Analysten-Kolumne

ECM-Plattform-Strategie - eine Chance zur IT-Konsolidierung

12.12.2007 von Robert Wilke
Wirtschaftlichkeit und Kostenreduzierung sind seit geraumer Zeit die wahrscheinlich am häufigsten zitierten Schlagwörter in Zusammenhang mit IT. Einer der möglichen Wege dies zu erreichen, ist die IT-Konsolidierung. Enterprise Content Management (ECM) Systeme können hierbei einen interessanten Ansatz bieten. Ziel ist, die IT-Infrastruktur auf einen ressourcen- und kostenoptimalen Kern zu reduzieren.
Capgemini-Analyst Wilke: "Eine ECM-Plattform, die eine einzige Infrastruktur nutzt, kann die Kosten enorm senken."

In den Augen mancher ist das Thema Dokumenten-Management-Systeme (DMS)/ECM schon etwas in die Jahre gekommen. Doch ECM und damit auch dessen Zugpferd DMS erleben zurzeit eine Renaissance. ECM bietet nämlich deutlich mehr als eine elektronische Aktenführung und Workflow bzw. elektronische Vorgangsbearbeitung. Im Zusammenspiel der inzwischen größtenteils marktreifen ECM-Komponenten mit dem klassischen DMS liegt ein Potenzial, das es zu heben gilt: Durch konsequentes Verankern des ECM-Plattform-Gedankens in der IT-Strategie von Unternehmen und Behörden.

Den Dschungel allzu heterogener Systemarchitekturen lichten

In den letzten Jahren wurden für viele Anwendungsbereiche so genannte "best of breed" Lösungen eingeführt. Das führte in der Regel zu extrem heterogenen Systemlandschaften und Architekturen, mit allen damit zusammenhängenden Vor- und Nachteilen (u.a. auch eine große Anzahl an Dienstleistern). Fast alle IT-Services mussten x-fach ausgelegt werden, entsprechend der Anzahl der betriebenen IT-Systemarchitekturen. Gelänge es, diese zu reduzieren bzw. zu harmonisieren, ohne das Service-Portfolio und die damit verbundenen Anwendungen zu reduzieren, wäre das für viele IT-Abteilungen ein deutlicher Schritt nach vorne. Denn eine ECM-Plattform, die eine einzige Infrastruktur nutzt, kann die Kosten enorm senken.

Mit ECM-Systemen die Anzahl der betriebenen Systemarchitekturen reduzieren

Eine ECM-Plattform kann die bisher meist gültige Regel "neue Anwendung = neue Systemarchitektur" aufbrechen. So genannte ECM-Suiten bieten verschiedene integrierte ECM-Komponenten, darunter DMS, Workflow/Vorgangsbearbeitung, Recordsmanagement/Registratur, CMS, Collaboration, Digital Asset Management, Archiv oder Formular-Management. Eine neue Anwendung kann im Idealfall eine bereits vorhandene ECM-Komponente nutzen. Neben dem Vorteil, die bereits bestehende Systemarchitektur und die dazugehörige Infrastruktur nutzen zu können, lassen sich auch Projektmethodik und Anwendungsentwicklung standardisieren, was wiederum direkt zu einer effizienteren Projekteinführung beiträgt.

Bebauungsplan für eine ECM-Plattform-Strategie

Um eine ECM-Plattform-Strategie zu verwirklichen, ist ein realistischer ECM-Bebauungsplan, der unter anderem folgende Fragestellungen behandelt, notwendig:

Es gilt also ein Projektportfolio zu definieren und die Einzelprojekte auf eine kurz-, mittel- und langfristige Zeitschiene "zu setzen".

Eine Projekt-Ideen-Qualifizierung kann üblicherweise in Form einer Potenzialanalyse stattfinden. Hierzu werden die bestehenden Kernprozesse (geschäftskritische Prozesse) und die Querschnittsprozesse (administrative Prozesse) in Form einer High-Level Gesamtübersicht dargestellt und nach ihrem Unterstützungsbedarfs durch ECM-Technologien bewertet. Idealerweise wird für diese Prozesse eine erste Wirtschaftlichkeitsbetrachtung (business case) durchgeführt.

Modell eines ECM-Bebauungsplans.

Dabei spricht ein business case nicht in jedem Fall für die Einführung einer ECM-Komponente. Erschwerend kommt hinzu, dass nicht jede ECM-Komponente den entsprechenden Reifegrad oder die gewünschte Integration in die vom Hersteller angebotene ECM-Suite besitzt. Hier kann durchaus auch der Einsatz der ein oder anderen best-of-breed Lösung mittel- oder langfristig sinnvoller sein als eine ECM-Komponente. Es gibt daher keinen Automatismus für die schrittweise Einführung sämtlicher ECM-Funktionalitäten. All diese Rahmenbedingungen müssen bei der Erstellung eines ECM-Bebauungsplans beachtet werden.

Wirtschaftlicher Betrieb von konsolidierter IT

Wesentlich für den langfristigen wirtschaftlichen Betrieb und die Weiterentwicklung der ECM-Plattform ist der Know-how-Transfer während der Projektlaufzeit. Nicht immer muss gleich ein Competence Center gegründet werden. Es sollten aber in-house Ressourcen eingeplant werden, die in der Lage sind, eine ECM-Plattform im laufenden IT-Betrieb inklusive Help-Desk zu betreiben und bei Bedarf, Anpassungen und Weiterentwicklungen auch selbständig vorzunehmen. Wenn die Anwendungen implementiert werden, sollte bereits darauf geachtet werden, dass möglichst nahe am Standard umgesetzt wird und Migrationen von Bestandsanwendungen nicht zu 1:1 Kopien führen.

Damit die ECM-Plattformstrategie aber nicht schon in der Konzeptphase stecken bleibt und an Budget oder Ressourcenengpässen scheitert, sollte rechtzeitig geplant werden. Ein klassisches Hilfsmittel hierzu sind so genannte Projektphasen-Steckbriefe, in denen Ergebnistypen und der erwartete Aufwand geschätzt werden. Auf deren Basis kann dann eine interne Abdeckbarkeit bzw. ein externer Unterstützungsbedarf kalkuliert werden.

IT-Konsolidierung mittels ECM-Plattform erfordert konsequentes Handeln

Bei der Standardisierung der ECM-Einführungsmethodik tritt ein interessanter Effekt auf: Normalerweise hinkt die öffentliche Verwaltung den Unternehmen der freien Wirtschaft in vielen Bereichen der IT hinterher. In diesem Fall allerdings hat die öffentliche Hand überraschenderweise die Nase vorn. Im Gegensatz zu konkurrierenden Unternehmen existiert nämlich im öffentlichen Sektor ein gemeinsames Interesse an der Wissensaufbereitung und Wiederverwendung von Methodiken und Lösungen - und damit auch an IT-Konsolidierungen.

Um die Chance zur IT-Konsolidierung zu ergreifen, wird ein realistischer "Bebauungsplan" der Anwendungslandschaft mit ECM-Komponenten benötigt. Die Umsetzung der ECM-Plattformentscheidung setzt eine konsequente und langfristige Verankerung in der IT-Strategie voraus, anderenfalls bringt auch die Einführung einer ECM-Plattform kein Licht in den Dschungel. Ein halbherziges Vorgehen bewirkt genau das Gegenteil: Statt einer IT-Konsolidierung, würde die Heterogenität der Systeme weiter ausgebaut werden. Schließlich gilt auch hier: Wenn der IT-Betrieb effizienter gestaltet werden soll, lässt sich mit weniger manchmal mehr erreichen.

Robert Wilke ist Manager Public Services bei der Capgemini Deutschland GmbH.