Meistens ist es nur ein – oft genug falsches – Klischee, dass früher alles besser gewesen sein soll. Manchmal aber stimmt der Satz eben doch, zum Beispiel wenn sich Führungskräfte über nachlassendes Engagement ihrer Mitarbeiter ärgern. Der aktuelle Engagement-Index des Beratungshauses Gallup zeigt, dass diese Baustelle tatsächlich immer bröckeliger wird.
Jeder vierte Mitarbeiter in deutschen Firmen hat schon innerlich gekündigt, lautet der ernüchternde Befund der repräsentativen Studie unter mehr als 1300 Arbeitnehmern. Das ist gravierend, weil dieser Umstand die Arbeitgeber richtig Geld kostet, wie Gallup in seiner Analyse vorrechnet. Und das ist zugleich keineswegs ein Anlass fürs Management, zu schimpfen oder aufzugeben. Die Berater nehmen jedenfalls die Führungskräfte in die Pflicht, das Problem anzugehen – zumal die fehlende Identifikation keineswegs an fehlenden finanziellen Anreizen liegt, wie auch schon andere Studien in jüngster Zeit zeigten.
Den Status Quo in deutschen Büros und Fabrikhallen beschreibt die Studie so: Von 100 Arbeitnehmern empfinden 14 eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Unternehmen. Diese Mitarbeiter sind loyal und produktiv, fehlen selten und kehren ihrer Firma nicht von sich aus den Rücken. Das Gros, nämlich 63 Prozent, leistet durchschnittliche Arbeit, „Dienst nach Vorschrift“ im mittelprächtigen Sinn. 23 Prozent jedoch haben überhaupt keine Bindung mehr zu ihrem Unternehmen: unglückliche Mitarbeiter, Stinkstiefel manchmal, nur noch physisch präsent, wenn überhaupt.
Anteil der Demotivierten steigt stetig
Verändert hat sich das in den vergangenen zehn Jahr schleichend, schlagzeichenträchtige Sprünge zwischen einzelnen Jahren gab es nicht. Graduelle Veränderungen in der Verteilung aber sehr wohl, immer wieder schwankend, aber in der Tendenz doch eindeutig. Der Anteil der problematischen Mitarbeiter stieg im vergangenen Jahrzehnt von 15 auf 23 Prozent. Die Zahl der Hochengagierten sank leicht von 16 auf 14 Prozent. Das Mittelfeld schrumpfte von 69 auf 63 Prozent – hier gab es im vergangenen Jahr tatsächlich einen kleinen Einbruch um 3 Prozentpunkte.
Aus der durchschnittlichen Arbeitnehmerschaft verabschieden sich offenkundig immer mehr Mitarbeiter innerlich. Am Tätigkeitsprofil liegt das wohl nicht, denn drei Viertel bezeichnen die Art ihrer Aufgabe als für sie ideal. Sogar 92 Prozent behaupten, sie seien zufrieden mit ihrer Arbeit. Am Geld hängt es ebenso wenig. 58 Prozent – so viele wie noch nie – sagten dieses Mal, sie würden angemessen bezahlt. Dieser Wert lag 2001 bei 52 Prozent, sank dank stetig auf nur noch 43 Prozent im Jahre 2008. Die Angst vor einer lang anhaltenden Weltwirtschaftskrise hat die Ansprüche erkennbar und nachhaltig nach unten geschraubt.
Es fehlt an Lob und Förderung
„Diese Zahlen zeigen ganz eindeutig, dass die Gründe für eine mangelnde emotionale Bindung nicht in den Rahmenbedingungen des Arbeitsverhältnisses liegen“, sagt Marco Nink, Strategic Consultant bei Gallup. „Führungskräfte sind diejenigen, die in der Verantwortung stehen, da sie es sind, die das Arbeitsumfeld durch ihr Führungsverhalten prägen und gestalten.“
Offensichtlich setzt in den Unternehmen häufig eine Spirale ein – wer einmal abgehängt ist, verliert immer mehr an Boden. Nur 2 Prozent der Demotivierten erhielten in der Arbeitswoche vor der Befragung Lob und Anerkennung, 79 Prozent der Hochengagierten jedoch sehr wohl. Objektiv kein überraschender Sachverhalt, aber auf der psychologischen Ebene doch von Gewicht. Alles in allem vermissen die Mitarbeiter ohne emotionale Bindung zum Arbeitgeber konstruktives Feedback, Interesse an ihrer Person, Förderung und Mitsprachemöglichkeiten.
„Es wird deutlich, welchen Einfluss das Führungsverhalten, also die Erfüllung der elementaren Bedürfnisse und Erwartungen am Arbeitsplatz, auf die Verbundenheit der Mitarbeiter hat“, kommentiert Nink. Gute Führung orientiere sich am Menschen. „In jedem Unternehmen lassen sich durch geeignete Maßnahmen Verbesserungen erzielen, denn der Grad der emotionalen Bindung ist unabhängig vom Ausgangsniveau veränderbar.“
123 Milliarden Euro Schaden jährlich
Optimierungen liegen dabei im ureigenen Firmeninteresse. Gallup beziffert den volkswirtschaftlichen Schaden durch innere Kündigung in der Bundesrepublik auf etwa 123 Milliarden Euro jährlich. Im Durchschnitt fehlten Mitarbeiter aus der motiviertesten Gruppe im vergangenen Jahr an fünf Arbeitstagen, bei der Problemgruppe waren 8,5.
Alleine diese auf die Volkswirtschaft hochgerechnet 36 Millionen Fehltage Unterschied sorgen laut Gallup für Kosten in Höhe von 10,5 Milliarden Euro. Gelänge eine Anpassung der Fehlzeiten auf dem Niveau der optimalen Mitarbeitergruppe, würde ein Unternehmen mit 500 Mitarbeitern jährlich 153.000 Euro einsparen, eine Firma mit 30.000 Mitarbeitern sogar 9,2 Millionen Euro.
Motivation rechnet sich
Hinzu kommt, dass die engagierten Mitarbeiter in jedem Halbjahr mehr als 13 eigenen Ideen im Durchschnitt einbringen, die innerlichen Aussteiger aber nur etwa 4. Ebenfalls drastisch sind die Kosten, die durch Fluktuation entstehen. Nur 46 Prozent der unmotivierten Mitarbeiter planen, in drei Jahren noch für ihre Firma zu arbeiten; bei den loyalen Premium-Mitarbeitern sind es hingegen 86 Prozent.
Gallup rechnet hier für ein Unternehmen mit 30.000 Mitarbeitern mit 71 Millionen jährlichen Fluktuationskosten. Diese könnten sich um 4 Millionen verringern, wenn die Zahl der engagierten Mitarbeiter um fünf Prozent erhöht und gleichzeitig die Zahl der Problemmitarbeiter um ebenfalls fünf Prozent gesenkt würde.
Die Unterschiede zwischen dem engagierten und dem demotivierten Viertel in Unternehmen sind laut Gallup jedenfalls beträchtlich. Diese Gruppen liegen bei Qualitätskennzahlen um 60 Prozent, bei Arbeitsunfällen um 49 Prozent, bei der Produktivität um 18 Prozent auseinander.
Detailliertere Informationen enthält der „Engagement Index Deutschland 2011“ von Gallup.