Falk Janotta muss fast ein bisschen lachen: "Nein, ich bin nicht bindungsscheu", sagt der 51-Jährige. "Aber mir liegt die Vielseitigkeit, die das Arbeiten als Interim Manager mit sich bringt." Vor viereinhalb Jahren hat sich der Diplom-Informatiker nach einer Umstrukturierung bei seinem damaligen Arbeitgeber selbständig gemacht. Und seit vier Jahren ist er nach eigenen Angaben immer im Einsatz - meist für sechs bis neun Monate.
Janotta führt zum Beispiel auf Basis der IT Infrastructure Library (ITIL) einen Service Desk ein, er verhandelt Outsourcing-Verträge und begleitet die Migration, er baut einen dauerhaften IT-Verantwortlichen auf. Einmal - das war ein Einsatz für zwölf Monate in England - hat er eine komplette IT-Strategie entwickelt. "In den vier Jahren meiner Arbeit als Interim Manager hatte ich keine Wiederholung", sagt Janotta.
Eine Arbeitsweise, die so manchen reizt - etwa 5.600 professionelle Interim Manager gibt es in Deutschland, schätzen die Mitglieder der Dachorganisation DDIM (Dachgesellschaft Deutscher Interim Manager e.V.). Dazu ein paar Zahlen: Die DDIM gibt in ihrem "Marktbarometer 2007" ein Marktvolumen von rund 490 Millionen Euro an.
Um sich von diesem Kuchen etwas abzuschneiden, greift fast jeder Dritte auf Unterstützung zurück: Dreißig Prozent von 470 Interim Managern, die die DDIM in Zusammenarbeit mit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt für das Marktbarometer befragt hat, erhalten ihre Aufträge über Provider und Headhunter. Derzeit sind 24 Provider auf dem Markt aktiv, 19 davon haben sich unter das Dach der DDIM gestellt.
Provider verlangen meist einen Aufschlag von 25 Prozent des Tagessatzes, den der Kunde übernehmen muss. Im Schnitt kassiert ein Interim Manager laut DDIM 980 Euro pro Tag - das kann bei Spitzenleuten aber auch bis 3.000 Euro gehen. Der Provider Ludwig Heuse nennt in seiner Umfrage "Interim Management 2008" einen Durchschnittssatz von 937 Euro.
Heuse führt seine Umfragen einmal im Jahr durch, im vorigen Februar haben 473 Interim Manager teilgenommen. Glaubt man ihren Angaben, sind sie auf eine wahre Goldgrube gestoßen: Seit drei Jahren steige die Nachfrage, voriges Jahr sind ihnen im Schnitt 4,5 Anfragen ins Haus geflattert. Weil sie nur 1,7 Projekte im Jahr durchführen, können sie es sich aussuchen. Laut Heuse sind Interim Manager an 158 von 220 Arbeitstagen beschäftigt, das entspricht einer Auslastung von 72 Prozent. Die DDIM gibt 147 Tage an.
Die Teilnehmer der Heuse-Umfrage gehen von einem Wachstum von elf Prozent aus, die DDIM stellt für dieses Jahr eine Prognose von 13 Prozent Zuwachs. "Einzelne Provider melden ein Plus von 50 Prozent", so Jens Christophers, Vorstandschef der DDIM.
Klingt, als blieben keine Wünsche offen. Dennoch: Anders als beispielsweise in England konnten sich Interim Manager in Deutschland bisher noch nicht etablieren. Das will Jens Christophers ändern - und dabei scheut er keine klaren Worte. "Es gibt immer noch das Vorurteil, Interim Manager seien gescheiterte Existenzen, die es als festangestellte Manager nicht geschafft haben", sagt der 43-Jährige.
Qualität contra Vorurteile
Gegensteuern soll das Sichern von Qualität. Ein Auswahlverfahren inklusive persönlichem Gespräch soll dafür sorgen, dass sich nur Manager der ersten und zweiten Ebene, also Geschäftsführer und Abteilungsleiter, mit dem Siegel DDIM schmücken dürfen. Eine Mitgliedschaft kostet denn auch 600 Euro im Jahr. Jens Christophers ehrgeiziges Ziel: Er will die Elite und er will sich am Markt auch so auftstellen. "Unternehmen sollen wissen, dass sie unsere Mitglieder unbesehen beauftragen können", sagt Christophers.
Denkbar sei auch ein Qualitätsnachweis per Zertifizierung. DDIM-Mitglied Falk Janotta ist in diesem Punkt allerdings skeptisch. "Das beste Zertifikat ist ein erfolgreich abgeschlossenes Mandat", so der IT-Manager nüchtern. Ihm ist in punkto Qualitätssicherung daran gelegen, dass sich die Dachgesellschaft nicht für Manager der dritten und vierten Ebene öffnet.
Schließlich haben die "Chefs auf Zeit" verantwortungsvolle Aufgaben zu bewältigen. Laut der Umfrage von Ludwig Heuse werden Interim Manager vor allem dann in die Unternehmen geholt, wenn Sanierungen oder Restrukturierungen anstehen. Dieser Punkt liegt mit 26 Prozent der Nennungen vorn. Außerdem sollen die Interim Manager zusätzlichen Bedarf abdecken, Vakanzen überbrücken, Projekte leiten oder coachen. Matthias Cropp, Partner bei Ludwig Heuse, versichert: "Mitarbeiter sprechen gegenüber einem Interim Manager häufig viel offener über ihre Probleme." Diesen Vorteil will auch Falk Janotta beobachtet haben. Er bringt es auf folgende Formel: "Ein Interim Manager hat im Unternehmen weder eine Vergangenheit noch eine Zukunft."
Aus Janottas Sicht fährt ein Unternehmen mit einem Interim Manager jedenfalls besser als mit einem Unternehmensberater. "Manager auf Zeit beraten nicht nur und entwickeln Ideen, sondern packen auch bei der Umsetzung an", sagt er. Immerhin kennen sie den Arbeitsalltag: Im Schnitt sind die DDIM-Mitglieder 52 Jahre alt und haben 17 Jahre Berufserfahrung auf dem Buckel, bevor sie sich für das Leben als Interim Manager entscheiden.
Dabei dürften Informatiker wie Janotta in der Minderheit bleiben. Auf drei bis fünf Prozent schätzt er seine Berufsgruppe und bleibt damit unter den Selbstangaben der DDIM-Mitglieder, denen zufolge rund zehn Prozent aus der IT kommen. Den Schwerpunkt bilden Betriebswirte.
Interim CIOs bringen Business-Denke mit
Angesichts des Fachkräftemangels in technischen Berufen haut DDIM-Chef Jens Christophers gerade in Richtung IT kräftig auf die Werbetrommel. Für ihn schlägt ein Unternehmen, das sich einen Interim-CIO ins Haus holt, zwei Fliegen mit einer Klappe. Es bekommt einen Informatiker und einen Unternehmer in Personalunion - das vielzitierte Problem von der mangelnden Business-Denke dürfte gar nicht erst auftreten.
Für Falk Janotta ist denn auch klar: "Ich bin Einzelkämpfer und kann mir keinen Fehler erlauben. Für einen Interim Manager ist es das Wichtigste, sich mit guten Erfolgen einen guten Ruf und damit neue Kunden zu erarbeiten."
Jens Christophers, seit sechs Jahren als Interim Manager tätig, preist diese Art zu arbeiten als Lebensmodell, das zu ihm passt. Dabei sei er schon viermal gefragt worden, ob er nicht bei einem Auftraggeber fest einsteigen will. Will er aber nicht. Den Stress durch das alleinige Schultern des unternehmerischen Risikos macht die Tatsache wieder wett, dass ein Interim Manager auch mal zwei Monate auf Reisen gehen kann. Sozusagen als Interim-Weltenbummler.