Wann immer Jose Pagès, CIO beim Private Wealth Management der Deutschen Bank in Genf, Zeit hat, wie auf dem Europäischen Bankenkongress in Frankfurt, holt er seinen "Blackberry" aus der Tasche und checkt seine E-Mails. Sämtliche Post wird automatisch auf die Maschine gepusht, durch automatischen Abgleich mit dem Bank-Mailserver sind der mobile Client und der Büro-Account stets auf dem gleichen Stand. "Ich bekomme zwar jetzt sehr viel mehr Nachrichten, dafür ist aber meine Telefonrechnung in den Keller gegangen, weil ich von überall her per Mail antworten kann",erzählt Pagès. Den Geschäftsführer der deutschen Niederlassung des Herstellers Research In Motion, Ulf Baltin, freuen solche Geschichten: "Für uns ist die Empfehlung unter Kollegen die beste Werbung", sagt er.
Eine Art "Digital Divide" trennt mobile Unternehmen von solchen, wo es als vollständiger Telearbeitsplatz gilt, wenn der Mitarbeiter telefonisch erreichbar ist, wie Unternehmensberater hämisch kolportieren. In vielen Firmen haben CIOs die Bedeutung der drahtlosenKommunikation für die Zukunftsfähigkeit ihrer Geschäftsprozesse erkannt. Doch der IDC-Studie "Was Business-Kunden wirklich wollen" zufolge herrscht trotz des Hypes um Mobilität in Deutschland Verunsicherung: 74 Prozent der deutschen Firmen hätten keine Strategie für die Verwendung mobiler Daten. Für 30 Prozent sind die Umsetzungskosten der Grund, für 20 Prozent Zeitmangel. Fazit von IDC: "Die mobile Datenkommunikation steckt immer noch in den Kinderschuhen."
Zu den Skeptikern zählt auch Charles Homs, Senior Analyst bei Forrester Research. "Ich halte nichts davon, jeden Mitarbeiter mobil zu machen, der seine Arbeit auch im Büro erledigen kann. Bisweilen sind die Marketing-Botschaften von SAP und anderen Herstellern zu enthusiastisch." Mitarbeiter im Büro seien grundsätzlich produktiver. Klüger könnte es für Unternehmen auch sein, sich Techniken zu überlegen, damit die Mitarbeiter nicht so viel unterwegs sein müssen. Jeder CIO sollte sich überlegen, welche noch moderneren Lösungen es gibt, die es ermöglichen, dass niemand mehr vor Ort sein muss." Als Erstes angebunden wird stets der Außendienst, in dessen mobilen Büros es um Auftragserteilung, die Abfrage von Kunden- und Bestandsdaten sowie um E-Mail-Anwendungen geht. Der Einsatz von Laptops, PDAs und Mobiltelefonen über Breitbandnetze wird in diesen Bereichen zum differenzierenden Wettbewerbsfaktor. Für die Firmen zahle sich die mobile Optimierung der betrieblichen Abläufe in Produktivitäts- und Effektivitätsgewinnen aus, behaupten die Hersteller. Homs dagegen warnt: "Für viele reicht eine abgespeckte Version, etwa des CRM-Systems, völlig aus. Die meisten Mitarbeiter müssen gar nicht immer Zugang zu allen Daten haben."
RoI-Berechnungen greifen zu kurz
Auch beim Thema Mobilität stehen natürlich die Kosten im Vordergrund. Mit der Anschaffung mobiler Geräte ist es bei weitem nicht getan: Der größte Kostenblock entsteht bei der Einbindung der mobilen Systeme in das Backend und bei der Integration in IT-Architektur und Anwendungslandschaft. Zudem sind RoI-Berechnungen oft schwierig und ungenau, weil sie sich lediglich auf technische Rationalisierungsgewinne richten. "Bei dieser Betrachtungsweise bleibt Potenzial zur Prozessrationalisierung, das mobile Lösungen erschließen können, häufig ungenutzt oder entsteht bestenfalls zufällig", sagt Volker Gruhn vom Lehrstuhl für Angewandte Telematik und E-Business an der Universität Leipzig.
Dabei befinden sich CIOs heute, wie die Meta Group in ihrer Marktstudiefeststellt, in einem Dilemma: Auf dereinen Seite fordern die Nutzer den Einsatz drahtloser und mobiler Technologien. Auf der anderen Seite stagnieren die IT-Budgets. Zudem ist die technologische Entwicklung im Bereich Mobile Computing enorm schnell, Geräte und Anwendungen haben sehr kurze Innovationszyklen.
Der Markt wird zunehmend von den Nutzern getrieben: "Immer mehr Mitarbeiter bringen private PDAs und Laptops ins Büro mit und schließen sie irgendwie an das Firmennetzwerk an", weiß Klaus-Peter Scheer von der Meta Group. Dieser Wildwuchs bringe große Sicherheitsprobleme mit sich. Anwendungsintegration sei derzeit noch ein Stiefkind im Bereich desMobile Computing, sagt Wolfram Funk, Senior Consultant bei Meta Group. Und auch die Integration der notwendigen Sicherheitslösungen führe heute zu einem Flickwerk verschiedenster Produkte, das den Anwender überfordere und für den Administrator sehr aufwendig sei, so Informatikprofessor Bernd Lutterbeck von der TU Berlin.
Tatsache ist, dass der mobile Markt wächst: 460 Millionen Dollar haben europäische Unternehmen 2002 für das mobile Business - die Nutzung von Unternehmensdaten durch Außendienstler mittels Handheld-PCs und des Einsatzes von Middleware-Software - ausgegeben, so Datamonitor. In den USA wird es 2003 laut Meta Group einen Zuwachs von elf Prozent bei PDAs, 14 Prozent bei Handhelds und 25 Prozent bei Laptops geben. Immerhin ein Drittel der Global-2000-Unternehmen haben laut Meta Group 2002 ihre Ausgaben für Wireless Services - Sprache und Daten - gegenüber dem Vorjahr erhöht, während nur zwölf Prozent der Befragten ihre Investitionen in diesem Bereich zurückgeschraubt haben. 65 bis 75 Prozent der 2000 weltweit größten Unternehmen werden bis Ende 2005 mindestens eine mobile Applikationskomponente einsetzen. "Bei den meisten dieser Komponenten", sagt Meta-Forscher Funk, "wird es sich um Erweiterungen bestehender Systeme für Enterprise Resource Planning (ERP), Sales Force Automation und Customer Relationship Management (CRM) handeln." Gruhn gibt jedoch zu bedenken: "Je mehr sich dieAnforderungen der Mobile Data Corporate Solutions von den Standard- und Massenanwendungen wie SMS, MMS und E-Mail entfernen, desto schwieriger wird die Einschätzung, wie sich der Markt der mobilen Geschäftsanwendungen entwickeln wird."
WLAN-Erfolg hängt an Standardisierung
Wireless LAN könnte für mobile Business-Anwendungen laut Detecon International zum Geschäftserfolg auf dem Massenmarkt werden. Aber auch bei der WLAN-Nutzung gibt es Hindernisse, etwa das noch fehlende Roaming, also die bruchlose Übergabe zwischen WLAN-Punkten. "Die Kunden müssen das Netz unabhängig vom Provider oder Hotspot-Betreiber nutzen können", fordert Hans Jürgen Tscheulin von Detecon. "Es darf keine Technologieauflagen, keine komplizierten Abrechnungssysteme und keine Roaming-Grenzen geben", sagt auch IDC.
Ein Grund für den Siegeszug von WLAN ist, dass UMTS immer noch in der Versuchsphase steckt - die nach übereinstimmender Aussage aller vier deutschen Mobilfunkunternehmen noch bis zur Cebit im März kommenden Jahres dauern wird. "Welche Dienste angeboten und welche vom Kunden nachgefragt werden, ist noch unklar", sagt Brian Marshall von der IT-Beratungsgesellschaft American Management System. Denn viele Mobilfunkanbieter hätten sich bisher zu sehr auf die Technologie konzentriert, anstatt die Nachfrage anzukurbeln.
"WLAN ist der erste Schritt zu UMTS", meint Ariane Afrough, Marktforscherin bei IDC. "Aber es ist eine langsamere Migration, als es die Presse prognostiziert." Als interessante Zwischenlösung sieht Afrough GPRS-Karten für Notebooks, mit denen man E-Mails bereits mobil abrufen kann. WLAN sei noch eine Insellösung. "Es muss bald eine Anbieter- und Technologie-übergreifendeRoaming-Situation geben. Da sind die Anbieter noch etwas schwerfällig", kritisiert sie. "WLAN, GPRS und UMTS werden miteinander verschmelzen, so ihre Prognose. "Da wird es Synergien geben."
Wie bei allen drahtlosen Techniken steht neben den Kosten die Datensicherheit oben auf der CIO-Agenda:sichere Ende-zu-Ende-Verbindungen, die aufgebaut werden, sobald der Mitarbeiter sich ins Firmennetz einwählen will. Die TU Berlin warnt in einer Studie für das Bundesinnenministerium: "Mobile Endgeräte sind für den Einsatz in Unternehmen und Verwaltungen nurbedingt sicher". Sie müssten durch die IT-Abteilungen zentral administriert werden, eine leistungsfähigeAdministrationskomponente sei jedoch nicht verfügbar.
Beispiele für gelungene Mobil-Integration
Unabhängig von UMTS entwickelten sich die bisherigen Datendienste trotz hoher Marktpenetration mit GPRS-fähigen Handys nur langsam, so Detecon-Mann Tscheulin. Hauptschuld hätten die Netzbetreiber, deren Produkte und Preise an den Kundenbedürfnissen vorbeigingen. "Die versprochenen Wettbewerbsvorteile besserer Service, höherer Umsatz und geringere Kosten treten nicht automatisch ein", so Detecon-Berater Sebastian Busch.
Beispiele für gelungene mobile Datenkommunikation werden in diesem Schwerpunkt beschrieben: Die Firma Still in Hamburg, Hersteller von Gabelstaplern und Förderfahrzeugen, hat die Serviceprozesse ihrer 700 Techniker in Deutschland via GPRS automatisiert. Sie warten und reparieren die Flurförderzeuge vor Ort beim Kunden, die Materialien bestellen sie jetzt direkt via Notebook bei der Zentrale. Die LVM Versicherung in Münster - drei Millionen Kunden mit insgesamt mehr als sieben Millionen Verträgen - ist nach Ansicht von Volker Gruhn, Verfasser der "Trendstudie Mobile Data Corporate Solutions bei Versicherungs- und Versorgungsunternehmen", derzeit in ihrer Branche am weitesten, was die Vernetzung der Außendienstler angeht.
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