Wenn Wulf Bernotat (60) im Januar mit drei guten Freunden in den jährlichen Golfurlaub startet, gilt eine eiserne Regel: Men only. Frauen wollen auch was vom Land sehen, mal ins Museum gehen oder ins Konzert, und das würde nur vom Abschlagen ablenken. Men only heißt auch: Das Quartett muss die elf Tage ohne weibliches Organisationstalent wuppen. Wie Männer so sind, haben sie die Zuständigkeiten klar aufgeteilt: Einer kümmert sich um die Verpflegung (Müsli zum Frühstück, Müsliriegel auf den Fairways). Einer macht die Kasse, ein anderer verwaltet die Ergebnisse der diversen Partien auf dem Laptop.
Und Wulf Bernotat ist der Fahrer. Der Eon-Chef, für gewöhnlich mit Dienstlimousine und Chauffeur unterwegs, kurvt dann im Mietwagen durch Südafrika oder Thailand, während seine Kumpel im Fond lümmeln und aufgekratzt rufen, er möge mal auf die Tube drücken. "Er macht das prima", sagt der Verpflegungsbeauftragte, "nur manchmal vergisst er seinen Koffer im Auto, weil sich darum sonst sein Fahrer kümmert."
Auf den Golftrips ist Bernotat nicht der Vorstandsvorsitzende eines Dax-Konzerns, sondern der Wulf, der sich ein Doppelzimmer teilt und abends auf der Terrasse noch ein Skatblatt anfasst. Seine Mitspieler sind der Inhaber eines Hamburger Herrenmodengeschäfts, ein Futtermittelhändler und der Besitzer eines Golfplatzes in Dithmarschen. Seit 20 Jahren fahren die vier zum Golfen, elf Tage im Januar, mal Florida, mal Mallorca, oft Südafrika. Auch als 1990 der Golfkrieg ausbrach und Bernotat bei Shell war oder während der Übernahmeschlacht um Endesa ließ er sich die Zeit mit seinen engsten Freunden nicht nehmen. "Ich freu' mich das ganze Jahr auf diese Tage", sagt der Eon-Chef. "Keine Hierarchien, keine Taktik - es ist wahnsinnig entspannend, einfach man selbst zu sein."
So, wie es der Schriftsteller Ralph Waldo Emerson formulierte: "Ein Freund ist ein Mensch, vor dem man laut denken kann." Doch je höher eine Führungskraft aufsteigt, desto geringer wird die Zahl der Menschen, die ehrlich zu ihr sind. Sicher, Topmanager wie Bernotat kennen Hunderte von Leuten - doch mit den meisten verbindet sie ein Geflecht aus gegenseitigen strategischen Interessen. Hilfst du mir, dann helf' ich dir. Selbst legendäre Zirkel wie die Baden-Badener Unternehmergespräche oder die Similauner, wo die Reitzles, Hainers und Koflers die Deutschland AG feiern, sind bei aller Kumpelei doch in erster Linie Business-Netzwerke.
Dabei werden im Berufsleben zunehmend Fähigkeiten gefordert, die wir nur in Freundschaften lernen können: Vertrauen, Teamgeist, Kompromissbereitschaft oder Verhandlungsgeschick. Gerade für Manager sind enge private Freundschaften äußerst wichtig. "Führungskräfte sollten möglichst unterschiedliche und ehrliche Perspektiven kennen", sagt der Augsburger Topmanagement-Coach Eberhard Hauser. "Freunde bieten einen guten Abgleich von Selbst- und Fremdbild und schaffen so professionelle Stabilität." Freunde sagen Dinge, die sich sonst keiner traut. Sie erden und unterstützen. Und sie geben Rat, ohne eine eigene Agenda zu verfolgen.
Aber ist das in der obersten Etage überhaupt möglich, wo Effizienz und Nutzen regieren? Wer sind die besten Freunde der Topmanager? Wechseln sie mit dem Aufstieg in der Hierarchie? Und wie vertragen sich Freundschaften mit durchgetakteten 16-Stunden-Tagen?
Freunde schaden nur dem, der keine hat
In Umfragen über das Wichtigste im Leben rangiert Freundschaft stets an der Spitze - manchmal noch vor Partnerschaft und Familie. Wer gute Freunde hat, ist selbstbewusster und hat eine um bis zu 22 Prozent höhere Lebenserwartung, ergab eine Studie der australischen Flinders-Universität. Drei enge Freunde hat jeder Deutsche im Schnitt, und obwohl das Vorurteil von der sozial verkümmerten Führungskraft zum Weltbild beruflich weniger engagierter Menschen gehört, "bilden Manager keine Ausnahme", sagt Wirtschaftspsychologe Hermann Refisch, der über "Führung und Freundschaft" promoviert hat.
An prominenten Beispielen fehlt es nicht: Verleger Hubert Burda und Peter Handke sind eng befreundet, ebenso wie die PS-Narren und Ex-Konkurrenten Wendelin Wiedeking und Jürgen Schrempp oder Friede Springer mit der "Welt am Sonntag"-Kolumnistin Inga Griese. Manchmal ist das verbindende Element offensichtlich, wie bei den Superreichen Warren Buffett und Bill Gates, die auch privat dicke Kumpel sind - oder bei Christof Engelke, Miteigentümer der größten privaten Mühlengruppe in Deutschland, und Michael Glos, Ex-Wirtschaftsminister und gelernter Müller. Oft aber sind Zufälle im Spiel, wie bei Coty-Chef Bernd Beetz, der die Sopranistin Renée Fleming zum engsten Freundeskreis zählt, oder bei Thomas Krenz, Board-Mitglied bei Permira, der einen Hamburger Orthopäden beim Hockey kennenlernte und sich seither blendend mit ihm versteht.
Auffällig ist: Manager- und Unternehmerfreunde kommen zwar oft nicht aus dem Wirtschaftsumfeld - gehören aber in ihrem Bereich häufig ebenfalls zur Spitze. Mit einer bewussten Arroganz der Manager nach dem Motto "Wer hat den spektakulärsten Freundeskreis?" hat das wenig zu tun; viel aber mit der Tatsache, dass wir ohnehin meist mit Gleichgesinnten und -gestellten in Kontakt kommen - und der wissenschaftlichen Erkenntnis, "dass wir uns aus diesen unbewusst Freunde suchen, die uns möglichst ähnlich sind: gleiches Bildungsniveau, soziale Schicht, Werte", wie der Soziologe Christof Wolf sagt: "Freundschaft braucht ein Thema, ein gemeinsames Interessenfundament." Gerade bei Managern mit ihrem strengen Leistungsdenken entsteht so eine gewisse Homogenität.
Stefan Eikelmann (40) und Konstantinos Zarras (42) merkten schnell, dass sie auf einer Wellenlänge funken. Der Deutschland-Chef von Booz & Company und der Chefarzt der Chirurgie am Düsseldorfer St. Vinzenz-Krankenhaus lernten sich vor sieben Jahren beim Skifahren in Galtür kennen - über Eikelmanns Frau, die als Ärztin beruflich mit Zarras zu tun hatte. Seither fahren die Familien oft gemeinsam in Urlaub und treffen sich zwei-, dreimal im Monat zum Essen, zu Ausflügen oder zum Shoppen. Nicht nur die Familie (beide haben einen zwei Jahre alten Sohn) und die Begeisterung für Fußball (Zarras: Schalke, Eikelmann: Bremen) schaffen Gemeinsamkeit, sondern auch die gleiche Denkweise: "Wir haben beide eine sehr direkte Art und einen hohen Anspruch an uns selbst", sagt Eikelmann.
Wenn der Unternehmensberater und der ebenfalls nicht unter Langeweile im Job leidende Chirurg reden, geht es deshalb viel um das Management von Beruf und Familie und kaum um Klienten und Projekte. "Eher frage ich Stefan umgekehrt nach Budgetplanungen und ähnlichen Dingen, weil das die Hälfte meiner Zeit beansprucht", sagt Zarras, der sich wiederum mit ärztlichem Ratschlag bei Kinderkrankheiten revanchiert. Eikelmann schätzt besonders das Unkomplizierte der Freundschaft, die spontanen Besuche, "oder dass keiner eingeschnappt ist, wenn ein Termin mal platzt". Gar nicht so leicht sei es, jemanden zu finden, der dafür Verständnis habe, meint Zarras, und in der hierarchiegläubigen Medizinerwelt als Chefarzt Freundschaften zu schließen sei sowieso fast unmöglich: "Wenn ich den Oberarzt zum Kaffee bitte, schrillen bei dem doch sofort alle Alarmglocken."
Zwischen Funktionsträger und Privatperson
Ein Problem, das Topmanagern nur allzu bekannt sein dürfte. Denn das romantisch-deutsche Ideal, eine echte Freundschaft habe frei zu sein von Hierarchien und Abhängigkeiten, lässt sich in den Chefetagen nur schwer einlösen. "Menschen in Toppositionen sind extrem vorsichtig, weil sie Angst haben, ausgenutzt zu werden, und sich umzingelt sehen von Ansprüchen auf der einen Seite sowie Menschen, die ihnen nur nach dem Mund reden, auf der anderen. Viele kommen zu mir und sagen: "Ich vertraue nur meiner Frau", sagt Coach Hauser. Sie stecken im Dilemma zwischen Funktionsträger und Privatperson, und viele halten dann die Selbstkontrolle wie einen Schutzschild hoch, um nur ja nicht zu viel preisgeben zu müssen.
Kaum erstaunlich, dass Manager in Freundschaften am meisten Wert auf Diskretion und Vertrauen legen. "Wulf schätzt es, dass er bei uns nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen muss", sagt Dieter Worms, der Golfplatzbesitzer und Herr über das Frühstücksmüsli. Worms (58), wasserblaue Augen, graues Haar im sportlichen Schnitt, blickt auf Grün 18 seines "Guts Apeldör", wo sich die Altweibersonne im Wasserhindernis spiegelt, und erzählt, wie es so ist, mit einem Vorstandsvorsitzenden in den Ferien. Natürlich, da sind die Faxstapel von Eon, die in jedem Golfdomizil warten, und die Telefonate, für die schon mal ein Flight verschoben werden muss. "Wir kennen uns aber so lange, da wissen wir, wie auf wen Rücksicht zu nehmen ist. Jeder hat so seine Eigenheiten."
Soziologen nennen das die "Reziprozitätsregel": Freundschaften leben vom gleichberechtigten Austausch. Und deshalb wird abends bei gutem südafrikanischem Wein und Zigarren über die Frage, ob der Textilhändler einen neuen Laden kaufen und ob Worms neben dem Golfplatz ein Hotel bauen soll, genauso lebhaft diskutiert wie über Bernotats Besuch in Sibirien bei Gazprom.
Lebhaft - und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. "Wenn ich in einer Talkshow war, heißt es schon mal: "Mensch, warst du fahrig", sagt der Eon-Chef. Vor ihm steht feines Rosenthal-Porzellan, ein dicker Teppichboden dämpft Schritte und Stimmen, kein Laut dringt vom quirligen Rheinufer herauf in die Kommandobrücke des Energiekonzerns. "Wenn man täglich Presseclippings über Eon und sich selbst erhält, glaubt man schnell, man wäre überall im Fokus", sagt Bernotat. "Den Freunden ist das gar nicht so präsent, und das hilft mir selbst, die Dinge anders zu sehen."
Echte Freundschaften halten ewig
Ehrliches Feedback, andere Perspektiven, "Erdung" - die für Manager so wichtigen Nebenwirkungen sind am stärksten, wenn die Freundschaft die richtige Mischung aus Ähnlichkeit und Anderssein auszeichnet. Häufig hat das verbindende Element seinen Ursprung weit in der Vergangenheit: Untersuchungen zeigen, dass die engsten Freunde oft aus Studium oder ersten Berufsjahren stammen - auch Bernotat lernte seine Clique in seiner Zeit bei Shell in Hamburg kennen; der Herrenmodenhändler war damals sein Nachbar.
"Fast ebenso häufig entstehen private Freundschaften auch aus beruflichen Verbindungen - und zwar bei allen, nicht nur bei Managern", betont Psychologe Refisch. Die Grenze ist oft fließend: Joschka Fischer etwa ist Patenonkel eines Kindes von Allianz-Finanzvorstand Paul Achleitner; Alexander Dibelius, Deutschland-Chef von Goldman Sachs, ist Freund und Trauzeuge von Metro-Vorsteher Eckhard Cordes, managte aber auch die Chrysler-Übernahme, als der noch bei Daimler war - wo hört Geschäft auf, wo beginnt das Private?
Führungskräfte, meint Coach Eberhard Hauser, tendierten besonders dazu, Freundschaften stärker unter Effizienzaspekten zu sehen, allein schon aus Zeitnot: "Es muss etwas dabei herauskommen." So erklärt sich auch das verbreitete Phänomen, dass aus Geschäftspartnern, etwa in Extremsituationen, später oft Freunde werden: Der Banker, mit dem man bei einem Merger wochenlang zusammenarbeitet, oder der Pressesprecher, der einen durch die Untiefen einer Imagekrise lotst.
Gerhard Niesslein (55), seit November Vorstandssprecher der IVG Immobilien, lernte seinen besten Freund vor 15 Jahren bei einem privaten Dinner kennen: Der Anwalt Robin Fritz (53) vertrat einen Klienten gegenüber der Helaba, wo Niesslein damals im Vorstand saß - man kam ins Gespräch. "Wer seinen Job mit Überzeugung macht, der hat auch viele Freunde aus diesem Umfeld", meint der Jurist und gebürtige Österreicher.
Dem privaten Charakter einer Freundschaft muss das keinen Abbruch tun: Nicht ihr Ursprung ist entscheidend. Sondern ob es darin hauptsächlich um geschäftliche Interessen geht oder der Manager tatsächlich frei von taktischen Überlegungen agieren kann und ehrliches Feedback bekommt.
Mittlerweile fahren Fritz und Niesslein vor Weihnachten eine Woche Ski oder gehen wandern - und treffen sich jeden Samstag in der Frankfurter Kleinmarkthalle, kaufen Obst und Gemüse "und kabbeln uns danach beim Italiener über Politik", scherzt Niesslein: "Ich lege auch beruflich viel Wert auf persönliche Beziehungen, und Robin hilft mir, Leute einzuschätzen." Und als Niesslein kürzlich als Geschäftsführer der DeTeImmobilien abgelöst wurde, nachdem diese von der Strabag gekauft worden war, beriet er sich mit Fritz auch über neue Jobangebote. "In solchen Phasen ist es viel wert, sich mit jemandem auszutauschen, der nicht alles weitertratscht und der mir hilft herauszufinden, wo ich noch hinwill."
Wie Männer Freunde finden
Männer brauchen oft viele Jahre, bis aus einer unverbindlichen Kumpelei bei Sport und Bier eine Freundschaft wird, die auch als Sicherungsnetz in Umbruchzeiten taugt. "Mir ist es wichtig, private Freunde zu haben, die mich auch grüßen würden, wenn ich kein CEO wäre", sagt Friedrich Joussen (45). Es ist Freitagnachmittag, morgen fliegt er nach Zypern. Die Stimmung ist also gelöst, während der Chef von Vodafone Deutschland und Arcor mit Holger Winklbauer, seinem besten Kumpel aus Studientagen, im Büro über einem Stapel alter Fotos sitzt: Segelausflüge, Joussens Hochzeit mit Trauzeuge Winklbauer, das Diplomarbeitsjahr in Amerika, wo man sie nur "the German twin towers" nannte, und die Margaritas bei "Husson & Larry's" (Joussen: "Das waren nie viele" - Winklbauer: "Aber große!"). Jedes Bild eine Anekdote, jeder Satz ein Insiderwitz - die Krawatten sind weg, die Jacketts über der Lehne, und die zwei Mittvierziger amüsieren sich wie die Könige.
"Uns verbindet vieles, aber nicht der Beruf", sagt Winklbauer (44), als Managing Director bei der Post verantwortlich für das Qualitätssteigerungsprogramm "First Choice", ein Schlaks mit schwarzem Haar und einem Lachen, das selbst dann im Auge blitzt, wenn er etwas Ernstes sagt. Der gleiche Phänotyp wie Joussen - hemdsärmelig, humorvoll, impulsiv. "Wir sind zielorientiert, haben aber dabei einen eher entspannten Angang ans Leben", sagt der Vodafone-Manager, und man sieht sie regelrecht vor sich, als angehende Elektroingenieure in den 80ern an der RWTH Aachen, wie sie im "Club Ritz" immer als Letzte die Tür abschlossen, wie Winklbauer fast eine Klausur verpasste, weil er zu spät vom Segeln vor Dänemark zurückkam, oder wie er, weil sein Freund krank war, als "Friedrich Joussen" bei einem Tennisturnier antrat - und die nächste Runde erreichte.
Seit vielen Jahren spielen sie mit drei anderen aus der Studienclique Doppelkopf, telefonieren oder machen zusammen Urlaub. "Natürlich habe ich auch viele interessante berufliche Kontakte, aber Holger kenne ich 25 Jahre, das ist eine ganz andere Basis", sagt Joussen. Beide sind beruflich extrem eingespannt, haben Frau und jeder vier Kinder, aber die rheinische Leichtigkeit hat überdauert - etwa wenn Winklbauer beim Doppelkopf sagt: "Lasst uns länger machen, dann fahr ich morgen früh gleich zum Flughafen."
3,3 Stunden täglich bleiben der deutschen Führungskraft laut einer Studie für Familie und Freunde. Darauf kann man antworten: "In dem Job können Sie sich Freundschaften nicht leisten." Oder, wie Joussen sagt: "Diese Aufgabe können Sie nur schaffen, wenn Sie gute Freunde haben." Denn Freundschaft habe weniger mit Zeit als mit Intensität, Ritualen, Erinnerungen zu tun. Und mit Wollen - ein schneller Kaffee in Bonn oder Düsseldorf ist immer drin: "Ich möchte meine privaten Beziehungen nicht vom Beruf abhängig machen."
Freunde sind wichtig für das Selbstwertgefühl
Dass nur wenige Jungsfreundschaften Studium und erste Berufsjahre überdauern, liegt also weniger am Zeitmangel. Sondern am männlichen Konkurrenzdenken. Joussen und Winklbauer sind beide Manager und zudem in verschiedenen Branchen - das ist ideal, weil der direkte Vergleich entfällt. "Wenn aber beide in gleicher Ausgangsposition starten, und einer steigt schneller auf, beendet der andere oft die Freundschaft, weil die Augenhöhe fehlt", sagt Soziologe Wolf. Freunde loben dich für gutes Schwimmen, nachdem du gerade gekentert bist. Wolf: "Sie sind wichtig für unser Selbstwertgefühl, und das wird angekratzt, wenn man ständig vor Augen hat, dass es das Gegenüber weiter gebracht hat." Noch ein Grund, warum Freunde mit dem Aufstieg wechseln - und ab einer bestimmten Ebene kaum neue dazukommen.
Allerdings haben gerade Jugendfreundschaften gute Überlebenschancen, wenn der Karriereturbo in ganz unterschiedlichen Bereichen zündet. Hermann Kreitmeir (55) sitzt seit 24 Jahren für die CSU im Stadtrat von Lindau, war Vizeweltmeister im Surfen, betreibt eine Surfschule am Bodensee - und ist seit dem Gymnasium einer der besten Freunde von Andreas von Bechtolsheim (53), Mitgründer von Sun Microsystems, Serienentrepreneur und Milliardär. "Andreas ist auf dem Teppich geblieben, er gibt kaum Geld aus, im Kühlschrank sind meist nur Milch und Müsli. Aber im Supermarkt in Palo Alto stellt er mich dann Sergej und Larry vor."
Fünf Jahre saß er mit Bechtolsheim in der gleichen Bank, dem hochbegabten Birkenstock-Träger und Tüftler, der für Schulpartys schnell mal eine Lichtorgel bastelte, "während wir uns um die Mädchen kümmerten", wie Kreitmeir sagt. Nach dem Abitur verloren sich die beiden kurz aus den Augen - bis Bechtolsheim eine Nachricht aus Stanford schickte. Seitdem schreibt Kreitmeir regelmäßig Briefe an das Stanforder Postfach, sie treffen sich zum Surfen oder auf Kreitmeirs Weingut im Piemont, cruisen mit dem Auto die kalifornische Küste entlang und feiern ihren Geburtstag, der praktischerweise am selben Tag ist - wie 2005, als Bechtolsheim 50 wurde und sich 150 Gäste im Haus des Surflehrers über amerikanische Burger und bayerische Weißwürschtl hermachten.
Bechtolsheim ist das vermögende Genie - aber Kreitmeir gibt Nachhilfe in Lebenskunst: "Wenn ich in Kalifornien bin, dann schleppe ich ihn in gute Lokale oder koche selbst, wir reden über Weine, Reisen oder Kinder." Konkurrenz, sagt Kreitmeir, war nie ein Thema. Und Bechtolsheim mailt aus Kalifornien: "Unser Verhältnis ist genauso offen wie früher in der Schule. Geld hat mit Freundschaft nichts zu tun."
Die Freunde von Eon-Chef Bernotat
Aber mit kleinen Gesten. Zur Feier von Bernotats 60. Geburtstag hatte das Golf-Quartett für die alljährliche Reise ein ganz spezielles Ziel aufgetan, ein Mekka des Golfsports: Scottsdale, Arizona. Inklusive Besichtigung der legendären Schlägermanufaktur Ping, wo Bernotat ein Eisen, abgemessen nach seinen individuellen Körpermaßen, quasi an die Schlaghand designt wurde. Der Schläger kostete den Eon-Chef keinen Cent: Seine Freunde luden ihn ein.