonders am Herzen liegt Fiedler eine veränderte Fehlerkultur. Gelinge ein Vorhaben nicht auf Anhieb, werde allzu schnell gefragt: "Wer ist daran schuld?" Das Management müsse sich damit auseinandersetzten, wie es eine neue Fehlerkultur vorlebe. Im ITDZ Berlin gibt es dazu zwei neue Meeting-Formate. Eines trägt den Titel: "Stolpern, aufstehen, Ziel erreicht". Mitarbeiter oder ganze Teams werden eingeladen, um offen über Misserfolge und ihre Ursachen zu sprechen. Ein anderes Format steht unter dem Motto: "Stärken stärken". Hier geht es vor allem darum, gelungene Projekte und Erfolgsfaktoren zu präsentieren.
Den kulturellen Wandel sieht Fiedler eher als langfristige Aufgabe, der kaum in zwei bis drei Jahren zu bewältigen sei. Innovationsfähigkeit und Lernbereitschaft seien dafür unabdingbar, aber auch Durchhaltevermögen. "Sprints sind nicht schlecht", sagt sie unter Anspielung auf agile Arbeitsmethoden: "Momentan aber brauchen wir eher Marathonläufer."