Zum diesjährigen Wettbewerb "CIO des Jahres" wollte die CIO-Redaktion von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern wissen, was ihnen zum Thema "Buzzword Bingo" einfällt. Die Antworten dürften auch Kollegen aus dem Business interessieren. Eines vorweg: Agilität, künstliche Intelligenz und digitale Transformation stehen auf der Liste weit oben.
Marcus Loskant, IT-Vorstand der LVM Versicherung, stößt der Hype um agile Methoden auf: "Alles muss agil werden. Absolute Schwarz-Weiß-Wahrheiten hatten selten Gültigkeit. Wir vertreten eher die Sicht der Ambidextrie - also des 'Sowohl als auch' oder 'Finde die passende Lösung' für das Problem."
Christoph Frank, Head of Process & Technology Solutions and Strategy bei der Logistics Group International, schreibt dazu: "Agiles Arbeiten ist immer noch das schlimmste Buzzword in der IT-Branche. Jeder versteht etwas anderes darunter und es wird als Lösung für alle (IT-)Probleme gesehen. Ich bin ein großer Fan von agilen Teams, aber man darf dabei die Herausforderungen in der Praxis nicht übersehen beziehungsweise muss an ihnen arbeiten, um erfolgreich zu sein: zum Beispiel fehlende Kenntnisse im Management und bei Mitarbeitern oder aktuelle Legacy-Systemlandschaften mit fehlender CI/CD-Landschaft."
Tobias Günthör, Group CIO der Stada Arzneimittel AG, plädiert beim Schlagwort "agile Transformation" für eine differenziertere Sicht: "Hier ist, wie bei den meisten Trends, Augenmaß wichtig. Ob agile, Waterfall oder hybrid, das ist eine Fall-zu-Fall-Entscheidung. Und der Mehrwert liegt meistens in der Verknüpfung der relevanten Vorgehensweisen, also 'UND' und nicht 'ODER'. Diese Entscheidung wird beeinflusst durch die Maturity des IT-Produkts und die Art der Problemstellung. Dies gilt besonders in einer regulativen Umgebung wie der Pharmabranche."
Tobias Renk, CIO von Mobene, ärgert sich über das weitverbreitete agile Framework SAFe: "Für mich eine Fehlskalierung von agil. Oder in anderen Worten: Der Wasserfall-Wolf im Agilitäts-Schafspelz!"
Arlene Bühler, CIO und CDO von DB Cargo, setzt sich mit dem arg strapazierten Akronym VUCA auseinander (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity): "Ich finde, das ist die Norm, wenn man/frau heutzutage in der IT arbeitet. Mein Motto lautet ja: IT ist wie ein Hundejahr, ein Jahr ist äquivalent mit sieben Hundejahren. Die Geschwindigkeit, in der sich neue Technologien durchsetzen, ist exponentiell. Deshalb bedarf es Menschen mit verschiedenen Hintergründen, die vor allem Lust haben, sich permanent neu zu erfinden und verschiedene Perspektiven einzunehmen."
Marcus Harrich, CIO der ams-OSRAM AG, hat die digitale Transformation auf seiner Buzzword-Liste. Sie werde "gerade gerne als Allheilmittel genutzt, wenn es um die Modernisierung von Legacy-geprägten Unternehmen geht. Mit der Einführung von neuen Tools erreicht man jedoch noch keine Transformation des Unternehmens. Es geht nicht darum, neue Technologien um der Technologie Willen einzuführen. Es sollte vielmehr die ganzheitliche Sicht, also die durch Menschen, Prozesse und Technologien gleichermaßen getriebene Business Transformation betrachtet werden."
Heimo Kern, Head of Corporate IT bei Neuroth International, äußert sich ähnlich kritisch wie sein Amtskollege Harrich: "Sicherlich bereits ein Highlight der vergangenen Jahre: das Buzzword 'digitale Transformation'. Buzzword deswegen, weil es völlig unspezifisch ist und deshalb für jedwede Initiative benutzt wird, um Veränderung und Innovation zu signalisieren. Egal ob Technologie-, Kultur-, Geschäftsmodellveränderungen - alles bekommt den Anstrich 'digitale Transformation'. Oft verbirgt sich dann hinter dem Begriff ein eher kleinteiliges Thema, das nichts mit einer grundlegenden Veränderung zu tun hat."
Auch Markus Grubwinkler, CIO von Haas Fertigbau, nennt das Schlagwort Digitalisierung: "Jeder sagt, man müsse die Digitalisierung in den Unternehmen vorantreiben, aber wenige haben eine Strategie dahinter."
Mario Daberkow, CIO von Volkswagen Financial Services, ärgert sich über das Schlagwort Hyperautomation: "Nach Automation fiel einem nichts mehr ein, dann wurde es hyper."
Für Jakub Piotrowski, CIO und CDO der BLG Logistics Group, heißt das nervigste Buzzword eindeutig Cloud: "Sätze wie 'Wir müssen in die Cloud' oder 'Cloud first', kann man als IT-Experte nicht mehr hören."
Thomas Reitz, Group CIO bei der Norma Group Holding, stört der verengte Blick auf die IT-Kosten: "Unsere IT-Rolle und Funktion im Unternehmen - und da sprechen ich und mein Team nicht nur von der Norma Group - hat sich stark gewandelt: vom Festplattentauscher zum echten Transformator. Wir werden (zu) oft als Kostenfaktor und Kostentreiber gesehen. Der Blickwinkel der Reduktion auf "wir verursachen" Kosten ist nicht mehr State-of-the-Art. Ein 360-Grad-Blick auf den IT-Wertbeitrag ist längst überfällig und wird unserer Rolle gerecht: #transformationbyIT."
Fabian Kötz, Technology-Vorstand der Netfonds AG, findet: "Der Begriff künstliche Intelligenz wird inflationär und unpassend eingesetzt - selbst in Zahnbürsten ist inzwischen angeblich KI. Das wird der Wissenschaft nicht gerecht. Einfachste Datenabfragen im neuen Gewand machen noch keine KI aus. Es geht um völlig neue Denkweisen und Strukturen zur Problemlösung. 'Die Macht der künstlichen Intelligenz ist so unglaublich, dass sie die Gesellschaft auf tiefgehende Weise verändern wird' (Bill Gates), und dieser Change wird nicht in einer Zahnbürste beginnen."
Andrea Sturmfels, CIO bei den Helvetia Versicherungen, nervt die inflationäre Verwendung des Buzzwords New Work, "denn es wird für alles gebraucht! Jede:r macht es. Egal ob man Bürofläche abbauen möchte, Kosten sparen will, mehr Verantwortung von Mitarbeitenden erwartet, Führungskräfte im hybriden Führen ausbildet oder auch die halbe Führungsmannschaft abschafft, alles ist 'New Work'. Der ursprünglich von Frithjof Bergmann geprägte Begriff zielt auf eine komplette Änderung von Erwerbsarbeit und Gesellschaft. Das erreichen wir mit unseren New-Work-Projekten wohl kaum."
Auch Matthias Voigt, IT-Leiter und Geschäftsführungsmitglied der Westfalen AG, hält das Thema New Work für überstrapaziert: "Bereits vor Corona hatten wir bei der Westfalen AG weitreichende Möglichkeiten des mobilen, digital-gestützten Arbeitens. Auch das Thema Arbeitsplatzergonomie und flexible Arbeitszeiten gehörte in der IT zum regulären Jobmodus. Natürlich hat Corona diese Entwicklung stark beschleunigt. Allerdings ist das 'Neue Arbeiten' nicht mehr so neu. Für die Westfalen IT ist 'New Work' zu einem etablierten, intuitiven Prozess geworden."
Robert Ebner, Konzernleiter IT bei der Ober Scharrer Gruppe, nennt als Buzzwords den elektronischen Arztbrief und die elektronische Patientenakte, "da uns dieses Thema an allen 135 Standorten betrifft, aber die Umsetzung noch gar nicht klar ist beziehungsweise ständig verschoben wird."
Andreas Meyer-Falcke, CIO des Landes Nordrhein-Westfalen, stört "die vielfach unbedachte Nutzung des Kürzels 'IT'. Viele Menschen denken, dass ich als 'Beauftragter der Landesregierung NRW für Informationstechnik' - salopp formuliert - der CIO für die Landes-IT bin. Aber mein Job ist die digitale Transformation der Verwaltung. Diese beruht auf Informationstechnik, aber sie endet nicht dort. Sie erfasst Organisationsstrukturen, Arbeitsprozesse, rechtliche Belange und Mindset. Statt in Silos müssen wir ganzheitlich denken."