Wie geht Mitarbeiterbindung im Home Office? Darüber zerbrechen sich viele Unternehmen den Kopf. Ein Instrument, das Personalverantwortliche schon vor Corona noch viel zu selten strategisch einsetzten, sind Zusatzleistungen. Dort ist die Bandbreite groß: Betriebliche Altersvorsorge, Weihnachtsfeiern und Betriebsfeste, Training, Entgeltumwandlung in Firmenfahrrad oder Firmenwagen, Sonderzahlungen bei Hochzeit, Geburt des eigenen Kindes oder Umzug bis hin zu Rückenschule oder Entwöhnungskurse für Raucher.
Viele Arbeitgeber reden kaum über Zusatzleistungen
"Unternehmen bieten zwar eine Vielzahl von Benefits an, im Durchschnitt zwischen 20 und 50, aber kommunizieren diese Zusatzleistungen zu wenig", stellt Eva Lawless, Head of Benefit Transformation bei Mercer in Deutschland, fest. Eine Möglichkeit, den Beschäftigten hier einen Überblick zu geben, sind so genannte Benefits-Portale, so Vergütungsexpertin Lawless weiter: "Portale helfen Arbeitgebern, um die Benefits, die sie anbieten, den Mitarbeitern gegenüber sichtbar zu machen.
Es empfiehlt sich auch, hier zielgruppengerecht zu kommunizieren. Etwa mit einem kurzen Video eine Zusatzleistung zu erklären oder auch Push-Nachrichten auf die Handys der Beschäftigten zu senden, falls es ein neues Angebot gibt." Gerade in Zeiten von Remote Work könnten die Unternehmen auch auf dem Weg in Kontakt mit den Beschäftigten bleiben.
Benefits: Die wenigsten Mitarbeiter dürfen auswählen
Mercer fand in einer Studie mit 1000 Befragten heraus, dass bislang nur 17 Prozent der Mitarbeitenden über eine Plattform oder App innerhalb und außerhalb des Unternehmens auf ihre Nebenleistungen zugreifen können. Hier ist also viel Luft nach oben. Die Mehrheit der Befragten wünscht sich zudem, Benefits nach ihren persönlichen Bedürfnissen auswählen und abhängig von ihrer Lebenssituation auch ändern zu können. Eine solche inhaltliche und zeitliche Flexibilität ist aber nur in den wenigsten Unternehmen der Fall.
Weiterbildung, flexibles Arbeiten und Gesundheit sind die Bereiche, in denen sich Mitarbeiter Zusatzleistungen wünschen. Knapp jeder Zweite würde für ein attraktives Benefits-Paket sogar auf einen Teil des Grundgehalts verzichten. Unter den Jüngeren (18-39 Jahre) sind sogar mehr als 60 Prozent zu einem Verzicht bereit, wenn sie dafür attraktive Nebenleistungen erhalten.
Zusatzleistungen im Recruiting nutzen
Hier verbirgt sich großes Potenzial, das es sinnvoll zu nutzen gilt. Darum empfiehlt Mercer-Expertin Eva Lawless, das Thema Benefits strategisch zu denken und es eng mit anderen HR-Funktionen zu verknüpfen: "Benefits sind ein strategisches Instrument, um Mitarbeiter zu finden und zu binden sowie dem ganzen Unternehmen ein Gesicht zu geben, also über bestimmte Zusatzleistungen zu zeigen, wofür das Unternehmen steht."
Die Realität sieht aber anders aus, wie eine Befragung von 130 Unternehmen zum Thema Benefits ergab, so Lawless weiter: "Nur ein Drittel der von uns befragten Unternehmen nutzen Benefits auch im Recruiting, obwohl sie als starker Differentiator im Kampf um die besten Talente dienen können. Aktuell hat jeder siebte Beschäftigte sich schon mal aufgrund der Benefits für einen Arbeitgeber entschieden."
WetterOnline setzt auf Jobräder und zeitliche Flexibilität
Frank Müntinga, Personalchef von WetterOnline, gehört indes zu den HR-Managern, die den Wert der Zusatzleistungen erkannt haben: "Natürlich bleibt für Bewerber das Gehalt ein wichtiges Thema, viel entscheidender sind allerdings die gebotenen Zusatzleistungen: Jobräder und Firmenwagen sind bei uns sehr beliebt, aber auch Subventionen im Rahmen der betrieblichen Altersvorsorge und Gesundheitsförderung werden gerne in Anspruch genommen."
Am wichtigsten sei den meisten jedoch die zeitliche Flexibilität, um private Herausforderungen bewältigen oder um die Zeit mit der Familie nutzen und genießen zu können, egal ob im Rahmen von Home-Office-Lösungen, Sabbatical-Zeiten, Arbeitszeitreduzierungen oder Elternzeit, zu der besonders Unternehmensinhaber Joachim Klaßen gerne ermutige. Zudem bezuschusst WetterOnline das Mittagessen mit sechs Euro pro Tag, so Müntinga: "Dank einer - von unseren Studenten entwickelten - App, ist das Einreichen der entsprechenden Belege und die Auszahlung über die Gehaltsabrechnung ein Kinderspiel."
Mercer-Expertin Eva Lawless empfiehlt Unternehmen, sich über ein Audit einen Überblick zu verschaffen, welche Benefits sie überhaupt anbieten und welche auch von den Beschäftigten in Anspruch genommen werden. Denn: "Vielfach werden die Präfenzen der Mitarbeiter im Angebot der Zusatzleistungen zu wenig berücksichtigt. Dabei könnte man die Mitarbeiter beziehungsweise Fokusgruppen nach ihren Wünschen fragen."
Top 12 der häufigsten Nebenleistungen
Diese Benefits bieten laut Mercer Unternehmen am häufigsten:
Betriebliche Altersvorsorge
Regelmäßige Weihnachtsfeiern, Betriebsfeste, etc.
Training, Coaching, Weiterbildung
Entgeltumwandlung (in z. B. betriebliche Altersvorsorge, Firmenfahrrad, Firmenwagen, Sabbatical etc.)
Firmenwagen
Sonderzahlungen für bestimmte Lebensumstände (wie Hochzeit, Geburt des eigenen Kindes, Umzug)
Kantine
Duschmöglichkeiten in Unternehmen
Freistellungen zu besonderen Anlässen (wie Hochzeit, Geburt des eigenen Kindes, Tod eines engen Verwandten, Umzug)
Medizinische Beratung/ Unternehmensarzt (sofern nicht gesetzlich vorgeschrieben)
Präventions- und Entwöhnungskurse (z. B. Rauchentwöhnung, Rückenschule, ergonomisches Sitzen, Ernährungsberatung)
Fitnessstudio/ Gym Mitgliedschaft