Arndt Bode ist ein Exot. Zumindest in der deutschen Hochschullandschaft fühlt sich der Informatikprofessor von der Technischen Universität München (TUM) allein auf weiter Flur: "Ich bin vermutlich der erste CIO an einer deutschen Universität", sagt der 53-Jährige, seit Oktober letzten Jahres verantwortlich für die IT-Geschicke der Münchener Uni. Seine Aufgaben: Entwicklung einer Strategie, Koordination der Projekte an allen Dekanaten.
Ginge es nach der Deutschen Forschungsgemeinschaft, sollte das überall so sein. Bereits 2001 riet die vom Bund und von den Ländern finanzierte Förderorganisation zu einem "Generalverantwortlichen für Information und Kommunikation (CIO) in der Hochschulleitung für alle Bereiche der Hochschule". Doch bislang hat nur eine Hand voll Institutionen die IT-Verantwortung zentralisiert.
Außer an der TUM gibt es beispielsweise auch an der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg einen CIO, der hier Prorektor IT heißt. Wolfgang Lassmann ist seit zwei Jahren damit beschäftigt, eine IT-Struktur zu entwickeln und die Beziehungen zwischen Service und Anwendern zu regeln. "Das wird wie in der Wirtschaft", so der Informatikprofessor optimistisch.
Noch erledigt der 64-Jährige den Job nebenbei, aber er hofft auf Veränderung: "Der Aufwand ist einfach zu groß; das muss jemand hauptberuflich machen", stellt der Akademiker fest, der nächstes Jahr in den Ruhestand geht. Deshalb laufen an der Hochschule Vorbereitungen, einen hauptamtlichen CIO einzustellen - der freilich immer noch an den künftigen Prorektor IT berichten soll.
Ein CIO für jede Hochschule
Mit diesem Plan können sich die Sachsen der Zustimmung der Rechenzentrumsleiter aller Hochschulen sicher sein. Viele von ihnen sind Mitglied im ZKI, dem "Zentrum für Kommunikation und Informationsverarbeitung in Lehre und Forschung". Dort arbeitet eine achtköpfige CIO-Kommission seit Sommer an einem Grundsatzpapier, das noch einen langen Weg durch die Bürokratie vor sich hat: Es soll im Frühjahr 2003 der Deutschen Forschungsgemeinschaft, der Hochschulrektorenkonferenz und zuletzt der Kultusministerkonferenz vorgelegt werden. Hauptforderung: ein CIO für jede Hochschule.
"Ohne Unterstützung dieser Institutionen haben wir es schwer damit, unseren Rektoren plausibel zu machen, warum wir einen CIO brauchen", erklärt Werner Fitzner, Rechenzentrumsleiter der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder und Chef der CIO-Kommission, die Situation seiner Kollegen. "Das wird schnell als subjektives Problem des IT-Leiters abgetan", hat er erfahren. Seine Forderung: "Die Uni-IT muss ähnlich der eines Wirtschaftsunternehmens strukturiert werden." Langfristig, glaubt Fitzner, würden die Hochschulen zwar ohnehin CIOs einstellen - doch solange herrsche Wildwuchs.
Alltag an deutschen Unis: IT-Aufgaben werden meist dezentral in den Fakultäten, Instituten oder Lehrstühlen erledigt. Manchmal kümmert sich ein Institut um Fragen der Multimedia-Ausstattung von Hörsälen, manchmal aber auch das Dekanat. Einige Lehrstühle basteln sich ihre Internet-Auftritte selbst, andere vertrauen einer - jeweils anderen - Agentur. Junge Wissenschaftler, die sich zufällig für IT interessieren, vergeben Passwörter, bestellen Rechnerarbeitsplätze oder planen Chipkartensysteme für Abrechnungen.
Um die Kosten in den Griff zu bekommen, müssen künftige Uni-CIOs daher zunächst für Durchblick in diesem Dschungel sorgen. "Zersplitterte Zuständigkeiten führen zwangsläufig zu ineffizienten Abläufen", urteilt Bode. Zudem könnten die Kosten allein durch die Vermeidung von Mehrfachanschaffungen deutlich reduziert werden. Oberstes Ziel des Münchener CIOs ist es jedoch, Wissenschaftler wegzubringen von IT-Nebentätigkeiten und wieder der Forschung und Lehre zuzuführen. "Die Zahl dieser Mitarbeiter bewegt sich im dreistelligen Bereich", so Bode. Insgesamt arbeiten 480 Leute auf wissenschaftlichen Positionen an der TUM; mehr als 20 Prozent von ihnen verzetteln sich demnach in fachfremden Aufgaben.
Kaum Chancen für Nichthabilitierte
Ob der Job an der Uni für IT-Entscheider aus dem Business interessant ist, scheint zweifelhaft. Um auf rund 5000 Euro Gehalt zu kommen, müssten Kandidaten schon die Qualifikation für eine Professur mitbringen. Habilitierte IT-Executives sind jedoch rar.
Die Chance, ohne hohen akademischen Grad einen Uni-CIO-Stuhl zu ergattern, ist allerdings äußerst gering: "Dann müsste ja eine neue Stelle ausgeschrieben werden - und dazu fehlt überall das Geld", sagt Wollfried Stucky, Leiter des Instituts für Angewandte Informatik in Karlsruhe. Er weiß, wovon er spricht: Er suchte im vergangenen Jahr Bewerber für eine Stelle, die als C4-Professur ausgeschrieben war, aus Kostengründen jedoch auf C3-Niveau gekürzt wurde. Stucky fand trotzdem einen geeigneten Kandidaten. "Der muss den CIO-Job jetzt mit erledigen."